Politik

Krankenhausreform: Lauterbach will Prozedere ändern

  • Dienstag, 30. Januar 2024
Karl Lauterbach (r-l, SPD), Bundesminister für Gesundheit, gibt eine Pressekonferenz zu den nächsten Schritten für die geplante Klinikreform neben Reinhard Busse von der TU Berlin, dem Vorsitzenden des Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) Jens Scholz und dem Vorsitzenden des Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege Michael Hallek. /picture alliance, Kay Nietfeld
Karl Lauterbach (r-l, SPD), Bundesminister für Gesundheit, gibt eine Pressekonferenz zu den nächsten Schritten für die geplante Klinikreform neben Reinhard Busse von der TU Berlin, dem Vorsitzenden des Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) Jens Scholz und dem Vorsitzenden des Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege Michael Hallek. /picture alliance, Kay Nietfeld

Berlin – Bei der geplanten Krankenhausreform befinden sich Bund und Länder weiterhin auf Konfrontations­kurs. Bei der gestrigen Schalte der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) sei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) von seiner bisherigen Verabredung abgerückt, dass das Reformgesetz im Bundesrat zu­stimmungs­pflichtig werde, teilte das schleswig-holsteinische Gesundheitsministerium per Mitteilung mit. Das bedeutet, dass der Bundesrat dem Gesetz nicht zustimmen muss.

Seit einem Jahr verhandeln Bund und Länder die Details der Krankenhausreform. Von Beginn an stellte Lau­ter­bach klar, dass ein Konsens mit den Ländern inklusive zustimmungspflichtigem Gesetz erzielt werden solle.

Zuletzt waren die Verhandlungen eingefroren worden, da die Bundesländer einen ersten Baustein – das Kran­kenhaustransparenzgesetz – Ende November im Bundesrat blockiert hatten. Sie riefen den Vermittlungsaus­schuss an, zögerten aber die Einigung auf einen Termin hinaus. Seit kurzem steht dieser Termin fest.

Am 21. Februar soll sich der Vermittlungsausschuss des Bundesrats und Bundestags auf einen Kompromiss beim Transparenzgesetz einigen. Aufgrund der Blockade hatte Lauterbach weitere Beratungsrunden mit den Ländern vorerst verschoben.

Heute erklärte der Minister vor der Bundespressekonferenz jedoch, die Krankenhausreform befinde sich „zu­rück in der Spur“. Nachdem die unionsgeführten Länder die Blockade zur Terminfindung des Vermittlungsaus­schusses gelöst hätten, könne weiter vorangeschritten werden, so Lauterbach.

Morgen soll im Bundesgesundheitsministerium (BMG) ein informeller Austausch zwischen sieben Ländern und dem Bund zum bevorstehenden Vermittlungsausschussverfahren stattfinden. Darunter sind Baden-Würt­temberg, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.

Lauterbach zeigte sich heute zuversichtlich, dass es zu einem Kompromiss kommt und der Bundesrat das Transparenzgesetz in seiner Sitzung am 22. März „mit genügend Stimmen“ beschließen werde. In den vergan­genen Wochen hatte sich Lauterbach allerdings bereits optimistisch gezeigt, dass dies schon zum 2. Februar geschehen werde.

Idealerweise starte der mit dem Gesetz geplante Klinikatlas wie ursprünglich vorgesehen zum 1. Mai 2024, wenn auch nicht mit allen vorgesehenen Daten, so Lauterbach. Ziel sei, dass sich die Bevölkerung über Klini­ken, angebotene Leistungen aber auch Komplikationsraten informieren könne.

Rechtsverordnungen sollen zustimmungspflichtig bleiben

Zum eigentlichen Reformgesetz, dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), bestätigte Lau­terbach heute, dass dieses nicht zustimmungspflichtig sein solle. Die Punkte, die die Sicherstellung der Län­der betreffen, die Weiterentwicklung der Leistungsgruppen und Details zu Qualitätskriterien der Gruppen sollen in Rechtsverordnungen geregelt werden, die zustimmungspflichtig sind. Diese sollen 2025 kommen.

„Das eigentliche Kerngesetz ist zustimmungsfrei“, Änderungen seien nicht erforderlich, erklärte Lauterbach. Das Gesetz soll nach wie vor am 24. April im Bundeskabinett sein, um danach in das parlamentarische Ver­fah­ren zu gehen. Auch die Notfallreform soll angeschoben werden. Ein Gesetzentwurf solle im ersten Halbjahr aufschlagen, kündigte Lauterbach heute an.

Die Krankenhausreform soll zunächst mit den 64 Leistungsgruppen aus Nordrhein-Westfalen plus weiteren fünf Gruppen starten. Die Einführung dieser Leistungsgruppen benötige keine Zustimmung von den Bundes­ländern. Sie würden künftig die neue Abrechnungsgrundlage bilden, die nichts mit der Krankenhausplanung der Länder zu tun habe, erklärte Lauterbach auf Nachfrage.

Die Bundesländer sind dennoch nicht einverstanden mit dem Vorgehen. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) nannte das Vorgehen Lauterbachs heute eine Aufkündigung der Zusammenarbeit mit den Län­dern.

„Er möchte den Bundesrat und damit die Länder im Gesetzgebungsverfahren so weit es geht aushebeln. Das wäre ein klarer Bruch bisheriger Verabredungen im Zusammenhang mit den vergangenen Sommer bespro­che­nen Eckpunkten“, sagte Gerlach.

Sie erwarte, dass der Bund sich an die früheren Absprachen halte. Zum Transparenzgesetz erklärte sie zudem: „Ich finde es abenteuerlich, dass Karl Lauterbach sich heute hinstellt und verkündet, dass der Klinikatlas ab 1. Mai kommen soll. Wir haben das Gesetz in seiner ursprünglichen Form im Bundesrat abgelehnt.“

Niedersachsens Gesundheitsminister, Andreas Philippi (SPD), sieht den Stand der Reform ebenfalls skeptisch. „Der Bundesgesundheitsminister hat noch immer keinen Entwurf für das Krankenhausversorgungsver­besse­rungsgesetz vorgelegt“, kritisierte Philippi.

„Es war ein Kardinalfehler, das Krankenhaustransparenzgesetz in der Reihenfolge vorzuziehen und das eigent­liche Reformgesetz, auf das Länder und Krankenhäuser dringend warten, zeitlich nach hinten zu schieben.“ Das Transparenzgesetz müsse erst noch durch Vermittlungsausschuss und Bundesrat – das wird kein Selbst­läufer, warnte Philippi. Außerdem wünschte er sich vonseiten des Bundes eine wertschätzende Kommunika­tion.

Möglich wäre, dass die Länder das KHVVG – obwohl nicht zustimmungspflichtig – nach dem gleichen Vorge­hen wie beim Transparenzgesetz blockieren könnten und den Vermittlungs­ausschuss anrufen. Damit hätten die Bundesländer immer noch einen Hebel in der Hand, sich gegen die Reform zu wehren. Lauterbach betonte heute hingegen, die Länder würden die Reform wollen.

Die Ziele seien unstrittig. Es sei zudem ein Skandal, wenn jemand gegen die Reform sei, betonte Lauterbach. Sie werde dringend benötigt, etwa um die Qualität in den Krankenhäusern zu erhöhen. Zudem befänden sich rund 120 Krankenhäuser im und vor einem Insolvenzverfahren, sagte Lauterbach. Zur Einordnung: Im vergan­genen Jahr gab es knapp 40 Insolvenzen, davon drei Schließungen.

Sachlicher Dialog zwischen Bund und Ländern gefordert

Auch aus der Ampelregierung gab es Reaktionen. Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bu­ndestag, Andrew Ullmann, betonte: „Wir stehen weiterhin zur überfälligen und notwendigen Krankenhaus­strukturreform und zum Transparenzgesetz.“ Es sei bedauerlich, dass der Verhandlungsprozess zwischen dem Bundesgesundheitsministerium und den Ländern nicht wie gewünscht vorankomme.

Es konterkariere das Ziel einer bestmöglichen Gesundheitsversorgung, wenn die Länder dieses Gesetz nun zur Erpressung von Zahlungsforderungen scheitern lassen. „Das zeigt, dass es den Ländern derzeit mehr um Wah­len und Kompetenzen als um die Sache geht“, so Ullmann.

„Wir müssen nun schauen, was wir gegebenenfalls ohne die Länder zum Wohle der Patientinnen und Patien­ten als Strukturreform umsetzen können.“ Mehrbelastungen der Beitragszahler oder des Bundes werden aus­geschlossen, betonte der FDP-Politiker.

Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, bemängelte, dass ein weiterer öffentlicher Schlagabtausch um das Transparenzgesetz kein Lösungsbeitrag darstellen würde. „Der Bundesgesundheits­minister hat sich für seine heutige Pressekonferenz einen Tag ausgesucht, an dem die Ärztinnen und Ärzte an den Universitätskliniken mit einem Warnstreik auf ihre schwierigen Arbeitsbedingungen hinweisen.“

Zudem kämpften außerhalb der Universitäten derzeit viele kleine und mittlere Krankenhäuser um ihr wirt­schaftliches Überleben. Lauterbach müsse sich deshalb auf die wirklich drängenden Probleme in der Versor­gung konzentrieren, forderte Reinhardt.

Patientinnen und Patienten bräuchten „kein neues, bürokratielastiges Register“, so Reinhardt. Entsprechende Informationen könnten über die bereits vorhandenen Informationsquellen wie das Deutsche Krankenhaus­verzeichnis oder die ‚Weisse Liste‘ bezogen werden. Der Streit um das Transparenzgesetz dürfe zudem die Arbeit an der dringend notwendigen Krankenhausreform nicht länger verzögern.

„Eine solche Reform kann nur gelingen, wenn Bund und Länder sie gemeinsam umsetzen. Ein einseitiges Vor­gehen des Bundes, wie es der Minister angekündigt hat, wird uns deswegen keine Lösung bringen,“ erklärte Reinhardt. Der Bundesgesundheitsminister sollte stattdessen die Gespräche mit den Ländern zum Reformge­setz schnellstmöglich wieder aufnehmen und die Institutionen der Selbstverwaltung einbinden. „Nur dann können sachgerechte Lösungen erreicht werden.“

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) forderte Lauterbach auf, an den Verhandlungstisch mit den Ländern zurückzukehren und einen „echten Beteiligungsprozess mit den Ländern und den Krankenhausträ­gern“ zu beginnen.

cmk/bee

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