Inanspruchnahme der Notfallversorgung: Gleiche Zahlen, unterschiedliche Deutung
Berlin – Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat auf Ungenauigkeiten bei der Bewertung von Zahlen zur Inanspruchnahme der Notfallversorgung in Deutschland hingewiesen.
Hintergrund ist eine von der „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ veröffentlichte Stellungnahme zur zeitlichen Entwicklung der Notfallversorgung im Zeitraum von 2009 bis 2019.
Laut Zi blendet die Kommission darin aktuelle Entwicklungen aus und verzichtet auf eine differenzierte Darstellung der Entwicklung bis 2019.
„Es ist richtig, dass die Gesamtzahl an Notfällen beim einfachen Vergleich der Jahre 2009 und 2019 gestiegen ist. Der deutlichste Anstieg erfolgte aber bereits im Jahr 2013. Seit 2016 sehen wir einen kontinuierlichen Rückgang der ambulant durch Notaufnahmen versorgten Notfälle gesetzlich Versicherter“, sagte Zi-Vorstandsvorsitzender Dominik von Stillfried. Dies habe zu einem leichten, aber stetigen Rückgang der Gesamtzahl aller ambulant und stationär versorgten Notfälle geführt.
Dem Zi zufolge ist die Anzahl der durch Notaufnahmen ambulant versorgten Notfälle dabei von 2016 bis 2019 von 10,7 auf 10,3 Millionen Fälle gesunken. Etwas anders stelle sich die Entwicklung der stationär aufgenommenen Notfälle dar. Es sei bis 2019 ein kontinuierlicher Anstieg zu erkennen. Aber auch hier folgt laut Zi auf den deutlichen Rückgang 2020 eine Stagnation der Fallzahl 2021.
Aktuelle Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeigten zudem, dass die im Vergleich zu 2019 niedrigere Inanspruchnahme der Notaufnahmen offenbar bis ins Jahr 2023 anhalte. Aktuelle Überlastungen der Notaufnahmen resultierten daher eher aus Personalengpässen als aus steigenden Patientenzahlen, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende. Er forderte, alle Reformpläne darauf zu fokussieren, wie ein effizienter Personaleinsatz in allen Bereichen der Notfallversorgung erreicht werden könne.
Im ärztlichen Bereitschaftsdienst seien vielerorts bereits Entwicklungen im Gang, um die zeitliche Belastung der Bereitschaftsärzte zu reduzieren, ohne dass für gesetzlich Versicherte daraus Versorgungsengpässe resultieren. Dies bilde sich indirekt auch in den Zahlen zur Inanspruchnahme ab. Zunächst sei seit 2018 ein kontinuierlicher Rückgang der Inanspruchnahme im Bereitschaftsdienst zu sehen, der scheinbar deutlicher ausfalle als der Rückgang der ambulanten Notfälle in den Notaufnahmen.
„Dabei ist aber zu beachten, dass im ärztlichen Bereitschaftsdienst in den letzten Jahren in vielen Kassenärztlichen Vereinigungen ein telemedizinischer Bereitschaftsdienst, also eine telefonische Beratung oder eine Videosprechstunde, eingeführt worden ist. Dieser wird nicht über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab abgerechnet“, erklärte von Stillfried.
Zudem würden insbesondere nachts viele Anfragen Hilfesuchender durch Bereitschaftsärzte telefonisch geklärt – allerdings ohne spätere Abrechnung. Auch die Leistungen ärztlicher Bereitschaftspraxen werden mitunter nach pauschalen Stundensätzen und nicht über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab vergütet.
„Diese Ausgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen sind somit nicht in den Abrechnungsdaten zu erkennen“, betonte von Stillfried. Dies führe nach Ansicht des Zi-Vorstandsvorsitzenden zu einer Unterschätzung der Inanspruchnahme des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes.
Am Beispiel der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV Berlin) könne dies sehr gut veranschaulicht werden. Demnach entsteht bei alleiniger Betrachtung der Abrechnungsdaten der Eindruck eines massiven Einbruches des ärztlichen Bereitschaftsdienstes von 163.000 Fällen 2019 auf 63.000 Fälle im Jahr 2021. Tatsächlich zeige die interne Statistik der KV Berlin aber eine Zunahme der Inanspruchnahme von 185.000 (2019) auf 199.000 Fälle (2021), so von Stillfried.
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