Glyphosat wird zum Thema in Sondierungsgesprächen

Berlin/Brüssel – Der Streit um das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat schwappt in die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition. Die Bundesregierung will ihre Haltung zum umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat mit den möglichen Jamaika-Partnern FDP und Grüne besprechen. Die Dinge in Berlin seien „im Fluss“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert heute in Berlin.
Im Rahmen dessen, was einmal sondierungsfreundliche Vorgehensweise genannt worden sei, werde das Thema „mit den Sondierungspartnern zu besprechen sein“. Die Bundesregierung ist nur noch geschäftsführend im Amt. Die Grünen sind strikt gegen eine erneute Zulassung von Glyphosat, über dessen mögliche Risiken seit Langem gestritten wird. Sie wollen nun auch in den Jamaika-Sondierungsgesprächen mit Union und FDP für ein Verbot des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat kämpfen.
Glyphosat darf nicht weiter auf Felder gelangen
Das Mittel sei möglicherweise krebserregend und es „wissen alle, dass es dazu beiträgt, dass das Insektensterben immer weiter geht“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt heute in Berlin. Sie wandte sich strikt dagegen, die EU-Genehmigung für Glyphosat nochmals zu verlängern. Die Bundesregierung dürfe auf EU-Ebene „unter keinen Umständen einer Regelung zustimmen, die dafür sorgt, dass Glyphosat weiter auf den Feldern ist“, verlangte Göring-Eckardt.
„Glyphosat hat keine Mehrheit mehr in Europa“, erklärte auch der Ko-Fraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter. Der Einsatz des Mittels müsse so schnell wie möglich beendet werden, „um unsere Umwelt und Gesundheit zu schützen“, verlangte auch er. Dafür würden die Grünen auch in den Sondierungsgesprächen kämpfen.
Bisher herrschte Uneinigkeit
Die große Koalition von Union und SPD war sich bisher nicht einig. Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte heute, Ministerin Barbara Hendricks (SPD) setze sich für einen „grundlegend anderen Umgang“ mit Pflanzenschutzmitteln ein. Die Dauer der Nutzung zu ändern sei „kein Signal dafür“.
In Brüssel war zuvor heute erneut eine Entscheidung vertagt worden. Die EU-Kommission hatte ursprünglich die weitere Zulassung für zehn Jahre beantragt, war aber gestern auf einen Vorschlag von fünf bis sieben Jahren zurückgegangen. Grund: Das Europaparlament verlangte gestern in einer Resolution ein endgültiges Aus für das Herbizid bis spätestens zum 15. Dezember 2022. Die Kommission kündigte daraufhin an, sie wolle nun einen Kompromiss mit einer Verlängerung zwischen fünf und sieben Jahren suchen.
Keine Abstimmung im Fachausschuss
Wie die EU-Kommission heute mitteilte, fand im zuständigen Fachausschuss der Mitgliedstaaten heute aber dennoch „keine Abstimmung“ über eine Verlängerung der Zulassung von Glyphosat in der EU statt. Diplomaten zufolge kam es bei dem Treffen im EU-Fachausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel nur zu einer informellen Befragung der Vertreter der Mitgliedstaaten. In dem Expertengremium gab es bis kurz vor der Sitzung keine klaren Mehrheitsverhältnisse.
Die Bundesregierung war sich nicht einig, sodass sie sich wohl hätte enthalten müssen. Die belgische Regierung teilte mit, dass sie gegen eine Zulassung für weitere sieben oder zehn Jahre sei und sich der Forderung des Europaparlaments anschließe. „Die Kommission nahm die Positionen der unterschiedlichen Delegationen der Mitgliedstaaten zur Kenntnis“, erklärte die EU-Behörde danach. Sie kündigte an, in Kürze einen Termin für ein weiteres Treffen bekanntzugeben.
Wissenschaftsstreit um Glyphosat
Die bisherige Zulassung von Glyphosat läuft am 15. Dezember aus. In der EU wird seit Jahren um das weit verbreitete Unkrautvernichtungsmittel gestritten. Wissenschaftliche Studien kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen, ob Glyphosat krebserregend sein könnte oder nicht. Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation stufte das Herbizid im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ für den Menschen ein. Andere Agenturen wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA und das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung BfR sehen hingegen kein von Glyphosat ausgehendes Risiko.
Der Wirkstoff wurde vom US-Konzern Monsanto entwickelt, den der deutsche Konkurrent Bayer übernehmen will. Dieses Milliardengeschäft wird derzeit von der EU-Kommission geprüft. Vertrieben werden glyphosathaltige Mittel aber auch von mehr als 40 weiteren Herstellern.
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