Ausland

EU-Gesundheit­sausschuss votiert für Europäischen Gesundheits­datenraum

  • Mittwoch, 29. November 2023
/woravut, stock.adobe.com
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Berlin – Für die Einführung eines digitalen Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) haben die Ausschüsse für Umwelt und Gesundheit (ENVI) sowie für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments votiert und ihre diesbezüglichen Standpunkte verabschiedet. Der ENVI hat den Entwurf der EU-Kommission vor allem um Freigabe- und Zugriffsrechte für Patientinnen und Patienten erweitert.

Für die Primärdatennutzung – also die Freigabe für Ärztinnen und Ärzte oder andere Gesundheitsdienstleister – sieht der Entwurf ein feingranulares Zugriffsmanagement vor, bei dem Patienten selbst entscheiden, wer was sehen darf. Vor allem bei der Sekundärnutzung – also insbesondere zu Forschungszwecken – der Daten, die in elektronischen Patientenakten (ePA) anfallen, sollen Patienten umfangreiche und granulare Kontroll- und Freigabemöglichkeiten erhalten.

Diese sollen wiederum um Transparenz-, Informations- und Zugangsrechte ergänzt werden. Ausnahme­regelungen soll es für Daten geben, die nicht oder kaum pseudo- oder anonymisiert werden können, beispielsweise Genomdaten. Hier soll es ein Opt-in-Verfahren geben, also eine explizite Zustimmung der Patienten, inklusive Aufklärung der Patienten zur Datennutzung.

„Der Grundsatz, dass Bürgerinnen und Bürgern die Entscheidungshoheit über ihre Gesundheitsdaten behalten, ist damit gewährleistet“, erklärte gestern Tiemo Wölken, der für die SPD im ENVI sitzt. Dem Parlament sei ein ausgewogener Kompromiss gelungen, der die Gesundheitsdaten von Bürgern schützt, aber gleichzeitig die effektive Digitalisierung des Gesundheitswesens und der Forschung ermögliche.

Auf Grundlage der Plattform MyHealth@EU sollen die Mitgliedstaaten Zugangsstellen für Gesundheitsdaten einrichten, auf die zu beispielsweise zu Forschungszwecken europaweit zugegriffen werden kann. In Deutschland soll diese beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelt sein.

Streit gibt es noch um Artikel 7 des EHDS-Entwurfs: Er sieht vor, Ärzte zu verpflichten, eine Zusammenfassung jeder Behandlung in die ePA einzustellen, ähnlich wie es auch im Entwurf des Digitalgesetzes (DigiG) hierzulande vorgesehen ist.

Kritiker bemängeln, dass in dem Artikel keine Äußerung dazu getroffen wird, was passiert, wenn ein Patient gar keine ePA hat oder haben will. Patrick Breyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei und Mitverhandlungsführer der Fraktion Grüne/Europäische Freie Allianz im LIBE-Ausschuss, warnte deshalb vor einer „von der EU geplanten Zwangs-elektronischen Patientenakte mit europaweiter Zugriffsmöglichkeit“, mit der Patienten „die Kontrolle über die Erfassung selbst intimster Behandlungen“ verlieren würden.

Die SPD weist das zurück. „Die Parlamentsposition zur Primärnutzung und insbesondere Artikel 7 des Entwurfs lässt meiner Ansicht nach weiterhin Raum für die in Deutschland geplante Widerspruchslösung (Opt-Out) zur Neuregelung der elektronischen Patientenakte“, erklärte Wölken. Nach dieser Auslegung würde die EU-Regelung zur Befüllungspflicht schlicht ins Leere laufen, wenn ein Patient hierzulande Widerspruch gegen die Einrichtung einer ePA eingelegt hat.

„Diese von Karl Lauterbach geplante Widerspruchsmöglichkeit wird durch den Verordnungsentwurf nicht berührt, da keine Aussage zu den Patientenrechten in diesem Fall getroffen wird und somit einer ergänzenden mitgliedsstaatlichen Regelung nichts entgegensteht“, sagte Wölken. „Die Mitgliedsstaaten haben also weiterhin die Möglichkeit, ihren Bürgerinnen und Bürgern den Widerspruch zu ermöglichen.“

Trotzdem könne man kritisieren, dass Artikel 7 der Parlamentsposition präziser und klarer formuliert werden könnte, räumt er ein. Allerdings sei eine individuelle Einflussnahme darauf im Ausschuss durch die Verfahrensweise der Block-Abstimmung nicht möglich gewesen.

Falls eine weitere Diskussion ergeben sollte, dass dennoch eine Notwendigkeit für eine explizite Regelung der Widerspruchsmöglichkeit auch auf EU-Ebene besteht, werde Wölken ein entsprechendes Vorgehen unterstützen.

Die Diskussionen über Opt-out- und Opt-in-Regelungen waren einer der Gründe, warum sich die Verhandlungen zum EHDS so lange hinziehen, kritisierte wiederum Peter Liese, der für die CDU im ENVI sitzt.

Anders als in Deutschland haben die Sozialdemokraten sich nämlich auf europäischer Ebene dafür eingesetzt, statt einer Widerspruchslösung ein Opt-in-Verfahren vorzuschreiben. „Ich finde es schade, dass es so lange gedauert hat. Das lag unter anderem daran, dass die Sozialdemokraten eine Regelung, die Minister Lauterbach schon seit Monaten in Deutschland unterstützt und die jetzt auch der Bundestag beschlossen hat, auf europäischer Ebene bekämpft haben“, sagte Liese. „Gut ist, dass sie jetzt endlich eingelenkt haben.“

Auf die Abstimmung im Ausschuss folgt nun die Lesung im Plenum. Einen Termin gibt es dafür noch nicht, relativ wahrscheinlich ist aber, dass sie bei der ersten Sitzung des Parlaments im neuen Jahr stattfindet.

lau

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