Politik

Experten plädieren für mehr Forschung zu vernachlässigten Tropenkrankheiten

  • Mittwoch, 25. Januar 2023
Tigermücke
Die asiatische Tigermücke tritt mittlerweise auch in Deutschland auf. Forschung zu insektenübertragenen Krankheiten muss weiter ausgebaut werden, so Experten. /auimeesri, stock.adobe.com

Berlin – Für armutsbedingte und vernachlässigte tropische Krankheiten (PRNTD) braucht es mehr Forschung und Fördergelder. Das haben kürzlich Sachverständige im Unterausschuss Globale Gesundheit des Bundes­tags angemahnt.

Diese Erkrankungen umfassen weltweit eine immense Krankheits­last, betonte der Sachverständige und Leiter des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM), Jürgen May.

Dazu zählten etwa Malaria, Tuberkulose und HIV sowie die vernachlässigten Tropenkrankheiten (NTD). Die Krankheitslast liege bei mehr als 1,7 Milliarden Menschen, sagte May. Damit sei etwas mehr als ein Fünftel der Menschheit von diesen Krankheiten betroffen.

Es existiere zudem ein Teufelskreis zwischen Armut und Krankheit. „Diese Krankheiten führen zu erhöhten Kosten, Arbeitsplatzverlust, Bildungsnachteil und hohen Pflegekosten was zu erhöhter Armut führt“, so May.

Die Armut führe wiederum zu schlechteren Hygienebedingungen, verminderter Widerstandsfähigkeit und verminderter kindlicher Entwicklung sowie Hunger. Diese Faktoren beflügeln erneut die Krankheit.

„Innerhalb dieses Teufelskreises entstehen auch Epidemien besonders leicht“. Das habe während der COVID-19-Pandemie zu einer Verschlechterung vieler Aspekte zur Bekämpfung der armutsbedingten und vernach­lässigten Tropenkrankheiten geführt.

Krankheitsbekämpfung verhindert auch Entstehung von Pandemien

Zwar werde derzeit viel über „Pandemic Preparedness“ und der damit verbundenen Verhinderung von Pande­mien gesprochen. Dabei vergesse man aber oft, dass bereits bestehende Erkrankungssituationen in Ländern mit ressourcenarmen Bedingungen zu Epidemien und Pandemien führen können, kritisierte May.

Richard Hatchett, Chief Executive Officer bei der „Coalition for Epidemic Preparedness Innovations“ (CEPI), be­kräftigte die Notwendigkeit, insbesondere Impfstoffe schneller, besser und günstiger herstellen zu können, um bei einer nächsten Pandemie besser geschützt zu sein.

Produktionsorte und Lieferketten müssten zudem diversifiziert und breiter aufgestellt werden. Gerade in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen müssten vor Ort Netzwerke von Produktionsstätten für Impfstoffe und Medikamente aufgebaut werden, damit diese einen besseren und nachhaltigen Zugang zu Therapeutika haben.

Der Tropenmediziner May erinnerte die Abgeordneten des Bundestags an das dritte Ziel für nachhaltige Ent­wicklung der Vereinten Nationen (SDG) zum Thema Gesundheit und Wohlergehen und forderte die Stärkung von Gesundheitssystemen weltweit sowie der weiteren Förderung von Forschung und Entwicklung.

Wichtig seien zuverlässige Präventionsmaßnahmen, insbesondere Impfstoffe aber auch effiziente und neben­wirkungsarme Medikamente für bestimmte Bevölkerungsgruppen wie etwa Kinder. Zudem werde eine sensiti­ve und spezifische Diagnostik in den betroffenen Ländern benötigt.

Antrophologische Kenntnisse für medizinisches Vertrauen wichtig

Weiter seien auch die drei Säulen medizinische Anthropologie, Kommunikationsforschung und Gesundheits­ökonomie notwendig, um etwa die Kulturen der betroffenen Länder besser zu verstehen, entsprechend wir­kende Maßnahmen einleiten und diese auch gut erklären zu können, so May sinngemäß.

Das Dilemma der vernachlässigten tropischen Krankheiten bestehe darin, dass die pharmazeutische Industrie über das wissenschaftliche Fachwissen und die finanziellen Ressourcen verfüge, aber kaum Interesse an Inves­titionen in diesem Bereich habe, so May.

Aus diesem Grund seien Produktentwicklungspartnerschaften (PDP) wichtig. Mit diesen Partnerschaften soll verstärkt an erschwinglichen und zuverlässigen Diagnostika und Therapeutika für vernachlässigte Populatio­nen geforscht werden.

Auch Joelle Tanguy, Director External Affairs bei der Organisation „Drugs for Neglected Diseases Initiative“ (DNDi), betonte, dass die Partnerschaften neue Gesundheitstechnologien entwickeln können. Traditionelle Marktanreize hätten diese Entwicklungen in der Vergangenheit eher gehemmt.

Förderung der Partnerschaften läuft weiter

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat von 2016 bis 2022 sechs solcher Partnerschaf­ten mit insgesamt bis zu 50 Millionen Euro gefördert. Andrea Spelberg, Leiterin des Referats für Forschung für globale und öffentliche Gesundheit im BMBF, kündigte an, dass das Ministerium die Partnerschaften in den nächsten fünf Jahren mit weiteren 50 Millionen Euro unterstützen werde.

Auch Tanguy betonte: „Deutschland ist ein sehr guter Partner, sollte aber seine finanzielle Förderung für For­schung und Entwicklung für PRNTD weiter ausbauen.“ Mit diesen Partnerschaften werden etwa Plattformen für klinische Studien in Ländern aufgebaut, in denen die Krankheiten vor allem vorkommen. Zudem geht es auch darum Netzwerke in den Ländern für nachhaltige Partnerschaften zu schaffen.

Beispielsweise das Anticov-Netzwerk, das unter Beteiligung von 13 afrikanischen und sechs Institutionen aus dem globalen Norden ursprünglich für die Entwicklung von COVID-19-Medikamenten gedacht war, könne jetzt auch für die Bekämpfung von armutsbedingten Erkrankungen genutzt werden, erklärte May.

Insbesondere aufgrund des Klimawandels müsse die Forschungsförderung auch weiter ausgeweitet werden, da immer mehr Gebiete aufgrund der Erderwärmung von Erkrankungen wie etwa Malaria betroffen seien.

Auch in Deutschland gebe es bereits erste Fälle von Dengue-Fieber oder Westnil-Fieber-Erkrankungen. „Das ist in Deutschland nicht mehr wegzubekommen und wird uns in Zukunft beschäftigen“, so May. „Die Forschung zu moskitoübertragenen Infektionen wird in Zukunft bedeutsamer werden.“

Der Vorsitzende des Unterausschusses und gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, An­drew Ullmann, sagte dem Deutschen Ärzteblatt, dass die Ampel fest entschlossen sei, den Kampf gegen ver­nachlässigte Tropenkrankheiten zu intensivieren.

„Viele Jahre lang haben vernachlässigte Tropenkrankheiten, NTDs, trotz ihrer verheerenden Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit weltweit wenig bis gar keine Aufmerksamkeit erfahren“, sagte Ullmann. „Vernach­lässigte Tropenkrankheiten gefährden die Gesundheit der Menschen, sie halten Kinder von der Schule fern, verursachen Behinderungen und psychische Belastungen.“

NTDs hielten Menschen in einen Armutskreislauf gefangenen, verhinderten wirtschaftlichen und sozialen Wohlstand und Wachstum – und das obwohl die Krankheiten heilbar und Prävention und Behandlung kostengünstig seien.

Mit dem Erreichen der Unerreichten könnten NTD-Programme ein Tor zu allgemeiner Gesundheitsversorgung bieten und im Gegenzug zu Wohlstand führen, erläuterte der Bundestagsabgeordnete. „Wir müssen unsere Mission fortsetzen, NTDs zu minimieren oder gar zu eliminieren, damit niemand, egal wo er lebt, an diesen Krankheiten leidet“, bekräftigte Ullmann.

cmk

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