Politik

Gesundheitsminister einigen sich auf neue Teststrategie für Reiserückkehrer

  • Dienstag, 25. August 2020
/picture alliance, AP, Miroslav Lelas
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Berlin – Kostenlose Tests auf SARS-CoV-2 für Urlauber bei der Einreise nach Deutschland soll es nach dem Willen der Gesundheitsminister von Bund und Ländern nach Ende der Sommerreisesaison nicht mehr geben.

Außerdem soll die erst kürzlich eingeführte Testpflicht für Rückkehrer aus Risikogebieten wieder abgeschafft werden. Entsprechende Vorschläge legten die Minister gestern nach einer Schaltkonferenz vor. Das letzte Wort, ob die Vorschläge am Ende kommen werden, ist aber noch nicht gesprochen. Heftige Kritik daran kam aus Bayern.

Es habe eine hohe Übereinstimmung gegeben, dass richtigerweise im Sommer die Tests für Reisende ausgeweitet worden seien, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nach dem Gespräch. Man sei sich aber gleichzeitig einig, dass mit Ende der Rück­reisewelle die Kapazitäten wieder stärker im Bereich Pflege und Krankenhäuser genutzt werden sollten.

Konkret geplant ist demnach, dass für diejenigen, die aus Risikogebieten einreisen, wie­der ausschließlich die Quarantäneregelung gelten soll. Das heißt: Die Betroffenen müss­en sich wie bisher beim Gesundheitsamt melden und sich in Quarantäne begeben.

Diese soll im Unterschied zur jetzigen Regelung erst dann verlassen werden dürfen, wenn mit einem frühestens fünf Tage nach der Einreise gemachten Test ein negatives Ergebnis vorgewiesen wird. Faktisch dürfte das die Dauer der Quarantäne für die betreffenden Rei­senden verlängern.

Im Moment gilt, dass Reisende, die in Risikogebieten waren, sich nach der Einreise testen lassen müssen, wenn sie keinen eigenen maximal 48 Stunden alten negativen Test vor­wei­sen können. Ein negatives Ergebnis hebt die vorgeschriebene Quarantänepflicht auf. Seit Ende Juli können sich zudem Urlaubsrückkehrer auch aus Nicht-Risikogebieten in Deutschland kostenlos auf das Virus testen lassen.

Kapazitätsprobleme

Die geplante Neuausrichtung wird unter anderem damit begründet, dass die Labore in Deutschland inzwischen an ihre Grenzen stießen, sowohl beim Personal als auch bei der Verfügbarkeit von Materialien.

„Wenn wir wochenlang Volllast fahren in dem Bereich, werden wir Material- und Perso­nal­­probleme bekommen“, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums ges­tern. Deshalb müsse man die Teststrategie entsprechend anpassen. Pro Woche werden dem Sprecher zufolge momentan rund 875.000 Coronatests gemacht. Die Labore hätten eine theoretische Kapazität von rund 1,2 Millionen.

Unklar ist noch, wann genau die neuen Regeln in Kraft treten sollen. Diskutiert wird über den 15. September. Dann beginnt auch im letzten Bundesland Baden-Württemberg wie­der die Schule. Auch ein späteres Datum, etwa Anfang Oktober, ist möglich. Das dürfte bei den Beratungen der Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag eine Rolle spielen.

Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) hatte gestern für Änderungen plädiert. „Was wir jetzt schon sehen ist, dass ins­be­sondere der frühe Test – die Kosten werden nur bis 72 Stunden nach Einreise über­nomm­en – bei Einreise häufiger noch negativ ausfällt, der zweite Test an Tag 5 bis 7 nach Ein­reise dann doch positiv ist“, teilte der BVÖGD dem Deutschen Ärzteblatt mit.

Es sei über die Frist für die Kostenübernahme zu diskutieren und zu überlegen, die Tests erst ab Tag 5 zu machen. „Denn grundsätzlich müssen alle Reiserückkehrer aus Risikoge­bieten ja in Quarantäne bis ein negativer Test vorliegt. Das könnte die Situation an den Testzentren entzerren und die Aussage beim zweiten Test ist deutlich aussagekräftiger“, hieß es weiter.

Kritik aus Bayern

Bayern sprach sich hingegen vehement gegen ein vorzeitiges Ende der Coronatestpflicht für Urlaubsrückkehrer aus. „Die Diskussion zur Beendigung einer Testpflicht für Reiserück­kehrer aus Risikogebieten ist verfrüht“, sagte Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) gestern Abend in München.

Die Auswertungen aktueller Ausbruchsschwerpunkte von Infektionen zeige klar die Be­deutung von infizierten Reiserückkehrern an diesen Infektionsketten. Huml äußerte sich besorgt über die gestern zuvor mehrheitlich von ihren Amtskollegen aus Bund und Län­dern befürwortete neue Teststrategie. „Jetzt, wo dieses wirkungsvolle Instrument greift und akzeptiert ist, sollte man es nicht verfrüht stoppen“, betonte sie und verwies auf die erzielten Erfolge bei den Kontrollen in Bayern.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fand ebenfalls deutliche Worte. „Bayern will das nicht“, sagte er heute im Bayerischen Rundfunk. Die Urlaubsrückkehrer ließen „gepaart mit einem großen Leichtsinn“ überall in Deutschland das Infektionsgeschehen ansteigen. „Der Urlaub ist genau das Risiko, vor dem wir immer gewarnt haben“, sagte Söder.

Lob von Laborärzten

Volle Unterstützung für den Kurs von Spahn signalisiert der Berufsverband Deutscher La­borärzte (BDL). „Für einen ‚heißen Herbst‘ müssen die Coronatests dringend nach medizi­ni­­schen Kriterien neu ausgerichtet werden. Denn ab September brauchen wir die PCR-Testkapazitäten verstärkt auch für die Influenzadiagnostik und andere Infektionstests“, sagte der BDL-Vorsitzende Andreas Bobrowski.

In der COVID-19-Pandemie müsse sichergestellt werden, dass an jedem Ort und jederzeit Patienten mit Symptomen, besonders gefährdete Personen und medizinisches Personal tatsächlich innerhalb von 24 bis 48 Stunden getestet, befundet und informiert werden könnten.

Die Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) halten eine Anpassung der Teststrategie ebenfalls für dringend erforderlich. Allerdings drängen sie darauf, den Schwenk schneller als von der Politik vorgesehen vorzunehmen.

„Hier reicht es keinesfalls, das Ende der Sommerferien abzuwarten“, sagte Michael Müller, 1. Vorsitzender. Er mahnt: „In Berlin sehen wir beispielsweise gerade jetzt eine deutliche Steigerung der Testzahlen – und das, obwohl die Schule hier bereits vor zwei Wochen wieder begonnen hat.“

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) beurteilt es als richtig, den Weg einer pauschalen Ausweitung der SARS-CoV-2-Infektionstests wieder zu verlassen. „Die Coro­natests müssen fokussiert und ausschließlich nach medizinischen, nicht nach politischen Kriterien angewandt werden“, erklärte KBV-Chef Andreas Gassen.

Die KBV zweifelt aber an der starren, vorgesehenen Frist von fünf Tagen, nachdem sich die Reiserückkehrer testen lassen sollen. Niemand könne sagen, wer sich wann wo ange­steckt habe, hieß es.

1278 registrierte Neuinfektionen

Innerhalb eines Tages haben die Gesundheitsämter in Deutschland nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom frühen Dienstagmorgen 1.278 neue Infektionen gemel­det. Am Montag waren es 711. Allerdings sind die gemeldeten Fallzahlen an Sonntagen und Montagen erfahrungsgemäß oft niedriger, weil am Wochenende nicht alle Gesund­heitsämter Daten an das RKI übermitteln.

An den Tagen zuvor hatte die tägliche Zahl der Neuinfektionen weit höher gelegen. Am vergangenen Samstag war mit 2.034 neuen Fällen erstmals seit Ende April die 2000er-Marke überschritten worden.

Der Höhepunkt bei den täglich gemeldeten Neuansteckungen hatte Ende März/Anfang April bei mehr als 6.000 gelegen. Die Zahl war nach den immer noch über 1.000 liegen­den Werten im Mai in der Tendenz gesunken, seit Ende Juli steigt sie wieder. Experten zeigen sich besorgt, dass es zu einem starken Anstieg der Fallzahlen kommen könnte, der die Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung von Ansteckungsketten an ihre Grenzen bringt.

Seit Beginn der Coronakrise haben sich mindestens 234.853 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Virus SARS-CoV-2 infiziert, wie das RKI heute morgen im Internet meldete (Datenstand 25.8., 0.00 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Coronainfektion liegt nach RKI-Angaben bei 9.277. Seit dem Vortag wurden fünf Todesfälle mehr gemeldet. Bis Dienstagmorgen hatten etwa 209.300 Menschen die Infektion nach RKI-Schätzungen überstanden.

Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, lag nach RKI-Schätzungen in Deutschland laut Mit­teilung vom Montag bei 0,98 (Vortag: 1,08). Das bedeutet, dass ein Infizierter im Mittel etwa einen weiteren Menschen ansteckt. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgesche­hen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab.

Zudem gibt das RKI in seinem aktuellen Lagebericht ein sogenanntes Sieben-Tage-R an. Der Wert bezieht sich auf einen längeren Zeitraum und unterliegt daher weniger tages­aktuellen Schwankungen. Nach RKI-Schätzungen vom Montag lag dieser Wert bei 0,97 (Vortag: 1,07). Er zeigt das Infektionsgeschehen von vor acht bis 16 Tagen.

dpa/afp/may

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