Reduktionsstrategie: SPD legt Positionspapier für Fertiglebensmittel vor

Berlin – Im aktuellen Sondierungspapier spielen ernährungspolitische Themen bisher keine Rolle. Das möchte die SPD-Bundestagsfraktion ändern. In einem Positionspapier, das dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vorliegt, fordern die Sozialdemokraten eine Reduktion von Zucker, Fett und Salz in Fertiglebensmitteln, die die bisherigen Pläne des Bundeslandwirtschaftsministers Christian Schmidt überschreitet.
Sein im Sommer 2017 vorgestellter Entwurf zur Reduktions-/Reformulierungsstrategie hat es bisher nicht wie angekündigt ins Kabinett geschafft und wurde – mit Ausnahme der Industrie – von vielen Seiten kritisiert. Dabei wurde eine solche Strategie bereits 2015 im Bundestag beschlossen.
Zum aktuellen Sondierungspapier erklärte Schmidt gestern beim Neujahrsempfang des Bunds für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL): „Im Sondierungspapier steht nichts zum Thema Ernährung – das werden wir noch diskutieren müssen.“ Die SPD geht einen Schritt weiter. Ursula Schulte (SPD) sagte der Bild, die Nationale Reduktionsstrategie solle im nächsten Koalitionsvertrag festgehalten werden.
„Im aktuell vorliegenden Entwurf des Bundesernährungsministers fehlen der SPD-Bundestagsfraktion konkrete Zielvorgaben, ein verbindlicher Zeitplan und Regelungen, wie Unternehmen behandelt werden sollen, die die freiwillige Selbstverpflichtung nicht umsetzen“, sagte Schulte dem DÄ.
In ihrem Positionspapier heißt es dazu, dass unabhängige Experten verbindliche Zielwerte für die Reduktion von Zucker, Fett und Salz erarbeiten sollen. Falls sich die Unternehmen nicht freiwillig um die Reduktion bemühen, will die SPD eine gesetzliche Regelung nicht ausschließen (siehe Kasten).
Schmidt setzt derweil auf die Selbstverpflichtung der Industrie und will keine verbindlichen Vorschriften machen, höchstens Empfehlungen geben. In seinem Entwurf heißt es: „Große Unternehmen haben in der Vergangenheit größere Offenheit gegenüber Selbstverpflichtungen gezeigt und solche Verpflichtungen teilweise bereits abgeschlossen.“
Im Gegensatz zu Deutschland haben viele andere Länder bereits verschiedene Reduktionsstrategien zur Verminderung von Zucker, Salz oder Fett in Lebensmitteln in Angriff genommen. Dazu zählen Großbritannien, Finnland, Frankreich, Spanien, Italien, Dänemark, Schweiz, Polen, Niederlande, Belgien, Norwegen, Schweden, Island, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Litauen, Finnland und Österreich.
Schon im vergangenen Jahr hatte die SPD-Verbraucherpolitikerin Elvira Drobinski-Weiß das Papier als nicht ausreichend kritisiert. Es müsse genau festgelegt werden, wann und wie die Industrie Auskunft über Maßnahmen und Erfolge gebe.
In ihrem Positionspapier fordert die SPD mehr als nur eine nationale Reduktionsstrategie. Das Gesamtkonzept zur Bekämpfung ernährungsbedingter Krankheiten soll neben dem Ernährungsbildung und einer besseren Gemeinschaftsverpflegung auch ein Verbot von an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Produkte enthalten und eine für Laien verständliche Nährwertkennzeichnung wie die Ampel. Dafür haben sich auch die Verbraucherorganisation foodwatch und die Deutsche Diabetes-Gesellschaft ausgesprochen.
Lebensmittelindustrie erteilt klare Absage
Der Präsident des BLL, Stephan Nießner, erteilte der Idee staatlicher Vorgaben zur Reduktion von Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln eine klare Absage: „Rezepturen sind die Herzstücke der Unternehmen. Wir brauchen unternehmerische und geschmackliche Freiheit und zwar ohne staatliche Empfehlungen oder gar Vorgaben“. In diesem Punkt ist sich Ernährungsminister Schmidt einig mit der Industrie. „An der Ladentheke entscheiden Geschmack und Genuss und diese wollen wir nicht regulieren“, sagte er.
Selbstverständlich, so Nießner, werden seit jeher Rezepturen überarbeitet, aber im Zuge der Anpassung an Trends und Wünsche der Kunden. Firmen würden den Zucker-, Fett- oder Salzgehalt, nicht weil sie es müssten, sondern weil sie es wollten und ihren Kunden ein erweitertes Angebot machen möchten, reduzieren. Er verwies auch auf produktionstechnische und finanzielle Herausforderungen. „Zucker, Fett und Salz sind nicht nur Geschmacksträger, sondern haben unter anderem Einfluss auf Beschaffenheit oder die Haltbarkeit von Lebensmitteln.“
Erste Ansätze der Lebensmittelindustrie reichen nicht aus
Ob Verbraucher weniger Zucker für eine kalorienärmere und gesündere Ernährung in Kauf nehmen, versucht gerade der Lebensmittelhändler Rewe herauszufinden. In einer Marketingaktion bieten Rewemärkte seit dem 15. Januar ein Schokopuddingquartett an, das neben der Originalrezeptur auch um bis zu 40 Prozent zuckerreduzierte Varianten beinhaltet. Die Verbraucher sollen abstimmen, welchen Pudding sie zukünftig im Angebot haben möchten.
Der Ernährungsexperte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg sieht das Engagement der Handelsketten mit gemischten Gefühlen. Prinzipiell sei es natürlich zu begrüßen, wenn die Unternehmen versuchten mitzuhelfen, den Zuckerkonsum zu senken. Doch reiche dies bei weitem nicht aus, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Auch Schulte ist nur bedingt zufrieden. Ihrer Meinung nach gehen die Aktionen der Industrie in die richtige Richtung. Jedoch würden sich sowohl Rewe als auch Lidl auf Eigenmarken beschränken. „Unser Ziel sind aber alle Produzenten der Lebensmittelwirtschaft.“ Auch die Bäckereiinnung arbeite schon an einer Reduzierung des Salzgehaltes. „Wir benötigen eine einheitliche Strategie mit einheitlichen Vorgaben für alle“, so Schulte. Der beste Weg wäre der, dass die Lebensmittelwirtschaft sukzessiv die Zucker, Salz und Fettanteile reduziert.
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