Vertragsärzte erwägen Beschwerde wegen Krankenhausreform bei der EU-Kommission

Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) könnte eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission gegen Teile der Krankenhausreform einlegen. Möglich ist auch eine Klage vor einem deutschen Gericht. Ein von der KBV beauftragtes Gutachten der Anwaltskanzlei Gleiss Lutz äußert Bedenken in Bezug auf das EU-Beihilferecht. Es liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor.
Aus Sicht des KBV-Vorstands verstoßen Teile der Krankenhausreform gegen Regelungen zum EU-Beihilferecht, weil für die neuen sektorenübergreifenden Einrichtungen eine finanzielle Förderung ausschließlich der Krankenhäuser vorgesehen ist, wodurch sich die ungleichen Wettbewerbsbedingungen im Vergleich zu den Praxen der Niedergelassenen verschärfen.
Zur Erklärung: Die mit der Reform geplanten sektorenübergreifenden Einrichtungen sollen als eine Art kleine Krankenhausstandorte auch an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen dürfen, um die Patientenversorgung sicherzustellen.
Allerdings sollen diese Einrichtungen lediglich in Regionen an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen, in denen keine Zulassungsbeschränkung etwa durch Überversorgung angeordnet sind.
Dies ist im Referentenentwurf eines Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) geregelt. In der Begründung des Entwurfs heißt es, dass zum Stand Ende 2022 im hausärztlichen Bereich 780 von 984 Planungsbereichen frei von Zulassungsbeschränkungen sind.
Der Konflikt mit dem EU-Recht ergibt sich aus den unterschiedlichen Finanzierungsmechanismen im stationären und ambulanten Bereich. Krankenhäuser, die in den Krankenhausplänen der Länder aufgenommen sind, erhalten regelhaft Investitionskosten durch die Bundesländer.
Eine entsprechende Regelung im vertragsärztlichen Bereich gibt es nicht. Dort gibt es zwar Zuschüsse zu den Investitionskosten bei der Neuniederlassung, bei Praxisübernahmen oder bei der Gründung von Zweigpraxen. Diese Forderung komme allerdings nur in Regionen mit drohender oder bereits eingetretener Unterversorgung zum Einsatz, schreibt das Gutachten.
Einige Bundesländer haben in den vergangenen Jahren zudem Förderprogramme etwa im hausärztlichen Bereich aufgelegt. Wer sich in bestimmten Regionen, entweder auf dem Land oder in denen die Versorgung nicht flächendeckend sichergestellt ist, niederlässt, kann weitere Zuschüsse erhalten. Beispielsweise in Berlin, Bayern oder Nordrhein-Westfalen gibt es entsprechende Förderungen.
Dass die sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen nun zusätzliche ambulante Tätigkeitsbereiche übernehmen könnten, sei dem Gutachten zufolge problematisch. „Unserer Einschätzung nach dürfte im Hinblick auf die Nutzung von Mitteln aus der Investitionskostenförderung eine beihilferechtlich relevante Begünstigung vorliegen“, heißt es in dem Gutachten.
Wenn die Investitionskosten der Krankenhäuser für ambulante Tätigkeiten eingesetzt werden, erfüllte dies aus der Sicht der Kanzlei den Beihilfetatbestand. „Im Ergebnis haben wir daher bereits zum jetzigen Zeitpunkt EU-beihilferechtliche Bedenken im Hinblick auf die Nutzung von Mitteln aus der Investitionskostenförderung für ambulante Tätigkeiten“, heißt es weiter.
„Der viel und gerne von der Politik postulierte Wettbewerb der gleich langen Spieße hat nie wirklich stattgefunden und wird mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf zur Krankenhausreform noch einmal zu Lasten des ambulanten Bereichs erschwert“, sagte der KBV-Vorstand Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner dem Deutschen Ärzteblatt.
Die Sorgen der KBV seien durch das Gutachten bestätigt worden. „Schon seit Jahren haben wir es mit unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen zwischen den verschiedenen Akteuren im deutschen Gesundheitswesen zu tun“, bemängelt der KBV-Vorstand. Es sei wichtig, dass alle Teilnehmer des Gesundheitswesens faire und gerechte Rahmenbedingungen hätten.
Das Gutachten schlägt mögliche Optionen für die KBV vor. Sie könne demnach eine Beschwerde bei der EU-Kommission erheben. Die Kommission müsste die Regelungen daraufhin entsprechend prüfen. Am Ende der Prüfung könne die Kommission entscheiden, dass die betreffende Maßnahme eine rechtswidrige Beihilfe darstelle und das geplante Vorhaben untersagen. Die Kanzlei schätzt, dass die Kommission einer solchen Beschwerde offen gegenüberstehen würde.
Denkbar wäre dem Gutachten zufolge auch, dass die KBV eine Klage vor deutschen Gerichten anstreben könnte. Dieser Weg sei aber aufwendig, lang und mit erheblichen Kostenrisiken behaftet. Es gab bisher noch kaum erfolgreiche Konkurrentenklagen in Deutschland, die allein auf einer Verletzung des Beihilferechts gestützt worden seien, räumen die Anwälte ein.
Der KBV-Vorstand erklärte dazu: „Eine Krankenhausreform, die diese Aspekte nicht berücksichtigt, wird rechtlich angreifbar sein. Dies wird die Europäische Kommission zu prüfen haben.“ Staatliche Subventionen für Tätigkeiten der Krankenhäuser im ambulanten Bereich seien rechtswidrig, weil sie den Wettbewerb der Marktteilnehmer unzulässig beeinflussen würden.
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