Politik

„Nicht für jeden ist das Tragen einer Maske unbedenklich“

  • Montag, 27. April 2020

Berlin – Die Coronakrise verändert zunehmend das gewohnte Stadtbild, immer mehr Menschen bedecken in der Öffentlichkeit Mund und Nase. Auch das Robert-Koch-Institut (RKI) rät mittlerweile zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) – in Situationen, in denen der Sicherheitsabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann, etwa im Supermarkt oder in öffentlichen Verkehrsmitteln. In vielen Städten in Deutschland herrscht seit dieser Woche Maskenpflicht in Bus und Bahn. Auch große Supermarktketten wollen Kunden künftig nur noch mit einer Behelfsmaske vor Mund und Nase in ihre Ge­schäfte lassen.

Doch das Tragen einer Mund-Nasen-Schutzmaske ist hierzulande ein Novum. Kaum je­mand hat Erfahrung mit der richtigen Verwendung oder möglichen Einschränkungen. So sieht man immer wieder Jogger auf ihrer Morgenrunde mit Maske im Gesicht. Oder Men­schen, die die Maske zwischen den Tragephasen unter das Kinn schieben.

Edwin Bölke, Geschäftsführender Oberarzt an der Klinik für Strahlentherapie und Radio­onkologie des Universitätsklinikum Düsseldorf, erklärt, dass nicht nur die richtige Hand­habung der Masken entscheidend ist. Es gebe auch Menschen gibt, bei denen die Bede­ckung von Mund und Nase kontraindiziert sei.

Edwin Bölke, /Edwin Bölke
Edwin Bölke, Geschäftsführender Oberarzt an der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikum Düsseldorf. /Edwin Bölke

5 Fragen an Edwin Bölke, Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsklinikum Düsseldorf

DÄ: Sie raten zur Vorsicht beim Tragen einer Mund-Nasen-Maske. Weshalb?
Edwin Bölke: Nicht für jeden Menschen ist das Tragen einer Maske unbedenklich. Das gilt für alle Patienten mit einer symptomatischen und instabilen Angina pec­toris und einer symptomatischen chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) beziehungsweise einge­schränkter Lungenfunktion.

Bei starker körperlicher Anstrengung besteht bei ihnen die Gefahr der Hyperkapnie. Kann das Kohlendioxid (CO2) aufgrund des erhöhten Luftwiderstands in der Maske nicht richtig abgeatmet werden, könnte es sich im Blut anreichern und den pH-Wert im Blut senken. Der erhöhte CO2-Partialdruck würde dann zu einer respiratorischer Azidose führen.

DÄ: Auf welche Alarmzeichen sollten die Betroffenen achten?
Bölke: Anfängliche Symptome einer Hyperkapnie sind Kopfschmerzen, Schwindel, Hautrötung, Muskelzuckungen, kardiale Extrasystolen. Im fortgeschrittenen Stadium können Panik, Krampfanfälle und Bewusstseinsstörungen auftreten. Ein hyperkapnisches Atemversagen findet man bei einer plötzlichen Verschlechterung einer COPD.

DÄ: Welche Rolle spielt der richtige Umgang mit der Mund-Nasen-Bedeckung?
Bölke: Masken schützen andere vor Ansteckung, bieten aber auch einen gewissen Selbst­schutz. Eine Tröpfcheninfektion entsteht nicht nur durch Husten, sondern auch schon durch Sprechen und zum geringen Teil auch alleine durch Atmung ohne Maske. Guter Schutz kann nur entstehen, wenn alle eine Maske tragen, vor allem immer dann, wenn sich mehrere Menschen in geringen Abstand in einem geschlossenen Raum befinden.

Die richtige Verwendung der Maske ist allerdings Grundvoraussetzung für eine Schutz­wirkung. Sehr hilfreich wäre zum Beispiel ein vor der Tagesschau ausgestrahlter Werbe­spot über das richtige Anlegen und Abnehmen des Mund-Nasen-Schutzes und dessen Desinfektion. Zusätzlich zu den öffentlich-rechtlichen könnten auch private und digitale Medien eine wichtige Rolle bei der Aufklärung spielen. Dies gilt natürlich auch für die Leistungserbringer im Gesundheitssystem wie Ärzte, Apotheker und das Pflegepersonal.

DÄ: Es wird immer wieder betont, dass die Bedeckung von Mund und Nase vor allem dem Fremdschutz, nicht dem Eigenschutz dient, gilt das für alle Masken?
Bölke: Einen echten Schutz vor Viren bieten nur FFP3-Masken. Diese Masken sind im La­bor pflichtgemäß zu tragen, wenn an Viren einer bestimmten Gefahrenklasse, zum Bei­spiel Coronaviren, geforscht wird.

Was in der Öffentlichkeit nach meiner Erfahrung unbekannt ist und auch nicht allen Ärz­ten klar ist, dass FFP1-3-Masken mit Ventil nur den Träger selbst schützen und nicht das Umfeld, da keine Filterung der Ausatemluft erfolgt. In der Öffentlichkeit ist das Tragen dieser Masken deshalb unsolidarisch, solange sie nicht von allen Menschen getragen wer­den, was unrealistisch ist.

DÄ: Welche Maske sollte dann wann getragen werden und wann macht eine Mund-Na­sen-Bedeckung keinen Sinn?
Bölke: Coronaviren können durch Aerosole – schon über einfaches Sprechen – verbreitet werden und der Schutz beim Einkaufen und bei der Fahrt in öffentlichen Verkehrsmittel durch Masken ist berechtigt. Aber beim Spaziergehen im Wald mit wenig Menschen oder beim Sport ist das Tragen einer Maske eher gesundheitsschädlich als schützend. Auch die Überlegung die Fußball-Bundesliga mit Masken fortzuführen halte ich für bedenklich. Leistungssport mit Masken ist medizinisch gesehen nicht sinnvoll.

Am wichtigsten ist es, die Abstandsregelung einzuhalten. Dort, wo dies nicht möglich ist, oder die Gefahr besteht, dass diese willkürlich/zufällig gebrochen werden kann, sollte man die richtigen Schutzmasken tragen. Ein einfacher Mund-Nasen-Schutz, zum Beispiel Behelfsmasken, sind hierbei im Alltag ausreichend. FFP2/3-Masken machen nur für den direkten Umgang mit Infizierten Sinn.

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