Spahn will für Reiserückkehrer zurück zur Quarantänepflicht

Berlin – Die erst vor kurzem eingeführten Coronapflichttests für Reiserückkehrer aus Risikogebieten könnten bald wieder abgeschafft werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat vorgeschlagen, dass statt Tests direkt nach der Einreise künftig wieder eine Quarantänepflicht greifen soll.
Die Quarantäne könne „nur durch ein negatives Testergebnis bei einer Testung nach frühestens fünf Tagen nach Einreise beendet werden“, heißt es in einem Konzept Spahns, das er den Gesundheitsministern der Länder für ihre Beratungen heute Nachmittag vorgelegt hat. Zum Redaktionsschluss tagten die Minister noch.
Dem Vorschlag zufolge sollen nach Ende der Sommerferien im ganzen Bundesgebiet die Regeln für die Rückkehr aus Risikoregionen überarbeitet werden.
Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) hatte heute für Änderungen plädiert. „Was wir jetzt schon sehen ist, dass insbesondere der frühe Test – die Kosten werden nur bis 72 Stunden nach Einreise übernommen – bei Einreise häufiger noch negativ ausfällt, der zweite Test an Tag 5 bis 7 nach Einreise dann doch positiv ist“, teilte der BVÖGD dem Deutschen Ärzteblatt mit.
Es sei über die Frist für die Kostenübernahme zu diskutieren und zu überlegen die Tests erst ab Tag 5 zu machen. „Denn grundsätzlich müssen alle Reiserückkehrer aus Risikogebieten ja in Quarantäne bis ein negativer Test vorliegt. Das könnte die Situation an den Testzentren entzerren und die Aussage beim zweiten Test ist deutlich aussagekräftiger“, hieß es weiter.
Kapazitätsengpässe
Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums hatte gestern erklärt, die Labore seien aktuell stark belastet, und es sei absehbar, dass das System dauerhaft an seine Grenzen stoße. „Klar ist auch, wenn wir wochenlang Volllast fahren in dem Bereich, werden wir Material- und Personalprobleme bekommen.“
Deshalb müsse man die Teststrategie entsprechend anpassen. Pro Woche werden dem Sprecher zufolge momentan rund 875.000 Coronatests gemacht. Die Labore hätten eine theoretische Kapazität von rund 1,2 Millionen.
Die Berliner Gesundheitssenatorin und derzeitige Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder, Dilek Kalayci (SPD), sagte ebenfalls, in Berlin seien die Kapazitäten für Tests durch die massiven Testungen der Reiserückkehrenden ausgeschöpft. Hinzu kommen ihren Angaben zufolge Meldungen aus den Laboren über Materialknappheit.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hatte am Wochenende bei Twitter geschrieben, dass den Laboren Chemikalien und Stoffe, die man für den Test braucht (sogenannte Reagenzien) und bestimmte Kunststoffteile ausgingen.
Seit Ende Juli können Urlauber sich kostenlos auf Corona testen lassen. Reisende, die aus einer zum Risikogebiet erklärten Region kommen, müssen das seit dem 8. August sogar tun, wenn sie keinen negativen Test vorweisen können. Auch das ist bisher kostenlos.
Die Beratungen der Gesundheitsminister gehen der geplanten Videokonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten der Länder am kommenden Donnerstag voraus. Beschlüsse werden erst dann erwartet. Nach Ansicht der Bundesregierung tragen vor allem private Feiern, bei denen die Hygiene- und Abstandsregeln nicht eingehalten werden, sowie Rückkehrer aus Risikogebieten zu den steigenden Infektionszahlen in Deutschland bei.
Bayern für einheitiches Vorgehen
Die steigenden Fallzahlen von SARS-CoV-2 machen aus Sicht Bayerns ein einheitliches Vorgehen der Länder erforderlich. „Wenn es keinen verbindlichen Rahmen gibt, gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass wir die negative Entwicklung bei Corona nicht mehr verhindern können“, sagte Ministerpräsident Markus Söder in München.
Deshalb sei es notwendig, dass sich Bund und Länder am Donnerstag auf einen einheitlichen Rahmen, wenigstens aber gemeinsame Mindeststandards, einigten. Als Beispiele nannte er die Maskenpflicht, die Höhe von Bußgeldern und erlaubte Personenzahlen für private und öffentliche Veranstaltungen.
Der CSU-Chef kündigte für Bayern eine Bußgeld-Erhöhung und mehr Kontrollen an. „Wir werden den Bußgeldkatalog auf 250 Euro im einmaligen Fall und bis 500 Euro bei mehrmaligen Verstößen anheben.“ Für Verstöße gegen Quarantäneauflagen sollen 2.000 Euro fällig werden.
In Regionalzügen und S-Bahnen in Nordrhein-Westfalen wurde heute verstärkt die Einhaltung der Maskenpflicht kontrolliert. Laut Landesverkehrsministerium soll unter anderem vom jeweiligen Bahnpersonal nach Maskenverweigerern gesucht werden, die dann an die Bundespolizei übergeben werden. Seit dem 12. August gilt für Verstöße gegen die Pflicht, in öffentlichen Verkehrsmitteln eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, ein Bußgeld von 150 Euro.
Wegen zahlreicher Verstöße gegen die Maskenpflicht auf Innenstadt-Bahnhöfen will die Deutsche Bahn vor allem am Abend ihre Kontrollen verstärken. „Maske tragen ist keine unverbindliche Empfehlung, sondern Pflicht. Es ist deshalb für uns nicht hinnehmbar, wenn sich Einzelne nicht an die Regeln halten“, teilte der Bahn-Sicherheitschef Hans-Hilmar Rischke mit. „Wir erhöhen daher gezielt unsere Präsenz von Sicherheitskräften.“ Zuvor hatte die Bild berichtet.
Bundesländer uneins über Obergrenze für private Feiern
Die Forderung nach einer bundesweit einheitlichen Teilnehmergrenze für private Feiern stößt unterdessen in mehreren Bundesländern auf Widerstand. Das hat eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergeben.
Demnach befürworten etwa Berlin, Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz grundsätzlich eine einheitliche Obergrenze für Familienfeiern, Geburtstagspartys oder Hochzeiten, um die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 einzudämmen. Länder wie Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern lehnen diese ab. Einige Länder, darunter Bayern und Baden-Württemberg, ziehen eine Verschärfung der Auflagen für private Feiern in Erwägung.
„Wenn wir merken, dass die Eigenverantwortung nicht weit genug geht, werden wir wieder stärker einschränken müssen“, sagte Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha (Grüne). Angesichts des Wiederanstiegs der Infektionszahlen schließt auch Bayern eine Verschärfung der Schutzauflagen für private Feiern nicht aus.
„Wir beobachten die aktuellen Entwicklungen – steigende Infektionszahlen und neuen Gefahrenherde – sehr genau und mit Sorge“, sagte der für die Koordinierung der Coronamaßnahmen zuständige Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) in München.
Für eine einheitliche Regelung sprach sich Berlins Gesundheitssenatorin Kalayci aus. „Zur Zeit beobachten wir auch in Berlin, dass das Freizeitverhalten und private Feiern das Infektionsgeschehen nach oben treiben. Ziel ist eine bundeseinheitliche Regelung für private Feiern und öffentliche Großveranstaltungen“, sagte sie. In der Hauptstadt dürfen sich bei öffentlich wie privaten Feiern aktuell bis zu 500 Menschen treffen.
Hamburg kündigte an, bei seinem „vorsichtigen Kurs“ zu bleiben. Für Feiern im privaten Raum, zum Beispiel in der eigenen Wohnung oder auf dem eigenen Grundstück, gilt in der Hansestadt derzeit eine Obergrenze von 25 Personen. Bei Feiern in angemieteten Räumen, bei denen Alkohol ausgeschenkt wird, dürfen maximal 50 Menschen zusammenkommen. Eine bundesweit einheitliche Regelung sei zwar nicht zwingend erforderlich, schaffe grundsätzlich aber „Klarheit und Akzeptanz“, erklärte ein Senatssprecher.
In Niedersachsen bleibt es bei der bisher geltenden Regelung, dass maximal 50 Menschen an Hochzeiten, Taufen oder Beerdigungen teilnehmen dürfen. Eine bundeseinheitliche Regelung hält die niedersächsische Landesregierung für grundsätzlich wünschenswert, aber nur solange sie nicht zu einer Aufweichung der im Vergleich eher strengeren Regeln im eigenen Bundesland führen würde. Auch Rheinland-Pfalz und Bremen zeigten sich einer gemeinsamen Regelung gegenüber aufgeschlossen.
Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen (NRW) will morgen laut Gesundheitsministerium auch über Höchstzahlen für private Feiern beraten. Bei einem herausragenden Anlass, etwa Jubiläen, Hochzeiten oder Taufen, sind dort derzeit höchstens 150 Teilnehmer zulässig.
Gegen eine bundeseinheitliche Regelung sprachen sich Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern aus. „Auf den ersten Blick mag eine bundeseinheitliche Lösung vorteilhaft wirken, allerdings verkennt sie die oft innerhalb Deutschlands sehr unterschiedliche Entwicklung des Infektionsgeschehens“, sagte ein Sprecher Landesregierung in Schleswig-Holstein. Derzeit sind private Feiern ohne Sitzungscharakter in Schleswig-Holstein auf 50 Personen beschränkt.
Gleichmäßigkeit klinge zwar gut, schränke aber alle auch gleichermaßen ein, hieß es aus Mecklenburg-Vorpommern. Es sei richtig, solche Entscheidungen in den Ländern zu treffen.
„Warum soll ich im Norden bei mir im Bundesland die Bevölkerung genauso einschränken, wie es vielleicht in Bayern nötig wäre, wo wir die geringsten Infektionen haben und in Bayern die größten sind?“, sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) dem Radiosender NDR Info in der vergangen Woche. Bei Familienfeiern sind hier höchstens 50 Personen zulässig, bei Hochzeiten, Jugendweihen oder religiösen Festen 75.
In Sachsen, Sachsen-Anhalt und im Saarland sind nach Angaben der Länder zunächst keine Verschärfungen der geltenden Bestimmungen geplant. In Thüringen soll Ende August aufgrund geringer Infektionszahlen eine Lockerung in Kraft treten. In Brandenburg gibt es derzeit keine Obergrenze, das Infektionsgeschehen werde aber genau beobachtet. In Hessen dürfen sich bis zu 250 Personen treffen, wenn ein Hygiene- und Abstandskonzept vorliegt.
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