Hausärzteverband mahnt mehr Tempo bei Reformen an

Berlin – Der Deutsche Hausärztinnen- und Hausärzteverband (HÄV) mahnt eine höhere Geschwindigkeit bei Reformen der ambulanten Versorgung an. Angesichts wachsender Probleme müsse die Politik schneller handeln als bisher, mahnte die Co-Vorsitzende Nicola Buhlinger-Göpfarth beim Bundesfortbildungskongress Allgemeinmedizin (BAM).
„In den vergangenen zehn Jahren ist nichts, wirklich gar nichts vorangegangen“, kritisierte Buhlinger-Göpfarth. Sie sehe keinerlei Innovationen in der Regulierung der Primärversorgung. „Wir verharren seit Jahrzehnten in einem starren System, insbesondere im Kollektivvertrag.“
Resultat sei, dass mittlerweile 5.000 Hausärzte fehlen. Dabei sei der Handlungsdruck angesichts von demografischem Wandel und Fachkräftemangel enorm. Insbesondere bei der Patientensteuerung habe Deutschland massive Defizite.
„Was wir haben, ist ein ungesteuertes Gesundheitssystem“, sagte sie. Ein großer Lichtblick sei deshalb die Verabschiedung des Leitantrags des Vorstands der Bundesärztekammer (BÄK) auf dem 128. Deutschen Ärztetag in Mainz vergangenen Monat, der sich ebenfalls für eine bessere Patientensteuerung ausspreche. Das sei ein Kurswechsel, da sich die BÄK in der Vergangenheit mit Blick auf das Thema Patientensteuerung eher verhalten gezeigt habe.
Für den Hausärztinnen- und Hausärzteverband sei es schon ein großer Erfolg, dass die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV) im Leitantrag explizit behandelt wird. „HzV ist Innovation, HzV ist Zukunft.“ Das Modell müsse gemeinsam weiterentwickelt und großflächiger als bisher eingesetzt werden, um die koordinierende Funktion von Hausärzten zu stärken. „Der Patient und die Patientin können sich nicht selbst steuern. Dafür braucht es Hausärzte“, betonte sie.
„Wir fanden es auch sehr interessant, was der Deutsche Ärztetag da beschlossen hat. Das ist ein Wandel“, stimmte ihr Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbands der Ersatzkassen (vdek), zu. Sie warne jedoch davor, allzu große Hoffnungen in andere Maßnahmen wie die Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen zu setzen.
„Entbudgetierung bringt in der Versorgung selbst nichts“, sagte sie. Vielmehr würden städtische Praxen viel mehr von einer Entbudgetierung profitieren als solche in ländlichen Regionen, wodurch sich das Ungleichgewicht in der Versorgung sogar noch verschärfen könnte.
Dafür erhielt sie umgehend Widerspruch. „Budgetierung ist ein Folterinstrument aus den Zeiten der Ärzteschwemme“, erwiderte Buhlinger-Göpfarth. Und sie habe sehr wohl einen Einfluss auf die Versorgung: Nicht für alle erbrachten Leistungen vergütet zu werden, senke die Attraktivität des Berufs erheblich und führe zu mehr und früheren Eintritten in den Ruhestand.
Um die Attraktivität des hausärztlichen Berufs zu steigern, brauche es jedoch nicht nur mehr Geld, sondern vor allem auch modernere Arbeitsbedingungen. So müssten flexiblere Arbeitszeitmodelle ermöglicht oder aber Möglichkeiten zum Arbeiten aus dem Homeoffice ausgebaut werden.
Hier stimmte ihr Elsner zu. Es müssten beispielsweise mehr Möglichkeiten geschaffen werden, ambulant in Anstellung zu arbeiten. „Wir brauchen diese Flexibilität“, betonte sie.
Auch in Studium und Weiterbildung müsse die ambulante, speziell die hausärztliche Versorgung endlich gestärkt werden, forderte Jean Francois Chernot, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM).
Die Krankenhäuser würden nur zehn Prozent der Versorgung abbilden, aber 90 Prozent in der Ausbildung ausmachen. „Das ist absurd“, kritisierte er. Auch die Weiterbildung sei „völlig unstrukturiert und ungeplant“.
Nicht zuletzt deshalb dauere sie im Schnitt sieben Jahre und damit bedeutend länger als in anderen europäischen Ländern. Ärzte in Weiterbildung würden viel zu häufig nicht zum Zweck der Weiterbildung angestellt, sondern weil Arbeitskräfte gebraucht werden. „Unser ganzes System ist auf die Sklavenarbeit von Assistenten ausgerichtet“, sagte er.
Zumindest auf den Masterplan 2020 brauche dabei niemand mehr Hoffnung zu verschwenden, erklärte er: „Der wird vermutlich nicht mehr kommen, das wissen wir alle.“
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