Ärzteschaft

KBV-Delegierte verärgert über Gesetzespläne und Kommissions­vorschläge

  • Montag, 6. Mai 2024
Sitzung der KBV-Vertreterversammlung in Mainz /Maybaum
Sitzung der KBV-Vertreterversammlung in Mainz /Maybaum

Berlin – Hanebüchene Ideen, Zechprellerei und Vorschläge aus dem Reich der Phantasie: Die 60 Delegierten der Vertre­terversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sparten nicht mit Kritik an den aktuellen Gesetzesvor­haben sowie den Gutachten von mehreren Kommissionen aus dem Bundes­gesundheitsministerium (BMG). Bei der Vertreter­versammlung (VV) im Vorfeld des 128. Deutschen Ärztetages in Mainz machten sie ihrem Ärger über die Vorschläge aus dem aktuellen Gesetzesentwurf des Versorgungsverbesserungsgesetzes (GVSG) Luft.

Speziell in der Kritik stehen die darin geplanten – derzeit aber im Entwurf nicht enthaltenen – Pläne für die Gesund­heits­kioske und Gesundheitsregionen. Kurz vor dem Beginn der Vertreterversammlung hatte das BMG zu einer nicht öffentlichen Verbändeanhörung zum GVSG geladen – und auch damit die Gemüter erregt. Nach Angaben von Delegierten hätten dort vor allem Verbände wie die Caritas oder der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gespro­chen – und ihre Sicht auf die Zukunft der medizinischen Versorgung dargestellt.

Aus der Sicht von Markus Beier, Co-Vorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, sind die Probleme, vor denen alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte derzeit stehen, größer als das Schimpfen auf die Person des Bundes­gesundheitsministers. Eher würden nun viel mehr Verbände, darunter der AOK Bundesverband, aber auch der DGB oder die Caritas, für sich den Anspruch auf die Organisation medizinischen Versorgung in der Zukunft reklamieren.

„Wenn wir heute erleben, wie der AOK-Bundesverband und der DGB ein Gesundheitssystem propagieren – mit regionalen Versorgungsaufträgen, mit einem völlig zersplitterten Gesundheitssystemen –, dann legen sie die Axt am deutschen Sozialstaat an. Was der AOK-Bundesverband und DGB da protegieren, sind Gesundheitsversorgungsysteme wie sie in der Weimarer Republik erlebt haben“, erklärte Beier.

Nach seiner Interpretation müsse man die historischen Gegebenheiten und die neuen Überlegungen des AOK Bundes­verbandes übereinander legen, „dann wird es keine ambulante Versorgung mehr geben, wenn die Sicherstellung völlig dereguliert und völlig lokal ausgelegt wird“, so Beier weiter.

Es sei positiv, dass in dieser Phase der Debatte die KBV, die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM), der Spitzenverband der Fachärzte (Spifa) sowie der Hausärzteverband mit einer Stimme sprächen. Er stellte infrage, ob man die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) noch als strategischen Partner in der Reformdebatte sehen sollte. Denn bei der nicht öffentlichen Anhörung zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) hätte die DKG beim Gesetz­geber dafür geworben, dass die Kliniken künftig an den Strukturen der Kassenärztlichen Vereinigungen vorbei die Sicherstellung übernehmen würden.

„Wir müssen uns überlegen, ob die DKG noch ein strategischer Partner in der Auseinandersetzung für den Erhalt des Gesundheitssystems ist.“ Es müssten nun schnell Reformen kommen „Wir Hausärzte brauchen die Enbudgetierung jetzt und können nicht auf die nächste Regierung warten“, so Beier. „Die Überschriften müssen jetzt mit Leben gefüllt werden, wir sollten gemeinsam Schritt für Schritt gehen.“

Kritik an Reformideen

Ebenfalls für große Verärgerung sorgte das am vergangenen Freitag vorgestellte Gutachten zur sektorübergreifenden Ver­sorgung von der Regierungskommission zur Krankenhausreform. Darin hatten die Wissenschaftler gefordert, die doppelte Facharztschiene in Deutschland abzuschaffen.

„Die abstrusen Vorschläge sind geprägt von Unkenntnis der ambulanten Versorgung und sie sind geprägt von Sozialneid auf Ärztinnen und Ärzte, die man substituieren möchte“, so Karsten Braun, Vorstandsvorsitzender der KV Baden-Württemberg.

Auch für Sebastian Sohrab von der KV Nordrhein „gibt es keinen Tiefpunkt mehr, es gibt nur noch den freien Fall“ in der Gesetzgebung. So habe er gedacht, die Gesundheitspolitik habe aus der Pandemie gelernt, wie wichtig niedergelassene Ärztinnen und Ärzte seien. Doch dies scheine offenbar nicht der Fall zu sein. Er forderte die Delegierten auf, für die Niederlas­sung mit Worten weiter zu kämpfen und sich Gehör zu verschaffen. „Von Hummeln sagt man auch, sie könnten nicht fliegen. Aber sie tun es trotzdem, weil man viele Aspekte für die Möglichkeit des Fliegens betrachten muss.“

Zur Debatte um die Zukunft der Freiberuflichkeit und der niedergelassenen Ärzte rief auch Ralph Ennenbach, stellver­tretender Vorsitzender der KV Schleswig-Holstein, auf. „Ich wünsche Ihnen allen die Kraft, die Debatte zu führen. Sie werden gebraucht, wenn auch in einer minimal weiterentwickelten Form. Auch Politik ist der Rationalität verpflichtet. Und auch nach Karl Lauterbach gibt es wieder einen neuen Tag“, so Ennenbach, der nach 18 Jahren zum letzten Mal bei einer KBV-VV dabei ist. Im Sommer tritt ein neuer Vorstand in Schleswig-Holstein das Amt an.

Die „Staatsmedizin in kleinen Schritten“ vermutet Angelika von Schütz, Vorsitzende der KV Mecklenburg-Vorpommern, hinter den Gesetzesplänen und Gutachten. Aus ihrer Sicht gibt es noch viele Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, die umgesetzt werden sollten, bevor nun die Ideen aus verschiedenen Gutachten in Betracht gezogen werden. Sie forderte, dass alle Politiker „mal eine Woche Pflichtpraktikum in einer Arztpraxis“ absolvieren – damit sie sehen, wie dort gearbeitet wird.

In mehreren Anträgen forderten die Delegierten, umfassende Änderungen am GVSG vorzunehmen, besonders bei der Entbugetierung für Hausärzte. So solle das BMG „dafür Sorge tragen, dass die Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen nun – wie versprochen – schnell und ohne Komplikationen umgesetzt wird“, hieß es. Im Zuge dessen müsse es eine Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) für die Hausärzte geben, die die neuen Bedingungen der geplanten Versorgungspauschalen und der Vorhaltepauschalen betrachten.

Die Delegierten forderten auch, bei den gesetzgeberischen Plänen zur Ambulan­tisierung die Anforderungen der nieder­gelassenen zu berücksichtigen. „Es ist unerlässlich, die Beteiligten des ambulanten Sektors von Beginn an in die Planun­gen einzubeziehen“, heißt es weiter. Auch dürfe es nicht dazu kommen, dass künftig die Krankenkassen und die Kommu­nen ohne die Einbeziehung der Kassenärztlichen Vereinigungen Versorgung vor Ort steuern könnten, so ein weiterer Antrag.

Im Zuge der Krankenhausreform fordern die Delegierten den KBV-Vorstand auf, eine Prüfung der Reformpläne bei der EU-Kommission zu veranlassen. Vergangene Woche war ein Gutachten im Auftrag der KBV veröffentlicht worden, das darlegt, wie die zunehmende ambulante Versorgung in Krankenhäusern gegen das EU-Beihilferecht verstößt.

bee

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