5 Fragen an...

„Leistungsgruppen führen nicht zu einem Mehraufwand für Ärzte“

  • Freitag, 28. April 2023

Basel – Bei der geplanten Krankenhausreform blicken die beteiligten Akteure in Deutschland gerade ge­spannt auf die Schweiz. Der Kanton Zürich hat 2012 erstmals die Krankenhausplanung auf Leistungsgruppen umgestellt. Die sogenannte Spitalleistungsgruppensystematik (SPLG) wird mittlerweile in fast allen der 26 Schweizer Kantone angewandt.

Die SPLG sieht Leistungsgruppen mit jeweils fest vorgegebenen Anforderungen zu Struktur- und Qualitätsvor­ga­ben oder Mindestfallzahlen vor. Die Krankenhäuser müssen sich zur Erbringung der Leistungsgruppen in regelmäßigen Abständen bewerben. Wie diese SPLG die ärztliche Tätigkeit in den Krankenhäusern berührt, berichtet der Schweizer Facharzt für Innere Medizin, Lukas Schöb, dem Deutschen Ärzteblatt ().

Schöb ist seit rund zwanzig Jahren ärztlicher Leiter am Spital Arlesheim im Kanton Basel. Neben seiner ärztlichen Tätigkeit ist er auch Mitglied im Vorstand der Vereinigung der Nordwestschweizer Spitäler (VNS) und war damit auch bei der politischen Umsetzung der SPLG in Basel beteiligt.

Lukas Schöb /Christian Jaeggi, www.christianjaeggi.com
Lukas Schöb /Christian Jaeggi, www.christianjaeggi.com

5 Fragen an Lukas Schöb, ärztlicher Leiter an der Klinik Arlesheim in Basel-Land

Aus welchen Gründen hat der Kanton Basel das Züricher Modell der Leistungsgruppen (SPLG) eingeführt und wie lief die Umstellung?
In der Schweiz ist das Gesundheitssystem in kantonaler Hand. In Basel-Stadt und Basel-Land gab es bis 2019 jeweils getrennte Spitalplanungen.

Aufgrund eines Volksentscheids vor vier Jahren wird die Spitalpla­nung nun gemeinsam vorgenommen. In diesem Zuge wurde zudem entschieden, das Züricher Modell mit einigen Anpassungen in einem dialogischen Prozess mit den Krankenhäusern zum 1. Juli 2021 ein­zuführen. Damit gibt es in Basel nun rund 150 Leistungsgruppen.

Zuvor gab es keine spezifische Methodik in der Spitalplanung. Die Krankenhäuser in Basel-Land haben ohne ein strukturiertes Verfahren die entsprechenden Bewilligungen erhalten. Es gab zwar diverse Verpflichtungen, etwa ein Qualitätsmanagement vorzuhalten, aber keine offizielle Methodik dahinter.

Die unterjährige Einführung der Leistungsgruppen war zudem der Coronaviruspandemie geschuldet, da die Spitäler sich in extremen Situationen befanden. Diese Nähe zwischen politischer Ebene und Leistungserbrin­gern, solch eine Einführung zu verschieben, ist besonders in der Schweiz.

Welche Auswirkungen haben die Leistungsgruppen auf die ärztliche Arbeit in den Krankenhäusern?
Die SPLG sind eine Systematik, welche in der Spitalplanung angewendet werden. Deshalb betrifft es die Spitalleitungsebenen und nicht konkret die auf der Abteilung tätigen Ärztinnen und Ärzte, im Unterschied zu den DRGs.

Deshalb hat die Einführung der SPLG nicht zu einem Mehraufwand für die Ärztinnen und Ärzte in den Basler Spitälern geführt. Die Leistungsgruppen sind etwa im Krankenhausinformationssystem schon hinterlegt.

Wenn ein Leistungsauftrag in einem Spital allerdings weggefallen ist, dann hat das natürlich schon Konse­quenzen. Mir sind Einzelfälle bekannt, wo sich Fachärztinnen und -ärzte eine neue Stelle suchen mussten, weil die jeweiligen Spitäler die benötigten Leistungsbereiche nicht mehr anbieten durften.

Sind bei Ihnen Leistungsaufträge durch die Neueinteilung weggebrochen?
Nein, bei uns sind keine Leistungsaufträge weggebrochen. Manche Leistungsgruppen werden aber mengen­mäßig beschränkt. Bezüglich dieser Mengenanforderungen sind wir noch in der Lernphase. Leistungsgruppen, die im Basispaket – also in der Grundversorgung – enthalten sind, sollten nicht mehr als vorgegebene Men­gen erbracht werden.

Wenn beispielsweise ein anderes Spital in der Nähe schließt, kann es sein, dass wir mehr Fälle erbringen. Was die Kantone mit diesen Informationen machen, ist uns noch nicht ganz klar. Zudem klagen einige Spitäler in Basel, weil sie bestimmte Leistungsaufträge durch die Spitalliste nicht mehr erhalten haben. Diese Verfahren an den Gerichten laufen noch.

Welche Auswirkungen haben die SPLG auf die Weiterbildung?
Bei der Weiterbildung gibt es keine sonderlich großen Auswirkungen. Assistenzärztinnen und Assistenzärzte entscheiden sich für Spitäler, weil diese bestimmte Leistungsbereiche anbieten oder einen guten Ruf haben. Aber in den meisten Fällen haben die Kliniken mit der Spitalliste von 2021 die Aufträge zu Leistungen erhalten, die sie auch davor bereits durchgeführt haben.

Wie beurteilen Sie die Systematik der Leistungsgruppen?
Viel wichtiger als die gewählte Systematik selbst ist die Art und Weise wie so ein System eingeführt wird. Ich beurteile es als positiv, dass die SPLG in Basel mit Augenmaß und insbesondere im Dialog mit den Spitälern eingeführt worden sind.

Trotzdem finde ich die starre Einteilung der Leistungsgruppen, die Tabellen und die dahinterstehende regula­torische Bürokratie schwierig. Ich habe nicht das Gefühl, dass diese Denkweise zukunftsträchtig ist. Ich frage mich, ob statt starrer Regulation nicht mehr auf Qualitätsdialog gesetzt werden könnte.

Zudem haben kleine Spitäler, die manche Leistungsaufträge durch die SPLG nicht mehr erhalten, auch ihre Berechtigung. Die kleineren Häuser können etwa eine Lungenentzündung einer 80-jährigen Patientin besser und billiger behandeln als ein großes Zentrumsspital.

Die Beträge für die Fallpauschale (Baserates) etwa bei der „Norm-Lungenentzündung“ sind bei größeren Häusern in der Schweiz aus politischen Gründen nach wie vor höher als bei kleinen Häusern, obwohl es gemäß der Logik des Systems der gleiche Betrag sein sollte.

In größeren Spitälern ist die Behandlung damit teurer, die Patientin würde tendenziell überbehandelt werden und sie befindet sich weiter weg von ihrem Wohnort. Deshalb darf man die Stärken des bestehenden Gesund­heitssystems nicht kaputt macht, sondern müsste eine Medizin mit Augenmaß weiter ermöglichen.

Mir ist aber auch bewusst, dass nicht jedes Spital alles machen darf. Die Krankenhausplanung sollte aller­dings mehr über Anreize gesteuert werden und die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten stärker berücksichtigen.

cmk

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