Gesetzentwurf: Lauterbach will elektronische Patientenakte und Videosprechstunden voranbringen

Berlin – Die Digitalisierung im Gesundheitswesen soll weiter vorangetrieben werden: So sollen Videosprechstunden und Telekonzile gestärkt, die elektronischen Patientenakte (ePA) mit einem Opt-out-Verfahren belegt sowie den Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) zu mehr Sichtbarkeit verholfen werden. Das geht aus einem Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) hervor, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.
Das lang erwartete Gesetz aus dem Hause von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat im Herzstück die Weiterentwicklung der ePA als Ziel. Laut dem Gesetzentwurf soll die ePA „zur Austauschplattform zwischen Leistungserbringern und dem Versicherten sowie als digitales Gesundheitsmanagementsystem für den Versicherten eine zentrale Rolle in der Versorgung“ werden.
Ab dem 15. Januar 2025 „gilt die Verpflichtung der Krankenkassen, eine zugelassene elektronische Patientenakte“ den Versicherten anzubieten. Das Gesetz legt fest, dass Krankenkassen die Anbieter der ePA sein sollen. Ebenso beschreibt das Gesetz ausführlich die genauen Regelungen zur Widerspruchslösung zur Nutzung der ePA, das sogenannte Opt-out-Verfahren. Versicherte können demnach der Nutzung der ePA widersprechen. Bisher galt die Lösung, dass Versicherte explizit zustimmen müssen, wenn sie eine ePA nutzen wollten.
Dies haben nach Kassenangaben seit 2021 nur rund ein Prozent der 74 Millionen GKV-Versicherten in Deutschland getan. Erklärtes Ziel des BMG ist es, dass 2026 rund 80 Prozent der Versicherten eine ePA nutzen.
Elektronischen Notfalldaten auf der ePA ab 2025
Als erste Anwendung auf der ePA soll der „digitale Medikationsprozess“ abgebildet werden. Danach folgen die Laborbefunde, die in die ePA eingefügt werden sollen. Welche weiteren Anwendungen kommen sollen, will das BMG per Rechtsverordnung festlegen, heißt es in dem Gesetzentwurf. Zum 1. Januar 2025 sollen auch die elektronischen Notfalldaten auf der ePA gespeichert sein.
Der Medikationsplan soll bereits in der Praxisverwaltungssoftware (PVS) aufgenommen werden, um von dort aus befüllt zu werden. Die Daten aus der ePA sollen entsprechend in den Plan mit einbezogen werden. Hier benötigt es die Zustimmung des Patienten.
In der Diskussion um die Hoheit über die Patientendaten wird in dem Gesetz explizit das „Verschatten“ von einzelnen Inhalten thematisiert. Die Beschränkungen der Leserechte können Patientinnen und Patienten entsprechend aufheben oder zulassen. Das Gesetz erwähnt explizit, dass Ärztinnen und Ärzte bei HIV-Infektion, Schwangerschaftsabbrüchen oder eine psychische Erkrankung ihre Patienten auf die Widerspruchmöglichkeiten der Dokumentation dieser Daten hinweisen müssen.
Ebenso soll das E-Rezept weiterentwickelt werden – entsprechende Apps sollen weitergeführt, aber auch innerhalb der ePA angeboten werden können. Krankenkassen sollen ihre Versicherten über die Modalitäten informieren müssen.
Keine Begrenzung der Videosprechstunden mehr
Auch soll mit dem Gesetz die Grundlage dafür gelegt werden, dass die Videosprechstunden sowie die Telekonzile ausgebaut werden. Die bisherige Begrenzung der Videosprechstunden auf maximal 30 Prozent der ärztlichen Leistungen soll aufgehoben werden. Die Vergütung gleichzeitig soll an Qualitätsmerkmalen orientiert werden, damit es nicht nur eine „mengenmäßige Ausweitung der Nutzung“ gibt.
So sollen nur die telemedizinischen Angebote besser vergütet werden, „die strukturierte Versorgungsprozesse beinhalten, gut in die übrigen Versorgungsprozesse eingebunden sind und dazu die elektronische Patientenakte und weitere digitale Anwendungen und Dienste der Telematikinfrastruktur einbeziehen“, heißt es in der Gesetzesbegründung. Die Vergütung auch für die Telekonzile soll dabei in der Hand der Institutionen der Selbstverwaltung liegen.
Auch möchte das BMG zügiger Berichte über die Nutzung der telemedizinischen Versorgung. Der erste Bericht soll bereits am 1. Juni 2024 vorliegen.
Das Gesetz sieht zudem vor, die Möglichkeiten der Digitalen Gesundheitsanwendungen, kurz DiGA, zu erweitern. Sie sollen für einen „nutzenstiftenden Einsatz in der Versorgung tiefer in die Versorgungsprozesse integriert werden“, heißt es in dem Gesetzentwurf. Die künftige Preisgestaltung soll stärker auf Erfolgskriterien ausgerichtet werden.
Das Gesetz soll auch Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass der künftige Datenaustausch sowie das technologische Fundament auf einem einheitlichen Standard läuft. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung nun die „Verbindlichkeit von Standards, Profilen und Leitfaden“ erhöhen. Und weiter heißt es in dem Gesetz: „Dies wird durch einen transparenten marktbasierten Mechanismus sichergestellt."
Um vor Cyberangriffen besser geschützt zu sein, müssen die „Einrichtungen des Gesundheitswesens organisatorische und technische Maßnahmen ergreifen“, um die „Resilienz ihrer Informationssysteme zu verbessern“, so der Entwurf. Dazu gehöre auch die cloudbasierten Informationssysteme, für die das Gesetz „Mindestanforderungen“ beschreibt.
Hohe Kosten für die Krankenkassen
Die Krankenkassen wird das Gesetz viel Geld kosten: So prognostiziert der Referentenentwurf, dass zwischen 2024 und 2027 für die Umsetzung der Digital-Vorhaben rund 789 Millionen Euro ausgegeben werden sollen. Der technische Umbau der schon vorhandenen ePA wird für die Krankenkassen auf 114 Millionen Euro beziffert. Auch werde mit fünf Millionen Euro gerechnet, die der Betrieb des Widerspruchsverfahren jährlich kostet.
Für die Fortentwicklung der DiGA entstehen den Krankenkassen laut Gesetzentwurf zwischen 2026 und 2028 insgesamt etwa 16 Millionen Euro an Kosten – für die Fortentwicklung der Telemedizin im gleichen Zeitraum bis zu 24 Millionen Euro.
„Dem gegenüber stehen nicht näher bezifferbare Einsparpotenziale durch eine verbesserte Arzneimitteltherapiesicherheit sowie weitere Effizienzgewinne durch die bessere Verfügbarkeit von behandlungsrelevanten Daten und die Vermeidung unnötiger und belastender Doppeluntersuchungen", schreibt das BMG.
Der Prozess der Gesetzgebung soll nach der parlamentarischen Sommerpause gestartet werden.
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