Ausland

Keine Einigung bei EU-Gipfel auf neues Klimaziel 2050

  • Freitag, 21. Juni 2019
Angela Merkel auf dem EU-Gipfel /dpa
Angela Merkel auf dem EU-Gipfel /dpa

Brüssel – Beim EU-Gipfel ist die verbindliche Festlegung auf ein neues Klimaziel bis 2050 gescheitert. Das Datum für den Umbau zur „klimaneutralen“ Wirtschaft wurde nach stundenlangen Verhandlungen aus der Gipfelerklärung gestrichen und in eine Fußnote verbannt, wie mehrere Diplomaten bestätigten. Die Grünen und Umweltver­bände reagierten mit scharfer Kritik. Vor allem Polen hatte sich gegen das verbindliche Zieldatum gewehrt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trug es dagegen klar mit. „Ich jedenfalls kann für Deutschland dieses Ziel ausdrücklich unterstützen“, sagte die CDU-Politikerin in Brüssel. Zudem versprach sie zusätzliche Anstrengungen für den Klimaschutz schon bis 2030. Die Staatenlenker standen wegen der Klimaproteste unter Druck. Auch UN-General­sekretär Antonio Guterres hatte die EU aufgefordert, Klimaneutralität bis 2050 anzustreben.

Das Ziel bedeutet, dass die allermeisten Treibhausgase eingespart werden müssen und der Rest ausgeglichen werden muss, etwa durch Aufforstung oder Speicherung. Dafür muss die Energieversorgung von Öl, Kohle und Gas weitgehend auf Wind, Sonne, Biosprit und Co umgestellt und Energie extrem sparsam eingesetzt werden, etwa in optimal gedämmten Häusern.

Polen hat bisher einen hohen Anteil Kohlestrom und müsste für eine solche Energie­wende noch mehr investieren als andere EU-Länder. Ministerpräsident Mateusz Mora­wiecki hatte bereits vor dem Gipfel gesagt, Polen werde sich nicht auf strengere EU-Klimaziele einlassen, so lange die EU keinen entsprechenden Ausgleich für Mitglied­staaten anbiete. Polen hatte Unterstützung von Ungarn, Tschechien und Estland, wie ein EU-Diplomat sagte. Für eine Festlegung wäre Einstimmigkeit nötig gewesen.

Zur Fußnote degradiert

Der rasche Umbau zu einer „klimaneutralen“ Wirtschaft soll dem Ziel des Pariser Kli­ma­abkommens dienen, die globale Erwärmung bei höchstens zwei, möglichst aber bei 1,5 Grad zu stoppen. Ein Grad plus ist im Schnitt weltweit bereits erreicht. Vergleichs­maß­stab ist jeweils die Zeit vor der Industrialisierung.

Frankreich hatte die Initiative für eine Festlegung auf 2050 ergriffen, der sich Deutsch­land und die meisten anderen EU-Staaten anschlossen. Wegen des Widerstands eini­ger Länder wurde in der Gipfelerklärung als Kompromiss eine sehr weiche und um­ständ­liche Formulierung gewählt. Auch die ging am Ende aber nicht durch. Die Fuß­note verweist nach Angaben von Diplomaten darauf, dass eine Mehrheit der EU-Länder das Datum mittrug.

Die Umweltverbände Climate Action Network, Greenpeace und WWF reagierten ent­setzt. „Die EU hat sich selbst einen vernichtenden Schlag gegen ihre Rolle als Vorrei­ter beim Klimaschutz versetzt“, kritisierte WWF-Vertreterin Ester Asin. Sie habe die Klimademonstranten im Stich gelassen.

Die Grünen-Europapolitikerin Ska Keller nannte die Uneinigkeit der Staats- und Regie­rungschefs eine Schande. Sie igorierten die Dringlichkeit der Klimakrise und setzten die Zukunft aller aufs Spiel. Aus Sicht der Grünen darf die EU-Debatte über das Klima­schutz-Ziel für 2050 nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Politik jetzt für weniger Treibhausgasausstoß sorgen muss.

Nicht auf die lange Bank schieben

„Fürs Klima ist noch lange nichts gewonnen, wenn nicht endlich konkrete und wirksa­me Maßnahmen angepackt werden“, sagte Parteichefin Annalena Baerbock. Denn ein Bekenntnis zur CO2-Reduktion in weiter Ferne rette die Erde „kein bisschen“. Wer es wirklich ernst meine mit dem Klimaschutz, müsse jetzt handeln.

Die Europäische Union brauche eine verbindliche Strategie, um die Verpflichtungen des Klimaabkommens von Paris zu erfüllen, über das die Erderhitzung auf deutlich unter zwei Grad begrenzt werden soll. Zu dieser Strategie müssen aus Baerbocks Sicht strengere Vorgaben für die Mitgliedstaaten zum Einsparen von Treibhausgasen und für Wirtschaft und Industrie gehören.

Die Protestbewegung Fridays For Future protestierte heute mit einer großen Kundge­bung im Dreiländereck von Deutschland, Belgien und der Niederlande. Die Klimaakti­visten machten darauf aufmerksam, dass Klimaschutz eine globale Aufgabe ist. Zeit­gleich bereiten rund 3.000 Experten bei der UN-Klimakonferenz in Bonn den nächsten Welt­klimagipfel im Dezember in Santiago de Chile vor.

dpa

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