Politik

Lehre aus der Pandemie: Mehr Kompetenzen für Pflege gefordert

  • Mittwoch, 6. Dezember 2023
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Berlin – In den heißen Phasen der COVID-19-Pandemie haben insbesondere ältere Menschen in Alten- und Pflegeeinrichtungen unter einer hohen Krankheitslast und Sterblichkeit gelitten, zudem waren sie besonders von Isolierungsmaßnahmen betroffen. Wie diese Erfahrungen künftig für einen besseren Umgang in der Pflege bei möglichen weiteren Pandemien oder Krisen genutzt werden können – darüber sprachen heute Fachleute auf der Tagung „Lehren aus der Coronapandemie und zukünftige Krisenresilienz in der Langzeitpflege“, ausgerichtet vom Pflegenetzwerk Deutschland.

Während der Pandemie hätten viele erst erkannt, welche Kompetenzen eigentlich in der Pflege existierten, erklärte Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerates. Davor hätten die Menschen jahrzehntelang verweigert, entsprechende Fähigkeiten anzuerkennen.

„Wir brauchen nicht 5.000 Medizinstudienplätze, wir brauchen 20.000 Pflegestudienplätze in diesem Land“, so Vogler und spielte auf die von unter anderem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) oft geforderten 5.000 zusätzlichen Medizinstudienplätze an.

Vogler sprach sich für den qualifizierten und akademisierten Pflegeberuf aus, entsprechende Forschung müsse etabliert werden und Pflegekompetenzen erweitert werden. Dafür brauche es gesetzliche Anpassungen, forderte sie in Richtung Gesetzgeber. Lauterbach hatte Mitte November angekündigt, in wenigen Wochen werde ein entsprechendes Pflegekompetenzgesetz vorgestellt. Das Bundes­gesund­heitsminsiterium (BMG) hat allerdings bislang noch keinen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt.

Tim Eckmanns, Leiter des Fachgebiets Nosokomiale Infektionen, Surveillance von Antibiotikaresistenz und -verbrauch am Robert-Koch-Institut (RKI), forderte zudem einen Public Health Ansatz für die ärztliche Versorgung von Pflegeeinrichtungen. Ärztinnen und Ärzte versorgten die Patienten individuell und nicht in der Breite. Aktuell werde zudem nicht flächendeckend auf COVID-19 getestet. „Wir brauchen eine ärztliche übergeordnete Versorgung“, fordert Eckmanns. Diese wäre hilfreich, um massenhafte Krankheitsausbrüche in Pflegeeinrichtungen künftig zu vermeiden.

Vogler entgegnete, dass es hierfür keine Ärztinnen und Ärzte brauche, sondern eine andere Sozialgesetzgebung, die eine Erweiterung von Kompetenzen und Heilkundeübertragung auf andere Fachberufe vorsieht. In Deutschland sollten nicht nur Ärztinnen und Ärzte entscheiden dürfen, ob jemand krank oder gesund ist, forderte Vogler.

Verständliche Anweisungen benötigt

Dolores Domke vom Institut INFO GmbH Markt- und Meinungsforschung machte zudem auf das Problem des Wissenstransfers von der Theorie in die Praxis aufmerksam. Die Regelungsflut in der Pandemie habe zu einer Umsetzungsüberforderung in den Pflegeeinrichtungen geführt, so Domke. Sie forderte eine einrichtungs­übergreifende Schnittstelle möglichst auf Landesebene, die die entsprechenden Empfehlungen und gesetzlichen Regelungen etwa vom Bund oder vom RKI in verständliche Anweisungen übersetzt und diese direkt an die Beschäftigten in den Pflegeheimen weitergegeben werden könnten.

Auch Regina Görner, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, erklärte: „Weniger wäre mehr gewesen.“ Sie kritisierte insbesondere die vielen unterschiedlichen Handlungs­anweisungen von Bundesländern und des Bundes während der Pandemie. Sie setzte sich dafür ein, dass Entscheidungskompetenzen für Pandemien und Katastrophensituationen möglichst auf Bundesebene per parlamentarischem Beschluss gefasst werden müssten.

Dies hätte viele Telefonate mit den Gesundheitsämtern und Nachfragen bei bestimmten Stellen reduziert und damit personelle Ressourcen zur Versorgung der Pflegebedürftigen freigesetzt, so Görner. Entsprechende Anpassungen müssten zudem jetzt erfolgen und nicht erst, „wenn das nächste Virus um die Ecke kommt“.

Lauterbach selbst hatte bei der Eröffnung der Fachtagung heute eingeräumt, dass die Pflege bereits früher zur Entwicklung von Empfehlungen in der Pandemie politisch hätte eingebunden werden müssen. In der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) sei nun ein Vertreter der Pflege dauerhaft vertreten, so Lauterbach.

Zudem habe die Politik die Pflegeselbstverwaltung mit einem gesetzlichen Auftrag ausgestattet, um ein Krisenkonzept zu erarbeiten. Dies sei aktuell in Arbeit. Damit werde es ein Schutzkonzept geben, das eigentlich überfällig sei, so Lauterbach. Pflege soll resilienter gemacht werden, betonte Lauterbach. Denn Pflege habe die wichtige Rolle, Menschen zu schützen, die sich selbst nicht schützen können.

In diesem Zuge verwies er auch auf die Nationale Reserve Gesundheitsschutz, die etwa Schutzmasken für sechs Monate vorhalten soll, um künftig besser vorbereitet zu sein. Dieses Konzept bereite der Bund mit den Ländern derzeit vor.

cmk

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