Bundesländer setzen einrichtungsbezogene Coronaimpfpflicht unterschiedlich streng um

Berlin – In Deutschland gilt bald die sogenannte einrichtungsbezogene Coronaimpfpflicht. Bis morgen müssen Beschäftigte einer ganzen Reihe von Einrichtungen im Gesundheitswesen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft sein und entsprechende Nachweise vorlegen. Ein Überblick.
Konkret betroffen sind Mitarbeiter unter anderem in Alten- und Pflegeheimen, Einrichtungen für Behinderte, Krankenhäusern, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken, Entbindungseinrichtungen, Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Rettungsdiensten und Pflegediensten. Ausgenommen sind Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können – sie müssen dafür ein ärztliches Zeugnis vorlegen.
Bis zum morgigen Dienstag müssen die Beschäftigten nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind – oder ein Attest vorlegen, das sie von der Pflicht befreit. Tun sie das nicht, muss der Arbeitgeber das jeweils zuständige Gesundheitsamt informieren. Die Behörde soll die Betroffenen dann zunächst erneut auffordern, den Nachweis in einer angemessenen Frist vorzulegen, die aber im Gesetz nicht näher definiert ist.
Bleibt dies erneut aus, muss das Amt im Rahmen seines Ermessens über ein Tätigkeits- oder Betretungsverbot entscheiden. Dabei sollen aber verschiedene Aspekte wie Infektionsgefahren oder drohende Versorgungsengpässe in der jeweiligen Einrichtung berücksichtigt werden. Zuständig für die Umsetzung sind die Länder, die dabei im Detail unterschiedlich vorgehen können.
Ungeimpften Beschäftigten muss der Zutritt zu den Einrichtungen nicht unbedingt verwehrt werden. Dem Gesetz zufolge können die Ämter entsprechende Verbote verhängen, sie müssen das aber nicht tun. Auch wieviel Zeit das Prüfverfahren in Anspruch nehmen darf, ist im Gesetz nicht geregelt.
Bis das Gesundheitsamt ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot ausgesprochen hat, ist eine Weiterbeschäftigung der betroffenen Beschäftigten grundsätzlich möglich. So dürfte es einige Zeit dauern, bis jemand seinen Job verliert. Entscheidet sich das Gesundheitsamt tatsächlich für ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot, dürfte der Vergütungsanspruch in der Regel entfallen.
Weigern sich Beschäftigte dauerhaft, einen Nachweis vorzulegen, kann als letztes Mittel eine Kündigung in Betracht kommen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfte es in der Regel aber zunächst zu einer Abmahnung kommen. Ein ausgesprochenes Verbot gilt sofort: Widersprüche und Anfechtungsklagen gegen eine vom Gesundheitsamt erlassene Anordnung haben keine aufschiebende Wirkung, wie es im Gesetz ausdrücklich heißt.
Sowohl Arbeitgebern als auch den Beschäftigten können Bußgelder drohen – zwar in einer Höhe von bis zu 2.500 Euro. Betroffen sein können insbesondere Arbeitgeber, die ihre Beschäftigten trotz eines amtlichen Verbots weiterarbeiten lassen – oder es nicht dem Gesundheitssamt melden, wenn Mitarbeiter keinen Nachweis vorlegen. Auch für die Beschäftigten, die eine Aufforderung vom Amt bekommen haben und nicht reagieren, kommt ein Bußgeld infrage.
Unterschiedliche Ansagen
Ab übermorgen können die Gesundheitsämter nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) gegebenenfalls bundesweit Konsequenzen zu ziehen. Doch die Umsetzung des Gesetzes ist Sache der Bundesländer. Und die setzen vielerorts auf mehrstufige Verfahren, die sich hinziehen können, wie eine Umfrage der Deutschen Presseagentur zeigt.
Brandenburg: Die Gesundheitsämter setzen den ungeimpften Mitarbeitern zunächst eine Frist von drei Wochen, um einen Nachweis über Impfung oder Genesung beziehungsweise ein Attest zur Befreiung von der Impfpflicht vorzulegen. Wenn eine Impfserie begonnen wurde, gibt es für sechs Wochen keine Betretungs- oder Tätigkeitsverbote. Es kann eine zweite Mahnung mit Angeboten zur Beratung und Impfterminen folgen. Erst wenn auch dies nicht zum Nachweis einer Impfung führt, könnte den Mitarbeitern der Zugang zu Einrichtungen verboten werden.
Sachsen: Die Gesundheitsämter sollen genau prüfen, ob Heime und Krankenhäuser noch versorgt werden können, bevor sie für ungeimpfte Beschäftigte Betretungsverbote aussprechen. Einige Landkreise haben bereits angekündigt, dass sich die Einzelfallprüfungen bis in den Sommer ziehen dürften.
Sachsen-Anhalt: Das Gesundheitsamt fordert die Betroffenen zur Vorlage eines Nachweises auf. Es folgen die Ermittlungen des Amtes, gegebenenfalls mit einer ärztlichen Untersuchung, Anhörungen, einem Zwangsgeld oder Bußgeld. In einem Erlass zur Impfpflicht weist das Land auf den Ermessensspielraum hin. „Nicht jeder Verstoß gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht führt zwingend zu einem Betretungs- oder Tätigkeitsverbot.“ So solle davon abgesehen werden, wenn dadurch die medizinische oder pflegerische Versorgung im jeweiligen Landkreis oder der kreisfreien Stadt erheblich gefährdet ist.
Thüringen: Ab übermorgen müssen die Einrichtungen den Gesundheitsämtern melden, wer bei ihnen ungeimpft ist. Danach folgt ein monatelanges Verwaltungsverfahren mit Einzelfallprüfungen und Anhörungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Die Gesundheitsämter sollen nach Ermessen entscheiden, wer als letzte Konsequenz nicht mehr zur Arbeit kommen darf. In diese Entscheidung soll auch einfließen, ob der Betrieb ohne die betreffenden Mitarbeiter sichergestellt werden kann.
Mecklenburg-Vorpommern: Der Arbeitgeber muss dem Gesundheitsamt melden, wer nicht geimpft ist. Dann startet ein Verfahren mit Anhörung, und am Ende gibt es laut Gesundheitsministerium eine Ermessensentscheidung. Das könne mehrere Wochen in Anspruch nehmen, hieß es. Beschäftigte könnten sich auch in dieser Zeit noch impfen lassen, dann gebe es keine Konsequenzen.
Niedersachsen: Die Gesundheitsämter fordern laut Gesundheitsministerium ungeimpfte Beschäftigte zunächst auf, einen Impfnachweis oder ein Attest vorzulegen. Den Einrichtungen werde empfohlen, die betreffenden Beschäftigten zunächst patientenfern einzusetzen. Werde kein Nachweis vorgelegt, könne eine Anhörung mit einer Zwangsgelddrohung folgen – dieses Zwangsgeld beträgt 1.500 Euro bei einer Vollzeitstelle. Danach könne ein Bußgeld von bis zu 2.500 Euro verhängt werden. Wird weiterhin kein Nachweis erbracht, kann das Gesundheitsamt ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot verfügen.
Schleswig-Holstein: Nach der Meldung eines ungeimpften Mitarbeiters leitet das Gesundheitsamt ein Verwaltungsverfahren ein. So dürfen betroffene Mitarbeiter auch nach morgen in den Einrichtungen vorerst weiterarbeiten, bis die Prüfung ihres Falls abgeschlossen ist. Dann trifft das Gesundheitsamt eine Ermessensentscheidung und kann im Einzelfall ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot anordnen.
Bremen: Wer als ungeimpft gemeldet wurde, bekommt von übermorgen an den Hinweis, dass ein Impfnachweis vorzulegen ist und dafür eine Frist von vier Wochen eingeräumt wird. Nach Ablauf der Frist werden die Beschäftigten dann erneut aufgefordert, einen Impfnachweis vorzulegen. Zugleich wird ein Beschäftigungsverbot angedroht. Zudem wird den nicht-geimpften Beschäftigten die Möglichkeit zur Anhörung geboten. Sollte nach Ablauf von erneut vier Wochen kein Impfnachweis vorliegen, wird ein Tätigkeitsverbot ausgesprochen.
Baden-Württemberg: Haben die Beschäftigten bis morgen keinen Impfnachweis vorgelegt, werden diese ungeimpften Mitarbeiter den Gesundheitsämtern mit Name und Kontaktdaten gemeldet. Die Behörden stellen den betroffenen Mitarbeitern dann eine Frist von voraussichtlich zwei Wochen, um den Nachweis noch vorzulegen. Wird bis dahin Impfbereitschaft signalisiert oder haben die Impfungen dann schon begonnen, gibt es eine weitere Frist. Sollten auch dann keine Nachweise vorgelegt werden, können den Angaben zufolge sogenannte Betätigungs- oder Betreuungsverbote ausgesprochen werden. Allerdings haben die Gesundheitsämter dabei einen Ermessensspielraum und dürfen je nach Einzelfall entscheiden. Es drohen zudem Bußgelder.
Hamburg: Ungeimpfte Beschäftigte sollen innerhalb von zwei Wochen vom Gesundheitsamt kontaktiert und aufgefordert werden, binnen eines Monats einen gültigen Nachweis vorzulegen. Geschieht dies nicht, entscheidet das Gesundheitsamt, ob ein Tätigkeits- beziehungsweise ein Betretungsverbot ergeht. Dabei soll jeder Einzelfall geprüft werden. Es sollen auch Kriterien wie Impfquote in der Einrichtung, gegenwärtiger Personalstand oder Möglichkeiten anderweitiger Personalgewinnung berücksichtigt werden.
Rheinland-Pfalz: Wenn die Impfnachweise nicht bis zum Ablauf des 15. März 2022 vorgelegt werden oder Zweifel bestehen, muss die Leitung der jeweiligen Einrichtung dies unverzüglich dem zuständigen Gesundheitsamt melden. Ungeimpfte Mitarbeiter werden aufgefordert, die erforderlichen Nachweise vorzulegen und erhalten dafür eine Frist von zwei Wochen. Sollte der Nachweis auch dann nicht erbracht werden, werde im Regelfall ein Bußgeld von 500 Euro verhängt. Zudem werde den Beschäftigten verboten, die Einrichtung zu betreten, hieß es.
Saarland: Die Gesundheitsämter sollen bei fehlendem Nachweis Kontakt mit den gemeldeten Personen aufnehmen. Im zweiten Schritt werde eine Anordnung erfolgen, den Immunitätsnachweis zu erbringen. Bei Verweigerung drohe ein Bußgeld. Während des Verfahrens bestehe kein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot, so das Gesundheitsministerium.
Hessen: Laut Sozialministerium melden die Einrichtung zunächst bis Ende März an die Gesundheitsämter, welche Mitarbeiter keinen Nachweis vorgelegt haben. Dann sollen diese Beschäftigten vom Gesundheitsamt dazu aufgefordert werden, diesen Nachweis nachzureichen. Es gilt eine vierwöchige Frist. Geschieht dies nicht, dann kann das Gesundheitsamt ein Bußgeld verhängen – in Hessen drohen 2.500 Euro. Erst in einer letzten Stufe prüft das Gesundheitsamt – unter Einbeziehung der Einrichtung – ein mögliches Tätigkeitsverbot. Dieses solle frühestens sechs Wochen nach Entscheidung des Gesundheitsamts wirksam werden.
Nordrhein-Westfalen: Das Gesundheitsamt soll zu ungeimpften Beschäftigten Kontakt aufnehmen und einen Nachweis einfordern. Wenn dann keine Rückmeldung erfolgt, könnten bis zu 2.500 Euro Bußgeld verhängt werden. Falls in einer „angemessenen Frist“ von den betroffenen Beschäftigten dann kein Nachweis vorgelegt oder der Aufforderung einer ärztlichen Untersuchung nicht Folge geleistet wird, könnten die Gesundheitsämter das Betreten der Einrichtung oder das Arbeiten dort untersagen, so das Gesundheitsministerium.
Bayern: Die Gesundheitsämter sollen den Betroffenen die Chance einräumen, ihre Entscheidung zu überdenken. Ziel ist, noch möglichst viele bislang Ungeimpfte zu überzeugen. Auf das Beratungsangebot folgt dann eine förmliche Aufforderung zur Vorlage der gesetzlich festgelegten Nachweise beim Gesundheitsamt. Erfolgt dies nicht, wird ein Bußgeldverfahren eingeleitet. „In letzter Konsequenz – aber nur als Ultima Ratio – kann dann ein Betretungsverbot ausgesprochen werden“, so das Gesundheitsministerium.
Berlin: Berlin setzt die einrichtungsbezogene Impfpflicht unter Berücksichtigung der Versorgungssicherheit um. Das bedeutet: Die Gesundheitsämter bewerten, wie stark die Gesundheitsversorgung gefährdet sein könnte und können ein Verfahren auf dieser Basis notfalls aussetzen. Es werden also nicht automatisch Betretungs- oder Tätigkeitsverbote für Beschäftigte ausgesprochen, die die nötigen Impfnachweise nicht vorlegen. In dem Fall dürften die Beschäftigten, die erforderliche Nachweise nicht vorgelegt haben, zunächst weiterarbeiten. Gibt es nach den erhobenen Daten kein Risiko bei der Versorgung, leiten die Gesundheitsämter ein Bußgeldverfahren ein.
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