Rauchen: Union für gestaffelte Werbeverbote mit Ausnahmen

Berlin – Plakatwerbung für das Rauchen soll in Deutschland dem Willen der Union zufolge ab 2022 schrittweise verboten werden. Das sieht ein Positionspapier vor, das die CDU/CSU-Bundestagsfraktion heute beschlossen hat. Nach Informationen aus Teilnehmerkreisen wurde es in der heutigen Fraktionsitzung mit deutlicher Mehrheit bei 46 Gegenstimmen angenommen.
Geplant ist demnach für herkömmliche Tabakprodukte ein weitgehendes Außenwerbeverbot ab 1. Januar 2022. Für Tabakerhitzer, wie etwa Iqos, soll ein Verbot ab 1. Januar 2023 greifen, für E-Zigaretten ab 1. Januar 2024. In der vorigen Wahlperiode war ein Anlauf für ein Außenwerbeverbot an der Union gescheitert. Verboten ist Tabakwerbung etwa schon in Radio und Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften.
„CDU und CSU sind keine Verbotsparteien“, heißt es in dem Positionspapier. Werbebeschränkungen seien aber geboten, „wenn höherrangige Güter dies erforderlich machen“. Das gelte etwa für den Schutz der Gesundheit oder der Jugend. Und der Konsum von Tabak sei „das bedeutendste vermeidbare Gesundheitsrisiko unserer Zeit“. Deshalb trete die Union für eine vollständige Umsetzung der Tabakrahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein.
Entsprechend der WHO-Konvention tritt die Union für ein Verbot der Außenwerbung ein, wobei die Außenflächen des Fachhandels ausgenommen bleiben sollen. Demnach soll es außerdem keine Tabakwerbung in Kinos mehr geben, wenn der Film für Jugendliche zugänglich ist. Zudem sollen Tabakprodukte außerhalb des Fachhandels nicht mehr gewerbsmäßig kostenlos abgegeben werden dürfen.
Es bleiben Werbeoptionen erhalten
Damit bleiben eine Reihe von Werbeoptionen erhalten, etwa die Werbung in Geschäftsräumen des Tabakhandels oder das Sponsoring nationaler Veranstaltungen. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) hatte vor der Abstimmung eingeräumt, dass die Angelegenheit in der Union kontrovers diskutiert werde. Es bringe aber nichts, ein Thema „liegenzulassen“.
In dem Positionspapier spricht sich die Union zudem für einen Jugend- und Gesundheitsschutz bei E-Zigaretten aus. Auch deren Konsum berge gesundheitliche Risiken in sich. Deshalb sollten unter anderem die geplanten Beschränkungen für die Tabakwerbung auf E-Zigaretten ausgeweitet werden.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach sich für ein umfassendes Tabakwerbeverbot aus. „Rauchen ist eine der Hauptursachen für Krebs“, erklärte der Minister heute. „Jedes Jahr sterben bei uns über 120.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Deswegen sollten wir vor Tabak warnen und nicht dafür werben.“
Über einen neuen Anlauf verhandelt die Koalition seit mehreren Monaten, nachdem die Union generellen Widerstand aufgegeben hatte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich zuletzt für ein Verbot ausgesprochen und „eine Haltung“ dazu bis Jahresende in Aussicht gestellt.
SPD begrüßt den Schritt der Union
Die SPD begrüßte heute Bewegung bei der Union, zu einem gestaffelten Verbot der Plakatwerbung ab 2022 zu kommen. „Ich bin froh, dass nach jahrelanger Blockade bei der Union jetzt offenbar klare Bereitschaft besteht, endlich einem umfassenden Verbot der Tabakaußenwerbung zuzustimmen“, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch.
„Endlich ist die CDU beim Tabakwerbeverbot aus dem Quark gekommen. Auf Grundlage des Fraktionsbeschlusses der Union gehen wir jetzt in die nächsten Gespräche“, sagte auch Dirk Heidenblut (SPD), Mitglied im Gesundheitsausschuss. „Das Ziel bleibt: Möglichst zeitnah muss ein Gesetz vorgelegt werden, um umfassend Außenwerbeverbot für Tabakprodukte wie Zigaretten, E-Zigaretten und Tabakerhitzer zu verbieten.“
In der vorigen Wahlperiode war ein Anlauf an der Union gescheitert. Das Bundeskabinett stimmte 2016 einem Entwurf des Ernährungsministeriums zu, Werbung auf Plakatwänden und im Kino ab 2020 weitgehend zu verbieten. Das Gesetz wurde im Bundestag aber nie beschlossen.
Druck für umfassende Werbeverbote hatten auch Mediziner und die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) gemacht. „Der heutige Fraktionsbeschluss setzt endlich das richtige Zeichen: Tabak- und E-Zigarettenaußenwerbung wird es in Zukunft in Deutschland nicht mehr geben“, sagte Ludwig heute nach dem Beschluss der Union dem Deutschen Ärzteblatt.
Sie sprach von einem guten Entschluss „ganz im Sinne des Jugend- und Gesundheitsschutzes“ und zeigte sich erfreut, dass wie von ihr gefordert auch Dampfer und Co. mit einbezogen werden sollen. „Was jetzt noch schnell kommen muss, ist das entsprechende Gesetz. Hier werde ich weiter drängeln, damit wir das Thema Tabakaußenwerbung endgültig verabschieden und uns neuen Aufgaben widmen können“, so Ludwig.
„Es ist höchste Zeit, gerade junge Menschen vor dem Einstieg in eine Raucherkarriere und den damit verbundenen schwerwiegenden Gefahren für die Gesundheit zu schützen“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt. Angesichts von rund 120.000 Tabaktoten jährlich sei jeder Schritt hin zu einem vollständigen Werbeverbot ein Schritt in die richtige Richtung. „Aber es bleiben der Industrie weitere Jahre, um süchtig machende Produkte zu bewerben“, erklärte er.
„Aus ärztlicher Sicht ist die Entscheidung ausdrücklich zu begrüßen“, sagte Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa). Die gesundheitsschädigende Wirkung und deren Folgen für Gesellschaft und Sozialsysteme seien seit Jahren belegt. Ein effektives Werbeverbot sei daher gesundheitliche Prävention für Deutschland.
Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, erklärte, Zielgruppe der Tabakwerbung seien vor allem Jugendliche, die zur Nikotinsucht verführt werden sollen. Ein Werbeverbot allein werde nicht ausreichen, die Gesundheitsschäden einzudämmen, die durch Tabakkonsum entstehen. „Wir brauchen rauchfreie Zonen überall dort, wo Kinder und Jugendliche sich häufig aufhalten: zum Beispiel auf Spiel- und Sportplätzen sowie im Umkreis von Kindertageseinrichtungen und Schulen“, sagte sie.
Grüne kritisieren zu lange Fristen
Die Grünen bemängelten heute zu lange Fristen, begrüßten aber, dass die Koalition überhaupt einen eigenen Vorschlag auf den Tisch legt. „Besser spät als nie. Es ist peinlich, dass Deutschland das letzte Land in der EU ist, in dem noch großflächig für Zigaretten geworben werden darf“, sagte Kirsten Kappert-Gonther, Grünen-Sprecherin für Drogenpolitik im Bundestag. Eine Übergangsfrist bis 2023 für E-Zigaretten sei allerdings „deutlich zu lang“. Gesundheitsschutz müsse Vorrang vor Lobbyinteressen haben.
Die Tabakbranche warnte heute vor „unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffen“ in die Freiheit zu werben. Maßgebend für den Rauchbeginn besonders von Minderjährigen sei das Rauchverhalten im Freundeskreis und in der Familie – nicht Tabakwerbung. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta warnte vor „bevormundender Symbolpolitik mit falschen Nebenwirkungen“. Die Zahl minderjähriger Raucher sei zurückgegangen. Ein komplettes Werbeverbot erschwerte zudem „risikoärmeren Innovationen“ den Zugang zum Markt.
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