Ärzteschaft

Erste deutsche Leitlinie zum Schwangerschafts­abbruch erschienen

  • Donnerstag, 26. Januar 2023
/New Africa, stock.adobe.com
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Berlin – Die erste Leitlinie „Schwangerschaftsabbruch im 1. Trimenon“ ist heute erschienen. In einem Presse­gespräch hat die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) die vom Bundesgesund­heits­ministerium (BMG) beauftragte S2k­-Leitlinie vorgestellt.

Sowohl der medikamentöse als auch der chirurgische Schwangerschaftsabbruch mittels Vakuumaspiration sind der Leitlinie zufolge sichere medizinische Behandlungen und ernste Komplikationen sind selten.

Die Autorinnen und Autoren der Leitlinie empfehlen beide Methoden als gleichwertig: Jede Frau sollte nach Aufklärung selbst entscheiden können, welche Methode sie wählt, heißt es in der Leitlinie.

Die häufigste durchgeführte Methode in Deutschland ist Daten des statistischen Bundesamtes zufolge mit etwas mehr als 50 Prozent die Vakuumaspiration gefolgt vom medikamentösen Abbruch mit etwa einem Drittel. In elf Prozent der Fälle wird eine Kürettage angewandt.

Im internationalen Vergleich ist der medikamentöse Abbruch in Deutschland damit sehr selten: In Schweden beispielsweise werden Schwangerschaftsabbrüche in 96 Prozent der Fälle medikamentös durchgeführt.

Matthias David, Leitlinienkoordinator der DGGG geht allerdings davon aus, dass sich in Deutschland im Zuge der Ambulantisierung der Anteil medikamentöser Schwangerschaftsabbrüche erhöhen werde.

Fehlende Evidenz für Überlegenheit einer Methode

„Obwohl die anderen Gesundheitssysteme es so machen, haben wir keinen Beweis dafür, dass der medika­mentöse Schwangerschaftsabbruch besser ist als der chirurgische“, sagte David von der Frauenklinik der Charité – Universitätsmedizin Berlin, mit Hinblick auf die fehlende Evidenz.

„Es ist nicht einfach, eine Methode in der Leitlinie zu präferieren“, sagte David. Er bevorzuge jedoch aus rein medizinischer Sicht den medikamentösen Abbruch, insbesondere aufgrund des fehlenden OP-Risikos inklu­sive der Narkose.

Es gebe jedoch eine Vielzahl sozialer Gründe, weshalb Frauen ein schnelles Ende der Schwangerschaft präfe­rieren, so der Gynäkologe. In einem solchen Fall sei die operative Methode von Vorteil.

Unabhängig von der Methode sollte vor einem Schwangerschaftsabbruch die Schwangerschaft und deren Dauer ärztlich festgestellt werden.

Zum medikamentösen Abbruch wird das synthetische Steroid Mifepriston verwendet. Es verdrängt das Schwangerschaftserhaltende Hormon Progesteron vom Rezeptor und beendet so die Schwangerschaft. Die Einnahme darf nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.

24 bis 48 Stunden später erfolgt die Einnahme von Misoprostol entweder buccal, sublingual oder vaginal. Dadurch kommt es zur Kontraktion der Gebärmutter und der Erweichung des Gebärmutterhalses. Die Ein­nahme von Misoprostol darf im Gegensatz zu Mifepriston zuhause erfolgen.

Übelkeit und Erbrechen sowie Schmerzen sind sehr häufige beziehungsweise häufige Nebenwirkungen der Medikamente, sodass nach der Einnahme von Misopristol ein nicht-steroidales Antirheumatikum und ein Antiemetikum empfohlen ist.

Vakuumaspiration als operative Methode der Wahl im ersten Trimenon

Für ein Zervixpriming sollte auch vor einem operativen Schwangerschaftsabbruch Misoprostol angewendet werden. Die Vakuumaspiration ist die operative Methode der Wahl im ersten Trimenon. Diese kann bis zur 9. Schwangerschaftswoche entweder manuell oder elektrisch erfolgen, danach sollte sie elektronisch durchge­führt werden. Die Absaugung kann sowohl in Lokal- als auch in Allgemeinanästhesie passieren.

Nach operativen und medikamentösen Verfahren empfiehlt die Leitlinie eine gynäkologische Nachuntersu­chung. Denn in seltenen Fällen kann eine Schwangerschaft weiterbestehen oder Schwangerschaftsgewebe im Körper verbleiben. Bei einem operativen Eingriff sind es nach Angaben der Leitlinie 0,2 Prozent und bei einem medikamentösen Abbruch ein Prozent.

S3-Leitlinie in Planung

Während in manchen Ländern bereits Leitlinien vorlagen, gab es in Deutschland bisher keine offiziellen Empfehlungen zu medizinischen Verfahren und Vorgehensweisen bei einem Schwangerschaftsabbruch.

Aktuell ist die S2k-Leitlinie bereits in Überarbeitung: Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG) wird für sieben Fragestellungen Evidenzberichte erstellen. Die Leitliniengruppe trifft sich danach, um die Empfehlungen erneut zu diskutieren. Unter anderem soll hier auch ein Vergleich der unterschiedlichen Methoden zum Schwangerschaftsabbruch stattfinden.

„Der DGGG-Vorstand ist dankbar, dass die Leitlinie für dieses sensible Thema nun auf den Weg gebracht wurde. Damit existiert für Deutschland endlich auch eine evidenzbasierte Handlungsempfehlung für alle Medizinerinnen und Mediziner, die Schwangerschaftsbrüche vornehmen“, sagte Barbara Schmalfeldt, Präsi­dentin der DGGG.

Eine Leitlinie für den Zeitraum nach dem ersten Trimenon ist allerdings nicht in Planung. „Wir haben uns bewusst auf die ersten zwölf Wochen post conzeptionem beschränkt, weil die Situation danach eine deutliche andere ist", sagte David. Neben einer anderen rechtlichen Situation, sei auch die Methode nach dem ersten Trimenon eine andere, da hier immer eine Intervention notwendig sei.

„Ein Schwangerschaftsabbruch kann für Frauen eine seelische und körperliche Herausforderung darstellen," sagte Stephanie Wallwiener, Leitlinienkoordinatorin der Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Frauen­heilkunde und Geburtshilfe (DGPFG). Umso wichtiger sei es, den Fachkräften und somit auch den betroffenen Frauen eine informative Beratung und evidenzbasierte Behandlung nach aktuell bestem medizinischem Wissen zu ermöglichen.

Eine Beratung zu individuellen Verhütungsmethoden sowie das rechtzeitige Erkennen von psychischen Problemen im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch thematisiert die Leitlinie daher ebenfalls.

Die Empfehlungen richten sich an Ärztinnen und Ärzte, die selbst Schwangerschaftsabbrüche durchführen, und an jene Professionen, die in die Betreuung und Beratung von Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen wollen, einbezogen sind.

mim

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