Bundestagsabgeordnete appellieren an Italien wegen Flüchtlingsdekret

Berlin/Rom – 65 Abgeordnete des Bundestags haben das italienische Parlament gebeten, ein Dekret der rechtsnationalen Regierung zum Umgang mit Seenotrettern nicht unverändert zum Gesetz zu machen.
In einem von Julian Pahlke (Grüne) und Hakan Demir (SPD) initiierten Appellbrief fordern die Unterzeichner ihre italienischen Kolleginnen und Kollegen gestern auf, „sich für die bedingungslose Einhaltung des Völkerrechts einzusetzen“.
Wegen des Dekrets, das die Regierung der rechten Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Anfang Januar verabschiedet hatte, sei man „in großer Sorge“, hieß es.
Das Dekret sieht unter anderem vor, dass zivile Seenotretter mit ihren Schiffen nach einer Rettung sofort einen zugewiesenen Hafen ansteuern müssen, ohne mögliche weitere Migranten und Flüchtlinge von anderen Booten an Bord zu holen.
„Dieser Vorgang reduziert die Rettungskapazitäten im Mittelmeer erheblich und führt dazu, dass Rettungen entweder nur verzögert durchgeführt werden können oder gar komplett ausbleiben“, steht im dem Brief, über den zuvor das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet hatte.
Außerdem kritisieren die Unterzeichner des Schreibens, dass Rom den Seenotrettern zuletzt regelmäßig Häfen zur Anlandung zuwies, die weit entfernt von den Einsatzorten im zentralen Mittelmeer lagen. Die geretteten Menschen müssten deshalb oft etliche Tage länger auf den Schiffen bleiben als nötig.
Dies „gefährdet das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Menschen, die unmittelbar aus Seenot gerettet wurden“, wie es in dem Brief hieß. Die 65 Unterzeichner kommen von den Grünen, der SPD, der Linken und der FDP.
„Das Dekret steht im Widerspruch zu internationalem Seerecht, internationalen menschenrechtlichen Vorgaben und europäischem Sekundärrecht“, heißt es zudem. Die Verfasser schließen ihr Schreiben mit: „Wir appellieren an das italienische Parlament, bei der Abstimmung die berechtigten Sorgen über die Folgen des Dekrets für Menschenleben auf See zu berücksichtigen.“
Beim Untergang eines Flüchtlingsboots vor der Küste Libyens sind heute unterdessen nach UN-Angaben Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Mindestens 73 Menschen würden vermisst und seien vermutlich tot, teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) mit. Bislang hätten Rettungskräfte und Behörden elf Leichen geborgen. Sieben Menschen konnten sich demnach retten.
Den Angaben zufolge hatte das Boot die libysche Küste gestern mit 80 Menschen an Bord Richtung Europa verlassen und war kurz darauf gekentert. Sieben Insassen hätten es „unter extrem schwierigen Bedingungen zurück an die libysche Küste geschafft“, teilte die IOM mit. Sie würden derzeit im Krankenhaus versorgt.
Die Überquerung des zentralen Mittelmeers gilt als die weltweit tödlichste Route für Migranten und Flüchtlinge. Dennoch wagen jährlich Zehntausende auf oft kaum seetüchtigen Booten in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa die gefährliche Überfahrt. Seit Jahresbeginn verunglückten nach IOM-Angaben
130 Menschen auf dieser Route, im vergangenen Jahr waren es 1.450.
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