Politik

Expertenkommission: Behörden hätten schon 2017 eingreifen müssen

  • Dienstag, 28. August 2018
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Potsdam – Die Behörden in Brandenburg hätten nach Einschätzung der Expertenkommission zum Pharmaskandal bereits im Februar 2017 eingreifen müssen. Damals habe es schon den begründeten Verdacht gegeben, dass das Unternehmen Lunapharm unzulässige Arzneimittel vertreibe. „Daraus ergab sich die Notwendigkeit, zu diesem Zeitpunkt erforderliche Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Patienten einzuleiten“, heißt es in dem 59 Seiten starken Bericht der Kommission, den das Gesundheitsministerium Brandenburg heute veröffentlichte.

„Die Taskforce konnte nicht schlüssig klären, warum dies nicht geschah“, heißt es dort weiter. Begünstigende Umstände sei unter anderem unzureichendes Personal im Ministerium und in der Aufsichtsbehörde, dem Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG), gewesen. Dort habe man darüber hinaus die Bedeutung der Hinweise unterschätzt. Eine Rolle für die mangelnde Reaktion der Behörden haben demnach auch eine fehlende Koordination, ineffiziente Kommunikationswege mit Ermittlungs- und Bundesbehörden sowie zeitlich verzögerte Gerichtsentscheidungen gehabt.

„Begünstigende Umstände waren eine in qualitativer und quantitativer Hinsicht personell unzureichend besetzte Fachaufsicht im Ministerium und eine den Anforderungen nicht entsprechende personelle Besetzung der Aufsichtsbehörde im LAVG“, heißt es wörtlich im Bericht. Zudem bestand keine hinreichende Klarheit über Entscheidungsspielräume und Entscheidungsabläufe zwischen Ministerium und LAVG. „Ein für diesen aus Patientenperspektive höchst sensiblen Sachverhalt notwendiges Vier-Augen-Prinzip fand keine Anwendung.“

Die Mitglieder der Taskforce legen in dem Bericht zudem „großen Wert auf die Feststellung, dass durch das Handeln von Personen oder Firmen Patienten in Deutschland einem gesundheitlichen Risiko ausgesetzt wurden“. Darüber hinaus seien in diesem Fall den Patienten in Griechenland wichtige Arzneimittel vorenthalten und eine medizinisch begründete Behandlung dieser Patienten unmöglich gemacht worden. Durch ein solches Handeln werde daneben den Gesundheits- und Sozialsystemen substanzieller Schaden zugefügt. Die Mitglieder der Task Force halten solches Handeln für „ethisch und moralisch inakzeptabel“.

Die Experten geben zahlreiche Empfehlungen unter anderem zur Fortbildung und Schulungen der Mitarbeiter, aber auch zu Gesetzesänderungen auf Bundesebene, etwa zu Re-Importen von im Ausland preiswerteren Arzneimitteln. Konkret regt die Taskforce beispielsweise für das Ministerium eine Diskussion an, die Aufgaben besser zuzuschneiden.

Sie hält es zudem für notwendig, dass künftig die mit Personalreduzierungen verbundenen Risiken stärker berücksichtigt und mit einer Risikoabschätzung für relevante Bereiche der Eingriffsverwaltung, wie der Überwachung von Arzneimitteln, Apotheken und Medizinprodukten, verbunden werden. Darüber hinaus sei eine „adäquate Besetzung“ der ausführenden Stellen mit in der Sache „kompetenten, fachlich ausreichend qualifizierten und über Verwaltungswissen und -erfahrung verfügenden“ Mitarbeitern notwendig, heißt es weiter.

Für schwierige Fragestellungen oder Bewertungen in den hochsensiblen Arbeitsbereichen der Arzneimittel/Apotheken sowie der nichtaktiven Medizinprodukte/In-vitro-Diagnostika wird die „Einrichtung eines Vier-Augen-Prinzips zur Entscheidungsfindung angeregt“. Auch ist dringend eine kritische Überprüfung und stringente Verbesserung der internen Aktenführung erforderlich. „Diese Aufgabe sollte im Rahmen der elektronischen Aktenführung vorrangig bearbeitet werden“, schreibt die Kommission. Sie empfiehlt ebenso eine interne Revision.

Die Empfehlungen für die Aufsichtsbehörde sind ebenfalls konkret. So hält die Taskforce es für notwendig, einen Plan zur mittelfristigen und vorausschauenden Personalentwicklung zu erstellen. Ziel müsse es sein, dass Ausfallzeiten wie Urlaub, Krankheit, Mutterschutz, Elternzeit, Ruhestand, Abordnungen, Fortbildung – nicht zu Einschnitten und Beeinträchtigungen der Überwachungstätigkeit führen. Grundsätzlich hält die Kommission eine dauerhafte Verbesserung der Arbeitssituation und mehr qualifiziertes Personal für notwendig.

Aus Sicht der Taskforce müssen auch die Rahmenbedingungen auf nationaler und EU-Ebene verändert werden. Die Kommission schlägt eine Änderung des Paragrafen 69 Arzneimittelgesetz (AMG) vor. „Nach derzeit geltendem Recht kann zwar bei Anordnungen der zuständigen Behörde nach Paragraf 69 Abs. 1 Nr. 2a AMG der sofortige Vollzug angeordnet werden. Es fehlt aber hier die Regelung, dass Widerspruch und/oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben“, heißt es.

Ebenso wird befürwortet, die Re-Importquote zu streichen und empfohlen, die Verbindlichkeit von Verfahrensanweisungen in der Überwachung des Verkehrs von Arzneimitteln zu überprüfen. Befürwortet wird auch ein Verbot des Parallelvertriebs von Arzneimitteln in der EU sowie der Vermittler- und Mitvertreibertätigkeit. Diskutiert werden muss nach Ansicht der Taskforce auch über „ein Verbot des Parallelimportes von Arzneimitteln“.

may/dpa

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