Politik

SARS-CoV-2: Mehr Kontrollen und Digitalisierung von Aussteigekarten

  • Mittwoch, 26. August 2020
/picture-alliance, Julian Stratenschulte
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Berlin – Die Kontrolle der Quarantänepflicht nach Einreisen aus einem Risikogebiet soll nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verstärkt werden. Es gebe bereits jetzt stichprobenartige Kontrollen, sagte Spahn heute in Berlin. Diese soll­ten noch verstärkt werden.

Als Maßnahme dazu habe das Bundeskabinett eine stärkere Digitalisierung beschlossen. Digitale Aussteigekarten etwa bei Flugreisen sollten dabei helfen, die Gesundheitsämter vor Ort zu entlasten. Spahn sagte, nach Ende der Hauptreisezeit werde es ein „verstärktes Quarantäneregime“ für Einreisen aus Risikogebieten geben.

Der Minister verteidigte zugleich die Strategie, die Testangebote für Reiserückkehrer aus­geweitet zu haben. „Die Strategie beinhaltet es in einer solchen dynamischen Großlage immer, auch lageangepasst die konkreten Maßnahmen weiterzuentwickeln“, sagte der CDU-Politiker. Daran werde man sich gemeinsam gewöhnen müssen.

Es sei nach den Ferien aber Zeit, wieder zur einer langfristigen Strategie zurückzukehren. Man könne zwar 1,2 Millionen Tests pro Woche machen. Auf Dauer fehlten aber Mensch und Material, sagte Spahn. Man sehe die Ressourcen als endlich an, ergänzte heute ein Spre­cher in der Bundespressekonferenz.

Entscheidung am Donnerstag

Spahn hatte sich heute zuversichtlich gezeigt, dass der Strategiewechsel bei den morgi­gen Gesprächen der Länderregierungschefs mit Bun­des­kanzlerin Angela Merkel (CDU) beschlossen wird. Mit Blick auf den Herbst und Winter müssten gerade Krankenhäuser und Pflegeheime noch stärker vor dem Coro­navirus geschützt werden, so der Minister. Verstärkt sollten Patienten mit Syptomen, Ärzte, Pflegekräfte und Patienten getestet werden.

Spahn und die Gesundheitsminister aus mehreren Ländern streben an, dass es für Reise­rückkehrer keine kostenfreien Coronatests mehr geben soll. Rückkehrer aus Risikogebie­ten sollen sich in Quarantäne begeben und diese künftig frühestens mit einem fünf Tage nach Einreise vorgenommenen negativen Test verlassen dürfen. Wer den Test am Ende bezahlen muss, ist noch unklar. Das sei Gegenstand der laufenden Diskussionen, sagte ein Sprecher des Ministeriums heute.

Reisende, die aus einem Coronarisikogebiet zurückkehren und in Quarantäne müssen, müssen dafür keinen Urlaub nehmen, so der Sprecher. Unter Verweis auf das Infektions­schutzgesetz und die Quarantäneverordnungen der Länder sagte er: „Das heißt, der Ar­beitnehmer muss aufgrund behördlicher Anordnung für den Zeitraum der Quarantäne zu Hause bleiben. Deshalb besteht für ihn weder die Pflicht, dafür Urlaub zu nehmen, noch muss er einen Verdienstausfall befürchten.“

Im Moment gilt für diese Reisenden noch, dass sie die Quarantäne mit Vorlage eines ma­xi­mal 48 Stunden alten Tests bei der Einreise oder durch einen in Deutschland auf Anord­nung der Behörden gemachten Test umgehen können. Dafür gilt seit 8. August eine ent­sprechende Verordnung zur „Testpflicht“.

Weitgehend unbeachtet bleibt bisher die Frage danach, wie viele Tests bei den Reiserück­kehrern, die beim ersten Mal negativ getestet worden sind, nach fünf Tagen positiv aus­fallen. Das würde bedeuten, dass die derzeitige Strategie es befördere, dass infizierte Per­sonen aus Risikogebieten sich in Deutschland frei bewegen dürfen.

Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) hatte vor wenigen Tagen auf diese Tendenz hingewiesen. „Was wir jetzt schon sehen ist, dass ins­be­sondere der frühe Test – die Kosten werden nur bis 72 Stunden nach Einreise über­nomm­en – bei Einreise häufiger noch negativ ausfällt, der zweite Test an Tag 5 bis 7 nach Ein­reise dann doch positiv ist“, teilte der BVÖGD dem Deutschen Ärzte­blatt mit. Konkretisieren konnte der BVÖGD die Aussage allerdings nicht.

Zustimmung und Gegenwehr

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte die geplante Neuausrichtung in der Teststrategie kritisiert. Spahn sagte nun, er sei zuversichtlich, dass bei den Gesprächen der Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Donnerstag ein guter Kompromiss gefunden werde.

Die geplanten Neuregelungen stießen auf Zustimmung, aber auch auf Widerstand. Eine Abschaffung der verpflichtenden Tests für Rückkehrer aus Risikogebieten wäre nach An­sicht von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ein Fehler. „Corona ist gefährlich, die Infektionszahlen schnellen hoch, deshalb müssen wir testen“, sagte der CSU-Chef. Kritik kam auch von der Luftverkehrswirtschaft.

Die Labore forderten wegen zunehmender Belastung eine schnellstmögliche Umsetzung der Pläne. Die Analysegeräte liefen inzwischen in manchen Bereichen nonstop, hieß es gestern. Auch von der SPD-Fraktion im Bundestag, der Senioren-Union der CDU und aus der Pflegebranche kamen Forderungen nach einer Neuausrichtung der Teststrategie. Dabei geht es im Kern darum, den Fokus der Tests nach dem Sommer weg vom Reisever­kehr in Richtung Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen zu verschieben.

Die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) sagte im SWR, es sei sinnvoller, anlassbezogen zu testen, als eine allgemeine Testpflicht für Rei­serückkehrer beizubehalten. Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Bärbel Bas und die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Sabine Dittmar, forderten in einem Brief an Spahn eine neue Teststrategie, die „zuvorderst das medizinische Personal und die Situation der Kinder und Lehrkräfte in den Schulen“ berücksichtigen solle.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände kritisierte die geplante Min­destquarantäne von fünf Tagen. „Die wechselnden und unterschiedlichen Signale aus der Politik irritieren Arbeitgeber ebenso wie Beschäftigte“, hieß es auf Nachfrage der Welt.

Anteil der Nachweise mit Infektion im Ausland gestiegen

Laut neuen Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) haben sich mehr als 40 Prozent der zuletzt in Deutschland positiv auf SARS-CoV-2 getesteten Menschen wahr­schein­lich im Ausland angesteckt. Von den bekannten Neuinfektionen in Meldewoche 34, bei denen es eine An­gabe zum wahrscheinlichen Infektionsland gab, lag der Anteil der Ansteckungen im Aus­land bei 42 Prozent.

Zum Vergleich: In der Meldewoche 33 hatten sich 39 Prozent wahrscheinlich im Ausland infiziert, in der Meldewoche 32 waren es 34 Prozent. Am häufigsten wurden – auf vier Wochen betrachtet – der Kosovo, Kroatien, die Türkei, Bosnien und Herzegowina sowie Bulgarien als wahrscheinliche Infektionsländer genannt.

Allerdings ist die Aussagekraft dieser Zahlen begrenzt. Es ist anzunehmen, dass Rückkeh­rer im Schnitt viel häufiger getestet werden als der Rest der Bevölkerung. Der Kosovo, die Türkei, Bosnien und Herzegowina sind als Risikogebiete gelistet, für sie gilt zunächst eine Testpflicht für Reiserückkehrer. In Kroatien und Bulgarien sind jeweils nur Teile des Landes Risikogebiete. Wie groß der Anteil der Rückkehrer an den tatsächlich, womöglich unbemerkt Infizierten in Deutschland ist, ist unklar.

Insgesamt gibt es seit Beginn der Corona-Krise derzeit 234.853 bekannte Infektionen in Deutschland mit dem Virus – von einem Drittel davon gibt es allerdings keine Angaben zum mutmaßlichen Infektionsland. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Coronainfektion liegt nach RKI-Angaben bei 9.277. Bis Dienstagmorgen hatten etwa 209.300 Menschen die Infektion nach RKI-Schätzungen überstanden.

afp/dpa/may

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