Ärzteschaft

Medizinforschungs­gesetz: Landesärztekammern warnen vor geplanter Bundesethik­kommission

  • Donnerstag, 7. März 2024
/chokniti, stock.adobe.com
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Berlin – Nachdrücklich warnen derzeit mehrere Landesärztekammern (LÄK) vor der Neueinrichtung einer Bundesethikkommission, wie sie im Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zu einem Medizinforschungsgesetz vorgesehen ist. Diesem zufolge soll eine solche zentrale Kommission bereits ab 2025 für einige klinische Prüfungen zuständig sein. Ihre Mitglieder sollen direkt vom Bundesgesundheitsministerium berufen werden.

Der Bund trete dadurch in direkte Konkurrenz zu den bewährten seit Jahrzehnten in den Ländern errichteten Ethikkommissionen, kritisieren die Ärztekammer Nordrhein (ÄKNO) und die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) in einem dem Deutschen Ärzteblatt vorliegenden Brief an den Ministerpräsidenten des Landes Nord­rhein-Westfalen (NRW), Hendrik Wüst, sowie die NRW-Wissenschaftsministerin Ina Brandes und den NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.

Durch den Neuaufbau einer Bundesethikkommission werde ein Erfüllungsvolumen von mindestens 1,2 Millio­nen Euro von den Ländern abfließen, schätzen die beiden Ärztekammern. Zudem führe dies zum Aufbau einer „Parallelbürokratie, die nicht der Förderung des Forschungsstandorts Deutschland dient“, betonen die LÄK-Präsidenten Rudolf Henke und Johannes Albert Gehle in ihrem Brief.

Vielmehr führe sie zu Zeitverlust, zum Verlust von Expertise und schädige ganz erheblich die in den Ländern etablierten Strukturen. Dort seien die Landesethikkommissionen seit Jahrzehnten Garant dafür, dass klinische Forschung am Menschen unabhängig fachkundig und verfahrensökonomisch geprüft werde.

Wie auch der Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen (AKEK) und die Bundesärztekammer (BÄK) be­fürchten viele LÄK eine politische Einflussnahme durch den Aufbau der neuen Struktur auf Bundesebene. Anders als die Länder garantiere der Bund keine Weisungsfreiheit der Mitglieder der Kommission, betonen Henke und Gehle.

Der Aufbau einer Parallelstruktur beim Bund sei ein grundsätzlicher Eingriff in die verfassungsmäßige Zustän­digkeit der Länder. „Dafür fehlt jede Rechtfertigung, zumal die Bearbeitung der klinischen Arzneimittelprüfung durch die nach Landesrecht gebildeten Ethikkommissionen jederzeit sichergestellt ist“, argumentieren die Präsidenten.

Auch die Landesärztekammer Hessen (LÄKH) beispielsweise schließt sich den Warnungen an. „Grundsätzlich befürworten wir natürlich die Absicht, den Standort Deutschland für klinische Forschung zu stärken und die Rahmenbedingungen für Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten zu verbessern“, betont Edgar Pinkowski, Präsident der LÄK Hessen: „Dies darf jedoch keinesfalls zulasten von Sicherheit und Schutz von Studienteilnehmenden geschehen.“ Die geplante Bundesethikkommission werde dieser Maßgabe allerdings in keiner Weise gerecht.

LÄK und BÄK verweisen auf die internationale Deklaration von Helsinki. Dort heißt es in Artikel 23: „Ethik­kommissionen müssen transparent in ihrer Arbeitsweise, unabhängig vom Forscher, dem Sponsor und von jeder anderen unzulässigen Beeinflussung, sowie angemessen qualifiziert sein“.

Dieses bewährte System der nach Landesrecht eingerichteten Ethikkommissionen in Deutschland dürfe nicht ohne Not in Frage gestellt werden, mahnt die LÄK Hessen. Wolle man eine Verbesserung im Ablauf der Prüfung von klinischer Forschung erreichen, so könne man auf Landesebene oder länderübergreifend spezielle Ethikkommissionseinrichtungen einrichten, so ein Vorschlag.

Neben den Landesärztekammern, der BÄK und dem AKEK warnen auch noch weitere Verbände und Organisa­tionen – inklusive der Pharmaindustrie – in ihren Stellungnahmen zum Gesetzentwurf vor der geplanten Ein­richtung einer Bundesethikkommission.

So lehnt die nach Bekanntwerden der Pläne der Bundesregierung für ein Medizinforschungsgesetz im Herbst vergangenen Jahres gegründete „Initiative Studienstandort Deutschland“ (ISD), der etwa 20 Verbände angehören, die Einrichtung einer Bundesethikkommission vehement ab.

ER

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