Politik

Experten gegen Impfungen in Apotheken

  • Donnerstag, 24. Oktober 2019
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Berlin – Ärztliche Verbände positionieren sich weiter gegen eine Ausweitung der Impfkompetenz auf Apotheker. Bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss im Deutschen Bundestag machten Vertreterinnen von Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sowie mehrere Berufsverbände deutlich, dass das Impfen in ärztlicher Hand bleiben sollte „Es fehlt dann an der Kompetenz zur Beratung und bei Notfallmedizinischen Maßnahmen, wenn es zu einem allergischen Schock kommt“, hieß es einhellig.

Für die KBV erklärte Andraes Gassen im Vorfeld der Sitzung: „Nur Ärztin und Arzt kennen den umfassenden und gesamten Gesundheitszustand ihrer Patientinnen und Patienten.“ Zur Impfung gehöre auch eine Anamnese, Aufklärung und der Ausschluss von Kontraindi­kationen. Er betonte, dass die Klarstellung, dass nun jede Ärztin und jeder Arzt impfen dürfe, dazu beitragen werde, „Impflücken schneller zu schließen.“

Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut (STIKO) erklärte, dass er sich zunächst Modellprojekte vorstellen kann, in denen Apotheker impfen sollen dürfen. Aus seiner Sicht müssten alle Möglichkeiten, die Impfquoten zu ver­bessern, geprüft werden. So gebe es eine Studie über 18 Länder, wie sich dort Impfquo­ten verbessert haben, wenn auch in Apotheken geimpft wurde. Dies sei beispielsweise in Kanada, Australien, Irland und Großbritannien.

Auch Zahlen aus Frankreich zur Grippe­schutz­impfung belegten, dass hier 900.000 Men­schen mehr geimpft wurden, seit einige Apotheken dies anbieten dürften. Allerdings hätten laut Mertens in den Regionen dann zusätzlich auch Ärzte mehr geimpft. Er befürwortete auch weitere gesetzliche Maßnahmen, die Vorwände gegen Impfungen abzubauen.

Mit dem Gesetz will die Bundesregierung eine Impfplicht für Kinder in Gemeinschaftsein­richtungen wie Schule oder Kita einführen. Bevor Kinder dort aufgenommen werden, müssen sie einen Impfschutz gegen Masern vorweisen. Auch die Lehrer und Erzieherinnen sowie medizinisches Personal müssen künftig einen vollständigen Impfschutz nachweisen.

Kassen sehen Ärzte als erste Adresse beim Impfen

Der GKV-Spitzenverband sieht auch die Ärzte als erste Adresse, wenn es um das Impfen geht. Der Spitzenverband der Krankenkassen hat den Bundestagsabgeordneten empfohlen, genauer die „geeigneten“ Ärzte zu definieren, die künftig impfen dürfen. Der Verband bewer­tet das Gesetz auch in dem Punkt positiv, dass auch die Krankenkassen künftig über fällige Schutzimpfungen informieren können.

„Dafür sind die Krankenkassen gut geeignet, denn auch wir haben die Abrechnungsdaten“, erklärte Vorstandsmitglied des GKV-Spitzenverbandes, Stefanie Stoff-Ahnis. Sie hoffe auf die zügige Einführung eines digitalen Impfausweises, damit die Versicherten besser an Impfun­gen erinnert werden können. Auch Ärztevertreter sehen hier Chancen, dass Menschen erreicht werden könnten, die nicht zum Haus- oder Kinderarzt gingen.

Kritik äußerte Stoff-Ahnis an den Kommunen, die sich bei der Finanzierung der Impfleis­tungen durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst entzögen. Zwar könne der ÖGD mit den Kassen abrechnen, diese würden aber die Rechnung gerne an die Kommunen weitergeben. Für den Verband der Kinder und Jugendärzte (BVKJ) erklärte Vizepräsidentin Sigrid Peter, dass Recall-Systeme in den Praxen wichtig, allerdings teuer seien und daher oftmals nicht zur Anwendung kommen würden.

Habe eine Praxis ein Recall-System, dann habe das aus ihrer Sicht auch eine große Auswir­kung auf die Impfquoten, gerade auch bei anderen Krankheiten. Auch die Vertreterin der KBV bewertete die Recall-Systeme positiv, da hier Arbeit delegiert werden könne.

Kritik an der Zielgruppe des Gesetzes

Kritik am Gesetzentwurf wurde über die Zielgruppe des Gesetzes geäußert. So würden die Erwachsenen, bei denen oft Impfungen fehlten, völlig vergessen. So erklärte Cornelia Betsch von der Universität Erfurt, dass vor allem Erwachsene zwischen 20 und 50 Jahren nicht ausreichend geimpft seien. „Um diese Menschen zu erreichen, ist der Gesetzentwurf nicht geeignet.“ Es müsse mehr an Erinnerungssystemen für alle Bevölkerungsgruppen gearbeitet werden. Zwar seien die Kampagnen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) gut, doch oftmals nicht spezifisch genug für einzelne Zielgruppen, so Betsch. Ebenso fehle es an Informationsmaterialien für Ärztinnen und Ärzte, damit diese ein Informations­gespräch mit Patienten führen könnten.

Kritiker einer Impfpflicht stellen die Verfassungsmäßigkeit der Pflicht in Frage. In mehreren Antworten ist der Jurist Nil Schaks von der Uni Mannheim zu einer anderen rechtlichen Auffassung gekommen. Zwar stelle die Impfpflicht einen Grundrechtseingriff dar, der jedoch sachlich gerechtfertigt erscheine und verhältnismäßig ausfalle, so Schaks. Das Grundgesetz lasse der Regierung hier einen gestalterischen Spielraum, hieß es. Er hielt es auch für die betroffenen Berufsgruppen – Erzieher, Pflegekräfte und Ärzte – für zumutbar, sich für die Ausübung der Tätigkeit impfen zu lassen.

Kritik äußerten die Expertinnen und Experten auch, dass es keine bundesweite Datener­hebung über das Impfgeschehen gebe. Hier forderten Vertreter der Pharmaindustrie sowie die Stiko mehr Datenbanken. Die KBV wies daraufhin, dass die Impfvereinbarungen regional unterschiedlich seien.

Für die Bundesärztekammer betonte Katrin Bräutigam, dass die entsprechenden Impfstoffe auch seitens der Pharmaindustrie verfügbar sein müssten. Die im Gesetz vorgesehene Regelung, dass nur ein Mono-Impfstoff bei Masern eingesetzt werden könne, interpretiert Rechtswissenschaftler Schaks anders. Aus seiner Sicht sei es auch möglich, statt der nicht-verfügbaren Mono-Impfstoffe die üblichen Vierfach-Impfstoffe zu verwenden.

Kostenerstattung für eine vertrauliche Spurensicherung wird eingeführt

Mit dem Gesetz wird neben der Impfpflicht auch die Kostenerstattung für eine vertrauliche Spurensicherung in Arztpraxen oder Krankenhäusern bei sexueller Gewalt eingeführt. Diese sollen künftig Krankenkassen erstatten, wenn die Betroffenen keine Anzeige erstattet haben. Die KBV sieht hier einen guten Lösungsansatz, in diesen Fällen die Kosten zu er­statten, „auch wenn dies systemisch nicht ganz logisch erscheint“, so Sibylle Steiner Dezer­nentin bei der KBV. Die Frage der Abgeordneten, wie hoch die Kosten seien, könne noch nicht beantwortet werden. „Hier müssen die Honorarverhandlungen nach dem Abschluss des Gesetzes abgewartet werden“, so Steiner.

Eine weitere Regelung in dem Gesetz ist der Verbot von Schönheits-OPs für Jugendliche. Hier befürwortete die Bundesärztekammer die geplanten Regelungen, da viele Jugendlichen die körperlichen wie psychischen Reifeprozesse noch nicht abgeschlossen hätten.

bee

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