Politik

Bayern will Vermittlungs­ausschuss zu Teillegalisierung von Cannabis

  • Donnerstag, 22. Februar 2024
/picture alliance, Sebastian Gollnow
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Berlin – Der Freistaat Bayern will bei der Teillegalisierung von Cannabis einen Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat beantra­gen. Ein entsprechender Dringlichkeitsantrag der Regierungsfraktionen von CSU und Freien Wählern erhielt heute im bayerischen Landtag die notwendige Mehrheit.

CSU-Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek sagte, die überwiegende Zahl von Experten etwa in der Kinder- und Jugendpsychologie warne vor einer Freigabe von Cannabis. Abgeordnete von SPD und Grünen verteidig­ten dagegen den Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Kurz vor der Bundestagsabstimmung am morgigen Freitag über die umstrittene teilweise Legalisie­rung von Cannabis in Deutschland hat die Union im Bundestag die Abgeordneten der Ampelkoalition aufgefordert, gegen das Vorhaben zu votieren.

„Ich appelliere an die Kolleginnen und Kollegen der Ampel: Stimmen Sie am Freitag gegen dieses Gesetz. Stoppen Sie dieses verantwortungslose Projekt“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Bundestags­fraktion, Tino Sorge (CDU), der Rheinischen Post. Auch der Richterbund macht Stimmung gegen die Pläne und warnt vor einer Überlastung der Justiz.

Morgen soll der Bundestag die kontrollierte Freigabe mit zahlreichen Regeln beschließen. Besitz und Eigen­anbau bestimmter Mengen sollen damit für Volljährige vom 1. April an erlaubt sein. Zum 1. Juli sollen Clubs zum nicht kommerziellen Anbau möglich werden.

Auch aus der mitregierenden SPD wurden weiter Einwände laut. Mehrere SPD-Abgeordnete haben bereits angekündigt, gegen den Gesetzentwurf stimmen zu wollen.

Sorge sagte, die Koalitionäre müssten auf die Warnungen der eigenen Fachpolitiker hören. Die aktuelle Situation sei zwar problematisch. „Ein völlig untaugliches und hochgradig gefährliches Gesetz kann aber nicht die Antwort sein.“ Für einen neuen Anlauf, der die Kritik der etablierten Experten aufgreife, stünde die Union aber bereit.

Richterbund warnt vor Überlastung der Justiz

Derweil warnte der Deutsche Richterbund vor einer massiven Überlastung der Justiz durch die im Gesetz vorgesehene Amnestieregelung.

„Die Justiz rechnet bundesweit mit mehr als 100.000 Akten, die im Falle des geplanten rückwirkenden Strafer­lasses bei Cannabisdelikten nochmals zu überprüfen sind“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Richterbunds, Sven Rebehn, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Allein beim Amtsgericht Köln seien es mehr als 10.000 Fälle. „Die dort zuständigen fünf Richter gehen von einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von mindestens einer Stunde pro Fall aus, sodass die Prüfung bei 2.000 Fällen pro Kopf und 40 Wochenstunden rechnerisch 50 Wochen oder ein Jahr bräuchte“, sagte Rebehn.

Für die Staatsanwaltschaften bedeute das Cannabisgesetz konkret, „dass sie alle Strafakten mit Bezug zum Betäubungsmittelgesetz nochmals händisch daraufhin auswerten müssen, ob die betroffenen Sachverhalte nach der neuen Rechtslage straflos wären“, sagte Rebehn.

Auch auf die Gerichte komme deshalb eine enorme Zusatzbelastung zu. Nach Inkrafttreten des Gesetzes soll es auch eine Amnestie von Verurteilungen für Fälle geben, die künftig erlaubt sind.

Cannabis Social Clubs rechnen mit Boom an Neugründungen

Der Dachverband deutscher Cannabis Social Clubs (CSCD) rechnet nach einer Legalisierung mit einem wahren Boom neuer Clubs. „Ich gehe davon aus, dass wir binnen Jahresfrist in Deutschland 3.000 oder sogar 4.000 Clubs haben werden“, sagte der Vorsitzende des Verbandes, Steffen Geyer, dem RND.

Derzeit gebe es bereits rund 300 bis 350 Gruppen, die in der Gründungsphase für einen Club seien oder jetzt nur noch darauf warteten, dass das Gesetz endlich in Kraft trete.

Erlaubt werden sollen laut Gesetzentwurf „Anbauvereinigungen“. Also so etwas wie Clubs für Volljährige, in denen bis zu 500 Mitglieder mit Wohnsitz im Inland Cannabis gemeinschaftlich anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben – pro Tag höchstens 25 Gramm Cannabis je Mitglied und im Monat höchstens 50 Gramm.

Die Clubs sind als nicht kommerzielle Vereine zu organisieren und brauchen eine Erlaubnis, die befristet gilt. Die Bundesregierung geht in ihrem Gesetzentwurf davon aus, dass es im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten 1.000 Anbauvereinigungen geben werde und in den Folgejahren jeweils ein Plus von 500 dieser Vereine. Diese Schätzung wurde auch von den Bundesländern als zu niedrig bezeichnet.

Künftig erlaubt werden soll für Erwachsene ab 18 Jahren grundsätzlich der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. In der eigenen Wohnung sollen drei lebende Cannabispflanzen legal werden und einer Änderung zufolge bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum.

Der öffentliche Konsum soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten wer­den – konkret in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. Spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes soll es eine erste Bewertung unter anderem dazu vorliegen, wie es sich auf den Kinder- und Ju­gendschutz auswirkt.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach rechnet mit einer Zustimmung im Bundestag. „Das ist eine wichtige Verbesserung in unserer Drogenpolitik“, sagte der SPD-Politiker. Er sei sehr zuversichtlich, dass das Gesetz so beschlossen werde wie vorbereitet.

dpa

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