Johna dringt auf Beibehalten von täglicher Höchstarbeitszeit

Berlin – Missstände rund um die Arbeitszeiten angestellter Ärztinnen und Ärzte hat die 1. Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), Susanne Johna, heute in Berlin angeprangert. Eine weitere Verschlechterung droht demnach durch Pläne der Bundesregierung, die das Arbeitszeitgesetz reformieren und eine wöchentliche Höchstarbeitszeit einführen will.
„Die tägliche Höchstarbeitszeit muss bleiben“, sagte Johna in ihrem Bericht zur Lage bei der 146. Hauptversammlung der Ärztegewerkschaft. Gerne spreche man mit Arbeitgebern über Arbeitszeitmodelle, „aber nicht um den Preis des Gesundheitsschutzes“.
Die geplante Reform des Arbeitszeitgesetzes sei als „elementare Richtungsentscheidung“ in den nächsten Monaten zu erwarten. Der MB hatte dazu kürzlich bereits ein Positionspapier vorgestellt. Es drohe ein Eingriff in die Tarifautonomie, was man unbedingt verhindern müsse, so Johna.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) habe zwar einen Zuwachs an Flexibilität durch eine wöchentliche statt tägliche Höchstarbeitszeit angekündigt und im Koalitionsvertrag sei ein Nutzen für Beschäftigte wie Unternehmen gleichermaßen in Aussicht gestellt. „Das geht aber an der Wahrheit vollständig vorbei“, sagte die MB-Vorsitzende. Mehr Flexibilität als es im Gesundheitswesen derzeit bereits gebe, gehe nicht.
Durch die Pläne der Regierung seien längere Dienste zu befürchten, weniger Erholung und mehr Druck auf diejenigen, die ohnehin schon am Limit arbeiteten. „Wer die Tageshöchstarbeitszeitgrenze aus dem Gesetz streicht, der hebelt einen zentralen Pfeiler des Arbeitsschutzes und des Gesundheitsschutzes aus.“
Arbeitgeber könnten Johna zufolge bis zu 13 Stunden Vollarbeitszeit anordnen, dabei seien Arztberuf und Familie heutzutage schon schwer vereinbar. Sie fragte daher provokant: Vielleicht komme als nächstes die Forderung, ein Elternteil solle doch zu Hause bleiben, oder womöglich sogar das Zölibat für Ärztinnen und Ärzte.
Schon jetzt viele Missstände rund um Arbeitszeit
Schon heute liege vieles im Argen, wenn es um die Arbeitszeiten geht – hier gelte es, sich nichts gefallen zu lassen, machte Johna deutlich. „Wir können es als Gewerkschaft doch nicht zulassen, dass offener Rechtsbruch zur Regel wird“, sagte sie. Man werde sich beispielsweise fehlender elektronischer Arbeitszeiterfassung in Unikliniken und der Aushöhlung tariflicher und gesetzlicher Arbeitszeitgrenzen entgegenstellen.
Es sei „erschreckend“, dass gemeinsam vereinbarte Regelungen aus Tarifverträgen von manchen Arbeitgebern, darunter öffentliche, einfach ignoriert würden. „Verträge sind einzuhalten“, betonte Johna und warnte die Arbeitgeber, darunter insbesondere die Universitätskliniken und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder, den Protest nicht ernst zu nehmen.
Sie verwies auf die sogenannte Einwirkungsklage, die die Gewerkschaft vor wenigen Tagen zum Thema lückenlose elektronische Arbeitszeiterfassung an Universitätskliniken auf den Weg gebracht hat. Johna betonte, dass man damit „ein Stück weit Neuland betrete“ und den Erfolg nicht absehen könne.
Gleichzeitig sicherte sie zu: „Wir werden jedes unserer Mitglieder, jede und jeden, der sich für eine individuelle Klage entscheidet, weil die Arbeitszeit nicht korrekt erfasst wird, mit all unseren Kräften unterstützen.“ Es gelte, laut zu werden, wenn gegen Tarifrechte verstoßen werde und Mitarbeiterrechte mit „Füßen getreten“ würden. Je länger man Verstöße dulde, desto schwieriger werde die Korrektur.
Freude über Triage-Urteil
Viel Applaus und teils Standing Ovations gab es bei der Hauptversammlung für die Anstrengungen von Ärztinnen und Ärztinnen, die dazu führten, dass in dieser Woche die umstrittenen Triage-Regelungen im Sinne des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt wurden. Das Deutsche Ärzteblatt berichtete.
„Damit ist ein langer Weg erfolgreich beendet“, sagte Johna und erinnerte an Beschlüsse der Delegierten zum Thema von vor drei Jahren. Sie dankte den 14 Beschwerdeführerinnen und -führern, die mit MB-Unterstützung den Weg nach Karlsruhe beschritten.
„Der Hinweis des Gerichts, dass es nicht die Kompetenz des Bundes, sondern die Kompetenz der Länder sei, diskriminierungssensible Allokationsregeln zu treffen, wird nun hoffentlich nicht zu dem Reflex führen, auf Länderebene ein neues Gesetzgebungsverfahren zu diesem Sachverhalt auf den Weg zu bringen“, sagte Johna. Die Ärzteschaft brauche keine neuen Paragrafen, um der eigenen Verantwortung bewusst zu sein und ihr gerecht zu werden.
Plädoyer für mehr Prävention
Vor dem Hintergrund der Diskussion über die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) plädierte die MB-Vorsitzende für eine Priorisierung der Prävention. Hier müsse die Politik deutlich mutiger werden. „Unzureichende Prävention können wir uns schlicht nicht mehr leisten. Vermeidbare Erkrankungen dürfen wir uns nicht mehr leisten“, sagte Johna.
Sie hob Großbritannien als Vorbild hervor, wo es bereits eine Zuckersteuer auf stark zuckerhaltige Getränke gebe und nun ein Werbeverbot für stark zucker-, fett- oder salzhaltige Lebensmittel folge: tagsüber im Fernsehen, rund um die Uhr online.
„Bei uns dagegen geschieht nichts“, kritisierte Johna. Die Angst vor dem Etikett „Verbotspartei“ scheine größer zu sein als die Sorge um die Menschen und die Sorge vor Folgen von Fettleibigkeit, Diabetes, Leberzirrhose und anderen ernährungsbedingten Erkrankungen.
Bundesweite Umfrage zu Machtmissbrauch geplant
In ihrer Ansprache ging Johna zudem auf das Thema Machtmissbrauch und Diskriminierung ein, zu dem es unter anderem an Hamburger Kliniken eine Umfrage gegeben hatte. Das Deutsche Ärzteblatt berichtete. Diese Problematik öffentlich in den Fokus zu rücken, sei überfällig gewesen, sagte die 1. Vorsitzende – und kündigte an, dass der MB das Thema in einer bundesweiten Umfrage aufgreifen und klar Position beziehen wolle.
Über die bisher bekannten Ergebnisse sei sie erschüttert gewesen, so Johna. „Ich bin als Ärztin, als Frau, als Mutter einer Tochter erschüttert.“ Sexismus, Abwertung und Diskriminierung würden den Grundprinzipien ärztlichen Handelns zutiefst widersprechen. Strukturen müssten dringend verbessert werden.
Johna versicherte, dass der MB auch nicht müde werde, sich des Themas Klimawandel anzunehmen und auf Aktivitäten zum Schutz der Lebensgrundlagen anzumahnen. Leugnen und verdrängen bringe nichts.
Sorge um Weiterbildung
Zum gestrigen Auftakt der Hauptversammlung hatten die Delegierten ausführlich über das Thema Ressourcenmangel und ärztliches Engagement diskutiert, unter anderem die Medizinethikerin Alena Buyx hielt einen Impulsvortrag. Das Deutsche Ärzteblatt berichtete.
Am Freitagabend kamen zudem Sorgen zu Folgen der Krankenhausreform für die Weiterbildung und Fragen rund um Weiterbildungsverbünde zur Sprache. Ein neues FAQ zu den Verbünden hat der MB online veröffentlicht.
Mit einem Beschluss der Hauptversammlung werden Landesregierungen nun aufgefordert, bei der Zuteilung von Leistungsgruppen jene Krankenhäuser zu bevorzugen, die sich an regionalen, standort- und sektorenübergreifenden Weiterbildungsverbünden beteiligen – insbesondere, wenn diese durch die jeweilige Landesärztekammer anerkannt sind.
Kliniken werden aufgerufen, verpflichtend Weiterbildung anzubieten und sich in den Verbünden einzubringen. Der Gesetzgeber müsse parallel bestehende rechtliche Hürden für flexible Weiterbildungsmodelle abbauen, insbesondere durch Ausnahmen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung.
Krankenhäuser sämtlicher Versorgungsstufen müssten für junge Ärztinnen und Ärzte als Weiterbildungsstätten attraktiv bleiben. „Hierzu gehört auch eine ausreichende Finanzierung der Weiterbildung“, heißt es in einem weiteren angenommenen Beschluss. Es gelte, einen Flaschenhals zu vermeiden – hier ist die Sorge, dass Weiterbildung nur noch in bestimmten (größeren) Häusern absolviert werden kann.
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