Politik

Grünen-Vorstand schlägt zweite Säule für Krankenhaus­finanzierung vor

  • Dienstag, 1. September 2020
Annalena Baerbock und Robert Habeck, die beiden Bundesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, eröffnen die Klausurtagung des Bundesvorstandes der Grünen. /picture alliance, Kay Nietfeld
Annalena Baerbock und Robert Habeck, die beiden Bundesvorsitzenden der Grünen, eröffnen die Klausurtagung des Bundesvorstandes der Grünen. /picture alliance, Kay Nietfeld

Berlin – Die Krankenhausfinanzierung soll ein zweites Standbein erhalten. Damit Koope­rationen zwischen ambulant und stationär besser funktionieren, soll ein bundesweit ein­heitliches neues Abrechnungssystem geschaffen werden. Das hat Grünen-Chef Robert Ha­­beck heute vor Journalisten im Anschluss an eine zweitägige Vorstandsklausur betont.

Habeck sprach davon, dass die Grünen eine Politik der Vorsorge betreiben wollten. Dafür solle das Krankenhausabrechnungssystem eine „zweite Säule“ bekommen. Derzeit wer­den Leistungen der Krankenhäuser nur über diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) ab­gerechnet. Dies habe Vorteile, es gebe aber auch einen „starken ökonomischen Druck“ auf die Kliniken, so Habeck.

Das System führe dazu, dass diejenigen Leistungen, die vorgehalten werden müssten, sich aber nicht rechneten, benachteiligt seien. Die Folge sei vielfach ein Abbau dieser Leis­tun­gen. Um das zu beheben, plädieren die Grünen für eine Vorsorgepauschale.

Diese „zweite Säule“ soll dafür sorgen, dass das Vorhalten von Leistungen – gestaffelt nach Basisversorgern, Mittelzentren und Maximalversorgern – bezahlt wird, auch wenn diese mal „ein halbes Jahr lang nicht in Anspruch genommen werden“. Habeck be­gründet, die Gesellschaft benötige diese Kapazitäten. Auch werde dadurch eine „Rosinenpickerei“ in der stationären Versorgung unterbunden.

Neues Abrechnungssystem

Darüber hinaus betonten die Grünen, dass die Kapazitäten gerade im ländlichen Raum immer stärker unter Druck geraten. Kooperationen zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen, die eine Lösung sein könnten, krankten aber an komplizierten Vorgaben.

„Das Hauptproblem scheint uns zu sein, dass die Abrechnungen bei Gemeinschaftsleis­tun­gen zwischen stationärer und ambulanter Versorgung immer nur durch sehr kompli­zierte Einzelverträge gesichert werden kann“, so Habeck. Es brauche daher bundesweit eine sektorenübergreifende Abrechnungsform. Diese solle eine neue Möglichkeit bieten, dass stationäre und ambulante Einrichtungen einfacher kooperieren könnten.

Die Grünen sprechen sich auch dafür aus, dass der Bund die Investitionskosten der Kran­kenhäuser künftig mitträgt. Derzeit sind die Länder für die Investitionskosten zuständig. Es gibt immer wieder Kritik daran, dass diese ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Der Betrieb der Einrichtungen wird von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen.

Habeck betonte heute, es gebe eine Reihe von Punkten, bei denen der Föderalismus eher bremsend wirke, statt die Dynamik, die man brauche, zu be­fördern. Die Grünen würden sich seit langem für Investitionspakete des Bundes ausspre­chen. Für die Verteilung seien dann die Länder zuständig. Details dazu müsse die Fach­ebene erarbeiten.

Mehr Kompetenzen für die Pflege

In der Pflege setzen die Grünen auf mehr Kompetenzen bei Fachkräften. Sie sprechen sich dafür aus, das Berufsbild von Pflegekräften auszubauen und um medizinische Aufgaben zu erweitern. Sie schlagen konkret vor, die rechtlichen Voraussetzungen für speziell qua­lifizierte Pflegekräfte zu schaffen. Diese könnten eine quartiersnahe Pflege ermöglichen und die Versorgung von strukturschwachen Regionen sicherstellen.

Darüber hinaus plädiern die Grünen für verbesserte Arbeitsbedingungen, wie eine 35 Stun­denwoche bei vollem Lohnausgleich. Ebenso sei ein allgemeinverbindlicher Tarifver­trag in der Pflege notwendig. „Sollte dieser nach Wiederaufnahme der Tarifverhandlun­gen nicht erreicht werden, müssen gesetzliche Maßnahmen greifen“, schreiben die Grü­nen.

Der Grünen-Vorstand befassten sich auf der Klausurtagung auch mit Lehren aus der Co­ronakrise. Dazu gehören dem Vorstandsbeschluss zufolge, dass „pandemierelevantes Ma­terial“ sowie Impfstoffe und Medikamente in Europa zur Verfügung stehen müssen. Sol­che Produkte sollen in Zukunft wieder stärker innerhalb Europas produziert – und die Kapazitäten im Krisen­fall schnell ausgebaut werden.

„Es liegen harte Monate vor uns, und es wird noch lange dauern, bis das Virus einge­dämmt ist“, hieß es. Umso deutlicher fehlten ein überzeugender Plan der Großen Koali­ti­on und eine ver­ständliche und verbindliche Kommunikation, wie man diese Zeit „gemein­sam bestehen“ könne.

Mit Blick auf die Wirtschaft forderte Baerbock unter anderem einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung. Die Zahlung von Kurzarbeitergeld solle zudem an Qualifizierungsmaßnah­men geknüpft werden – jedenfalls in den Branchen, „wo klar ist, dass Strukturwandel stattfindet“. Zudem müsse der Staat „in diesen Zeiten intensiv investieren in Infrastruktur“. Dazu müsse die Schuldenbremse verändert werden.

Die Menschen bräuchten eine Vorstellung davon, „wie die nächsten Monate gemeinsam gestaltet werden können“, sagte Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock. Der Vorstand habe erörtert, wie man gemeinsam die dritte Phase der Pandemie gestalten müsse. Herbst und Winter müssten „vorausschauend“ gestaltet werden, „um dieses Land krisen­fest zu machen“.

Neben dem Gesundheitssystem und der Wirtschaft widmet sich das Vorstandspapier auch dem Thema Familien und Bildung. „Kinder und Bildung müssen endlich höchste Priorität in diesem Land haben“, heißt es in dem Abschlusspapier des Vorstands. Verlangt werden unter anderem „klare Leitlinien“ für den Umgang mit Kindern, die Erkältungssymptome zeigen, ein „Bildungsfonds“ für zusätzliches Personal an Kitas und Schulen und eine Digitalisierungsoffensive.

Ein weiterer Punkt in dem Papier widmet sich dem „Schutz vor Hitze und Trockenheit“. Städte sollen – etwa mit mehr Parks – besser gegen Hitzewellen gewappnet werden. Gefordert werden auch eine nationale Waldbrandstrategie und ein „nachhaltiges Wassermanagement“, um die Wasserversorgung auch in Dürresommern zu sichern.

may/afp

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