Keine Einigung bei EU-Gipfel auf neues Klimaziel 2050

Brüssel – Beim EU-Gipfel ist die verbindliche Festlegung auf ein neues Klimaziel bis 2050 gescheitert. Das Datum für den Umbau zur „klimaneutralen“ Wirtschaft wurde nach stundenlangen Verhandlungen aus der Gipfelerklärung gestrichen und in eine Fußnote verbannt, wie mehrere Diplomaten bestätigten. Die Grünen und Umweltverbände reagierten mit scharfer Kritik. Vor allem Polen hatte sich gegen das verbindliche Zieldatum gewehrt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trug es dagegen klar mit. „Ich jedenfalls kann für Deutschland dieses Ziel ausdrücklich unterstützen“, sagte die CDU-Politikerin in Brüssel. Zudem versprach sie zusätzliche Anstrengungen für den Klimaschutz schon bis 2030. Die Staatenlenker standen wegen der Klimaproteste unter Druck. Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres hatte die EU aufgefordert, Klimaneutralität bis 2050 anzustreben.
Das Ziel bedeutet, dass die allermeisten Treibhausgase eingespart werden müssen und der Rest ausgeglichen werden muss, etwa durch Aufforstung oder Speicherung. Dafür muss die Energieversorgung von Öl, Kohle und Gas weitgehend auf Wind, Sonne, Biosprit und Co umgestellt und Energie extrem sparsam eingesetzt werden, etwa in optimal gedämmten Häusern.
Polen hat bisher einen hohen Anteil Kohlestrom und müsste für eine solche Energiewende noch mehr investieren als andere EU-Länder. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte bereits vor dem Gipfel gesagt, Polen werde sich nicht auf strengere EU-Klimaziele einlassen, so lange die EU keinen entsprechenden Ausgleich für Mitgliedstaaten anbiete. Polen hatte Unterstützung von Ungarn, Tschechien und Estland, wie ein EU-Diplomat sagte. Für eine Festlegung wäre Einstimmigkeit nötig gewesen.
Zur Fußnote degradiert
Der rasche Umbau zu einer „klimaneutralen“ Wirtschaft soll dem Ziel des Pariser Klimaabkommens dienen, die globale Erwärmung bei höchstens zwei, möglichst aber bei 1,5 Grad zu stoppen. Ein Grad plus ist im Schnitt weltweit bereits erreicht. Vergleichsmaßstab ist jeweils die Zeit vor der Industrialisierung.
Frankreich hatte die Initiative für eine Festlegung auf 2050 ergriffen, der sich Deutschland und die meisten anderen EU-Staaten anschlossen. Wegen des Widerstands einiger Länder wurde in der Gipfelerklärung als Kompromiss eine sehr weiche und umständliche Formulierung gewählt. Auch die ging am Ende aber nicht durch. Die Fußnote verweist nach Angaben von Diplomaten darauf, dass eine Mehrheit der EU-Länder das Datum mittrug.
Die Umweltverbände Climate Action Network, Greenpeace und WWF reagierten entsetzt. „Die EU hat sich selbst einen vernichtenden Schlag gegen ihre Rolle als Vorreiter beim Klimaschutz versetzt“, kritisierte WWF-Vertreterin Ester Asin. Sie habe die Klimademonstranten im Stich gelassen.
Die Grünen-Europapolitikerin Ska Keller nannte die Uneinigkeit der Staats- und Regierungschefs eine Schande. Sie igorierten die Dringlichkeit der Klimakrise und setzten die Zukunft aller aufs Spiel. Aus Sicht der Grünen darf die EU-Debatte über das Klimaschutz-Ziel für 2050 nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Politik jetzt für weniger Treibhausgasausstoß sorgen muss.
Nicht auf die lange Bank schieben
„Fürs Klima ist noch lange nichts gewonnen, wenn nicht endlich konkrete und wirksame Maßnahmen angepackt werden“, sagte Parteichefin Annalena Baerbock. Denn ein Bekenntnis zur CO2-Reduktion in weiter Ferne rette die Erde „kein bisschen“. Wer es wirklich ernst meine mit dem Klimaschutz, müsse jetzt handeln.
Die Europäische Union brauche eine verbindliche Strategie, um die Verpflichtungen des Klimaabkommens von Paris zu erfüllen, über das die Erderhitzung auf deutlich unter zwei Grad begrenzt werden soll. Zu dieser Strategie müssen aus Baerbocks Sicht strengere Vorgaben für die Mitgliedstaaten zum Einsparen von Treibhausgasen und für Wirtschaft und Industrie gehören.
Die Protestbewegung Fridays For Future protestierte heute mit einer großen Kundgebung im Dreiländereck von Deutschland, Belgien und der Niederlande. Die Klimaaktivisten machten darauf aufmerksam, dass Klimaschutz eine globale Aufgabe ist. Zeitgleich bereiten rund 3.000 Experten bei der UN-Klimakonferenz in Bonn den nächsten Weltklimagipfel im Dezember in Santiago de Chile vor.
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