Bund und Länder wollen Versorgungsprobleme bei Ukraine-Flüchtlingen vermeiden

Berlin – Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) soll möglichst bis Ende der Woche Regelungen erarbeiten, wie Impfzentren, -stellen und -teams Masernimpfstoff für Geflüchtete aus der Ukraine beziehen können. Das gab die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) dem Ministerium heute per Beschluss mit auf den Weg.
Der Bund wird darin gebeten, kurzfristig pragmatische Lösungen zu finden, die es den Ländern ermöglichen, die bereits bestehende staatliche Impfinfrastruktur zu nutzen, um Geflüchteten Impfangebote zu machen, die über die Coronaschutzimpfungen hinausgehen. Zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung von pflegebedürftigen Geflüchteten wollen die Länder die Bestimmungen des jeweiligen Heimrechts flexibel handhaben.
„Bund und Länder werden gemeinsam dafür sorgen, dass die Schutzsuchenden nach ihrer Flucht gut versorgt werden“, sagte die GMK-Vorsitzende, Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne. Geflüchtete aus der Ukraine, die vor Krieg und Zerstörung geflohen seien, benötigten einen schnellen und unkomplizierten Zugang zur medizinischen Versorgung.
Es gelte dabei, Versorgungsprobleme zu vermeiden und insbesondere notwendige durch die Flucht unterbrochene medizinische und pflegerische Behandlungen schnellstmöglich wiederaufzunehmen, heißt es dem Beschluss. Der bürokratische Aufwand für alle Betroffenen soll demnach möglichst reduziert werden.
Bund und Länder wollen nun Festlegungen zu Behandlungsberechtigung, Finanzierung und Abrechnung treffen. Für Finanzierungsfragen wurde bereits eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern eingerichtet, die bis zum 7. April 2022 Lösungsvorschläge erarbeiten soll.
Vor der GMK hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gemeinsam mit EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides und Berlins Gesundheitssenatorin Katja Kipping (Linke) das Ankunftszentrum für ukrainische Kriegsflüchtlinge in Berlin-Tegel besucht. „Für mich als Arzt und Gesundheitsminister ist es bestürzend zu sehen, wie krank und wie versehrt die Menschen sind, die hierher kommen“, sagte Lauterbach.
Bayern will Geflüchtete zum Impfen bringen
Die Staatsregierung in Bayern will Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zur Coronaimpfung bewegen. „Wir wissen, dass nur etwa 35 Prozent der ukrainischen Bevölkerung vollständig gegen COVID-19 geimpft sind“, sagte der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU).
Deshalb wolle Bayern allen Flüchtlingen ein Impfangebot in den Impfzentren machen. „Bayern hat ausreichend Infrastruktur und Impfstoff.“ Auf der Homepage des Gesundheitsministeriums gebe es dazu auch Informationen auf Ukrainisch.
Bei hoher Nachfrage könnten die Angebote „sofort und unbürokratisch“ umgesetzt werden, erklärte eine Ministeriumssprecherin. Allerdings machte das Ministerium keine Angaben dazu, wie hoch das Interesse überhaupt ist.
Jedenfalls sollen die Impfzentren die Flüchtlinge gezielt ansprechen und informieren, auch in ihrer Muttersprache. Auch sollten mobile Impfteams in die Einrichtungen gehen, in denen die Ukrainer untergebracht sind.
Die Delegiertenversammlung der Landesärztekammer Hessen hat das Land Hessen aufgefordert, die Gesundheitskarte für Flüchtlinge aus der Ukraine auch in Hessen umgehend einzuführen. Flüchtlinge aus der Ukraine benötigten einen schnellen, unbürokratischen und bundesweit einheitlichen Zugang zur medizinischen Versorgung, hieß es in der Begründung.
Die Zahl der registrierten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine steigt unterdessen weiter: Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums bezifferte sie heute auf 272.338 – das waren über 5.000 mehr als am Vortag. Das Ministerium verband die Angaben wie üblich mit dem Hinweis, dass die Zahl der eingereisten Schutzsuchenden aus der Ukraine „tatsächlich bereits wesentlich höher“ sein dürfte, da längst nicht alle Einreisen an den Grenzen registriert würden.
Der Städte- und Gemeindebund sprach sich für eine systematische Registrierung aller Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aus. „Um die bestmögliche Versorgung, den Zugang zu Gesundheitsversorgung und die Integration in Schule und Arbeit sicherzustellen, ist eine möglichst rasche Registrierung der Kriegsvertriebenen kurz nach ihrer Einreise nach Deutschland notwendig“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem Handelsblatt.
Zugleich räumte Landsberg ein, dass die Umsetzung der Registrierung angesichts der großen Flüchtlingszahlen und der Dauer des Registrierungsvorgangs, der zum Teil bis zu eine Stunde dauern könne, nicht ganz einfach sei. „Es erscheint daher sinnvoll, an den Ankunftsbahnhöfen in Deutschland vom Bund Registrierstraßen einzurichten und so den Registrierungsgrad schnell zu erhöhen“, sagte Landsberg.
Zudem müssten der Bund und die Länder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und die Ausländerbehörden personell, technisch und finanziell besser ausstatten, um die Registrierung zu beschleunigen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte die Registrierung aller Flüchtlinge aus der Ukraine bereits beim Grenzübertritt nach Deutschland abgelehnt. Die allermeisten Neuankömmlinge seien ukrainische Staatsbürger, die visumfrei einreisen dürften. Es gebe keine Hinweise auf mögliche Terroristen, die versuchen könnten, mit den ukrainischen Flüchtlingen nach Europa zu kommen. Eine Registrierung der Flüchtlinge im Inland befürwortet das Ministerium aber.
FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle sagte dem Handelsblatt: „So gut und richtig eine unbürokratische Aufnahme der Menschen aus der Ukraine ist, so sehr muss man sich nun um eine zügige Registrierung der Vertriebenen kümmern.“ Sonst seien ein schneller Zugang zum Arbeitsmarkt oder ein zügiger Schulbesuch gar nicht möglich.
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