Medizinprodukteverordnung beschäftigt das Bundesministerium für Gesundheit

Berlin – Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat für diese Woche zu einem Roundtable geladen, bei dem man sich mit Problemen der Europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR, Medical Device Regulation) befassen will. Das Ministerium bestätigte das Treffens am 27. Juli im Ministerium auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes.
Ziel der Veranstaltung sowie voraussichtlich einer Reihe von folgenden speziellen Fachgruppensitzungen sei es, eine gemeinsame Strategie zu finden, wie eine erfolgreiche Implementierung der MDR erreicht und pragmatische Lösungen sowohl im Sinne der Unternehmen als auch im Sinne der sicheren Patientenversorgung gefunden werden könnten, sagte eine Ministeriumssprecherin. Eingeladen sind demnach Vertreter verschiedener Ministerien, Fachgesellschaften und Verbände.
Hintergrund ist, dass die Übergangsfristen der 2017 in Kraft getretenen MDR im Mai 2024 auslaufen. Bis dahin müssen Stand heute Hochrisikomedizinprodukte in der Europäischen Union (EU) durch sogenannte Benannte Stellen neu zertifiziert werden, um weiter in der EU genutzt werden zu dürfen.
Mangels ausreichend Prüfstellen, könnte das aber zu Engpässen führen. Einer Umfrage zufolge, an der der Verband Medtech Europa beteiligt gewesen ist, sind bisher für 85 Prozent der mehr als 500.000 betroffenen Medizinprodukte, die bisher nach den alten Maßstäben zertifiziert waren, noch keine MDR-Zertifikate ausgestellt worden.
54 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben darüber hinaus an, dass sie nicht beabsichtigen, einen Teil ihres Portfolios auf die MDR umzustellen. Alle Produktkategorien seien von möglichen Produktabkündigungen betroffen, schreibt Medtech Europe.
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stehen demnach bei der Umsetzung der MDR vor größeren Herausforderungen als größere Unternehmen. Mindestens 15 Prozent und bis zu 30 Prozent der KMU haben bislang laut Umfrage noch keinen Zugang zu einer von den Benannten Stellen.
Die Befürchtungen, dass die schleppende Umsetzung der MDR zu Versorgungsproblemen bei Medizinprodukten führen könnten, nehmen auch in der Politik zu. Am vergangenen Freitag hatte sich eine Gruppe konservativer EU-Abgeordneter mit einem Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gewandt und Anpassungen gefordert.
Auch aus der Bundes- und Landespolitik in Deutschland kamen zuletzt mahnende Töne. So hatte der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) bereits vor Wochen gesagt, die EU-Kommission müsse „rasch gegensteuern“. Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) warnt seit Monaten vor Problemen für die Versorgung.
Der GKV-Spitzenverband drängte heute auf praktische Lösungsansätze und mahnte an, die MDR nicht grundsätzlich infrage zu stellen. Die Skandale der vergangenen Jahre im Bereich der Hochrisikomedizinprodukte hätten gezeigt, dass für eine sichere Versorgung der Patienten höhere Anforderungen an die klinische Bewertung, die Zulassung und an die Marktüberwachung derartiger Produkte gestellt werden müssten, hieß es vom GKV-Spitzenverband.
Die Kassen führten aus, dass das Medizinprodukterecht in der EU 2017 durch Beschluss einer neuen EU-MDR gezielt verschärft worden sei, um die Patientensicherheit zu erhöhen. Die aktuellen Diskussionen über den Umgang mit möglichen Versorgungsproblemen bei Medizinprodukten aufgrund der neuen MDR verzerren aus Sicht der Krankenkassen die Sachlage.
„Die EU-Medizinprodukteverordnung ist ein wichtiger Fortschritt, denn sie dient in erster Linie dem Schutz der Patientinnen und Patienten“, sagte Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. Wenn aufgrund von Kapazitätsengpässen bei Benannten Stellen die Verfügbarkeit einzelner Produkte gefährdet sein sollte, müsste dieses Problem gezielt gelöst werden, anstatt die Qualitätsstandards für alle Produkte generell über Bord zu werfen.
Sofern sich reale Versorgungsprobleme abzeichneten, wie etwa aufgrund von Marktrücknahmen versorgungsrelevanter Medizinprodukte wegen fehlender Bewertungskapazitäten Benannter Stellen, sollten dafür angemessene Lösungen gesucht werden.
„Beispielsweise könnten Unternehmen, die nachweisen können, dass sie die Bewertung ihrer Produkte bei einer Benannten Stelle beantragt haben, für einen befristeten Zeitraum bis zum Vorliegen der abschließenden Bewertung dieser Benannten Stelle eine Ausnahmegenehmigung für die Weitervermarktung dieser Produkte erhalten“, schlagen die Kassen vor. Kanada habe für ein ähnlich gelagertes Problem diesen Lösungsweg mit Erfolg beschritten.
Für die Krankenkassen ist aber derzeit „unklar“, welches Ausmaß mögliche Versorgungsprobleme überhaupt annehmen könnten. „Wir begrüßen ausdrücklich die Position der EU-Kommission, dass vor einem Beschluss von Maßnahmen die eindeutige Identifizierung von möglichen echten Versorgungsproblemen stehen muss“, hieß es.
Dazu gehört auch die Feststellung, welche Ursachen im konkreten Fall einer möglichen Marktrücknahme zugrundelägen und welche Maßnahmen helfen könnten, versorgungsrelevanten Produkten ohne Kompromisse bei der Sicherheit einen Marktzugang zu ermöglichen.
Eine bloße Verlängerung der Übergangsfristen, wie etwa von der Deutschen Krankenhausgesellschaft gefordert, löse keine Probleme. Sie würde die Unternehmen bestärken, die bereits 2017 angekündigte Vorgabe einfach auszusitzen und sich auch künftig nicht um die Erfüllung der Anforderungen zu bemühen.
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