Ärzteschaft

Modelle zur Steuerung ja, finanzielle Eigenbeteiligung nein

  • Mittwoch, 8. Mai 2024
/Maybaum
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Mainz – Die Abgeordneten des 128. Deutschen Ärztetages wollen beim kommenden Ärztetag in Leipzig über ein Konzept für eine „sozial ausgewogene Versorgungssteuerung“ debattieren. Dieses Konzept soll der Vorstand der Bundesärztekammer (BÄK) in den nächsten Monaten erarbeiten und den Abgeordneten vorlegen.

„Zwingend“ zu berücksichtigen seien dabei die „verschiedenen Möglichkeiten der Eigenverantwortung der Patientinnen und Patienten“, hieß es in einem Antrag im Rahmen der Debatte zur Patientensteuerung. Dieser wurde mit großer Mehrheit ange­nommen.

Eine ausschließlich finanzielle Beteiligung von Patienten oder eine Art der Selbstbeteiligung lehnten die Delegierten als Steuerungsmodell allerdings deutlich ab – mit 201 Nein- zu 25 Ja-Stimmen.

In der Diskussion rund um den Tagesordnungspunkt sprachen sich die Delegierten in einer langen Debatte für eine verbesser­te Koordination von ambulantem und stationärem Sektor, mehr Zeit für die eigentliche Arzttätigkeit und den Abbau bürokrati­scher Aufgaben aus.

Der steigende Versorgungsbedarf bei einem gleichzeitigen Älterwerden der Ärzte, der Fachkräftemangel und die sinkende Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung stelle die Ärzteschaft vor Herausforderungen und erfordere ein Überdenken der Strukturen. Die Versorgung müsse daher koordinierter und passgenauer werden, sagte der Präsident der BÄK, Klaus Reinhardt, zu Beginn des Themenschwerpunktes auf dem 128. Deutschen Ärztetag.

„Wir müssen uns innerhalb der Sektoren neu organisieren“, betonte auch Gisa Weißgerber von der Landesärztekammer Baden-Württemberg in der anschließenden Diskussion. Man brauche einen Perspektivwechsel und müsse die Sektorengrenzen neu strukturieren. Ihrer Meinung schlossen sich weitere Ärztinnen und Ärzte an. Eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen Haus­ärzten, Fachärzten und Kliniken sei notwendig, um die Patienten optimal zu versorgen.

Dass die ambulante Versorgung an die Krankenhäuser angeschlossen werden soll, wie das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) es vorsehe, sei quantitativ und inhaltlich auch nicht zu schaffen, machte Wolf Andreas Fach von der Landesärztekammer Hessen deutlich. Hier müsse von der Ärzteschaft deutlicher Einspruch erhoben werden. Es gehe um die Patientenversorgung, die er dadurch gefährdet sehe.

„Die konkrete Umsetzung kann auch nur mit uns als Leistungsträgern funktionieren“, betonte Christina Hillebrecht, Präsidentin der Ärztekammer Bremen. Die Kompetenzen der Ärzte seien bisher zu wenig in die Vorschläge des BMG zur Verbesserung der Patientenversorgung einbezogen worden, stimmten weitere Redner zu.

Gewünscht wurde sich auch mehr Zeit für die Patienten und die eigentliche Arzttätigkeit. „Ich möchte mich um die Belange meiner Patienten kümmern können“, sagte Marion Charlotte Renneberg, stellvertretende Präsidentin der Ärztekammer Nieder­sachsen. Sie betonte, dass mehr Arztzeit, gleichzeitig aber auch mehr Steuerung der Patienten notwendig sei.

Viele der Abgeordneten konnten sich dies etwa durch den Abbau oder die Auslagerung bürokratischer Aufgaben vorstellen. Es herrsche ein „bürokratischer Wahn­sinn“, sagte Stefan Windau von der Landesärztekammer Sachsen.

„Wir müssen die Patienten in die richtige Ebene bringen“, machte Norbert Smetak, Ärztekammer Baden-Württemberg, deutlich. Wenn ambulanter und stationärer Sektor koordiniert zusammenarbeiten und Hausärzte, Fachärzte und Kliniken besser ver­netzt würden, könnten Ärzte auch die richtige Versorgung ihrer Patienten übernehmen. Dafür müssten auch nicht immer neue Strukturen, wie beispielsweise ein Lotsenprogramm geschaffen werden, betonte Hillebrecht. „Es kann an die bestehenden Strukturen angedockt werden“.

Gisbert Voigt von der Ärztekammer Niedersachsen plädierte für den Aufbau von Gesundheitskompetenzen in der Bevölkerung und machte sich für die Einführung eines entsprechenden Schulfaches in Grund- und weiterführenden Schulen stark. „Wir brauchen frühe Maßnahmen, die das Gesundheitsverhalten verändern“, forderte er.

Intelligente Systeme, um allen Patienten einen Zugang zum Gesundheitssystem zu ermöglichen und ihre Gesundheitskompe­tenz zu stärken, wünschte sich auch Erik Bodendiek, Präsident der Sächsischen Ärztekammer. Susanne Johna, Vize-Präsidentin der Bundesärztekammer, wies darauf hin, dass über das Thema Gesundheitskompetenz und das Schulfach Gesundheit bereits ausführlich auf dem vergangenen Ärztetag in Essen debattiert wurde.

Zu bedenken gaben Julia Grauer und Susanna Colopi-Glage, dass bei den möglichen Steuerungselementen auch die Bedürf­nisse von älteren Menschen oder ausländischen Patientinnen und Patienten berücksichtig werden müssten. Denn diese wüssten oft nicht, an welche Stellen sie sich mit ihren gesundheitlichen Problemen wenden könnten, erklärten die beiden Ärztinnen von der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Hier brauche es Aufklärungskampagnen und ausreichende Informationen.

Den niedrigschwelligen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen müssen auch für Menschen erhalten bleiben, die „mit geringem Einkommen und die zu vulnerablen Gruppen“ gehören, forderte ein weitere Antrag. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung soll „diskriminierungsfrei geregelt“ werden.

bee/nfs

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