Ärzteschaft

KBV-Chef Gassen kritisiert aktuelle Gesundheitspolitik scharf

  • Montag, 6. Mai 2024
Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)./Gebhardt
Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)./Gebhardt

Mainz – Scharfe Kritik an der Arbeit von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) übte heute Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Wenn Lauterbach von einem „Generalumbau unseres Gesundheitswesens“ spreche, könne man dies „durchaus auch als Drohung“ verstehen, sagte Gassen im Rahmen der KBV-Vertreterversammlung in Mainz.

Die Hinweise der Vertragsärzteschaft zur Verbesserung der ambulanten Versorgung seien jedenfalls bislang vom Bundes­gesundheitsministerium (BMG) in weiten Teilen konsequent ignoriert worden, so Gassen. Möglicherweise passe die versorgungspolitische Realität nicht zur politischen Ideologie.

Zwar seien neue arztersetzende und zentralistische Strukturen – Gassen verwies auf Gesundheitskioske und Primärver­sorgungszentren – aktuell erst einmal raus aus dem Gesetzentwurf zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG). „Sie können aber davon ausgehen, dass das BMG versuchen wird, diese durch die Hintertür wieder reinzubekommen, als Verhandlungsmasse im parlamentarischen Verfahren.“

Auch wenn Minister Lauterbach sich gerne zukunftsorientiert gebe und immer wieder beteuere, er wolle die Versorgung in den Praxen stärken, seien das „reine Lippenbekenntnisse“, warnte Gassen. Lauterbach wolle einen „kompletten Sys­tem­wechsel“: Nämlich eine Zentralisierung des deutschen Gesundheitswesens nach skandinavischem oder britischem Vorbild und die „Vernichtung der wohnortnahen Grundversorgung in inhabergeführten Praxen“.

Tatsächlich stelle sich aber die Frage, welches dieser Modelle das eigentliche Relikt sei. Der Sachverständigenrat für Gesundheit (SVR) habe beispielsweise in seinem aktuellen Gutachten erneut den Abbau von Überkapazitäten im statio­nären Sektor, die Reduktion von Belegungstagen sowie eine Ausweitung der sektorengleichen Vergütung angemahnt, um die Ambulantisierung zu fördern und so die personellen und finanziellen Ressourcen besser einzusetzen.

Es mache objektiv wenig Sinn, Krankenhäuser, die im Rahmen der geplanten Krankenhausreform als in alter Form nicht mehr notwendig erachtet werden, mit „allen möglichen Trostpflästerchen zu versorgen und sie ersatzweise zu Schwer­punktzentren der Weiterbildung für Allgemeinmedizin, sektorübergreifende Versorgung etc. zu machen, anstatt die freiwerdenden personellen und finanziellen Ressourcen sinnvoll einzusetzen“.

Die KBV habe in der Stellungnahme zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) zum wiederholten Mal deutlich gemacht, dass die Sektoren nicht isoliert voneinander zu betrachten seien: Ein Umbau der Krankenhausland­schaft müsse mit einer Ertüchtigung der ambulanten Versorgung und entsprechenden Investitionen einhergehen. Leider scheine die gesundheitspolitische Realität das BMG auch hier nicht mehr zu interessieren.

„Unsere Vorschläge verhallen ungehört“, kritisierte Gassen. Man müsse und werde die Patientinnen und Patienten infor­mieren, was drohe. „Vier Wahlen allein in diesem Jahr werden auch zur Abstimmung über die Art und Weise, welche Gesundheitspolitik die Menschen in diesem Land wollen“, so Gassen.

Er appellierte an Lauterbach, die „Papiere zum Umbau des deutschen Gesundheitswesens“ wieder zu vergraben. Die Patienten würden keine KI-gelenkte Staatsmedizin wollen, sondern die Sicherung der bewährten Versorgung in ihren haus- und fachärztlichen und psychotherapeutischen Praxen.

„Staatsmedizin war und ist eine Totgeburt“, warnte der KBV-Chef. Sie schaffe eine gewaltige Benachteiligung – gerade von Menschen, die das Gesundheitssystem besonders brauchen.

aha

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