Bessere Pandemievorbereitung: Von COVID-19 lernen

Berlin – Mehr Kooperation, bessere Daten, eine unbürokratische Grundlage für klinische Studien sowie verstärkte Informationsangebote werden unter anderem für eine bessere Pandemievorbereitung benötigt. Dies forderten vergangenen Freitag Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf einem Symposium der Paul-Martini-Stiftung zum Thema COVID-19.
Während der Pandemie habe sich das Dreieck der Zusammenarbeit von Bundesgesundheitsministerium (BMG), Robert-Koch Institut (RKI) und des DIVI Intensivregisters bewährt, erklärte Christian Karagiannidis, Leiter des DIVI-Intensivregisters und Mitglied der Regierungskommission Krankenhaus. Mit dieser Kooperation sei innerhalb kurzer Zeit erstmalig eine Kapazitätsübersicht über die Situation auf den Intensivstationen generiert worden, so Karagiannidis.
Er nannte die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern auf unterschiedlichen Ebenen als eine sehr gute Folge der Pandemie, so Karagiannidis. „In der Pandemie haben die Krankenhäuser das erste Mal miteinander gearbeitet.“ Vorher seien die Kliniken in erster Linie in Konkurrenz zueinander gewesen.
Für unbürokratische und leistungsorientierte Kooperationen zwischen allen Beteiligten plädierte auch der Medical Director von Biontech, Harald Gschaidmeier. Bei der Markteinführung der Impfstoffe habe Biontech mit sehr vielen lokalen Partnern wie etwa den Großhändlern, Apotheken und Hausärztinnen und Hausärzten zusammengearbeitet. Auch mit dem BMG war man im sehr intensiven Austausch. Dies habe gezeigt, was in Deutschland möglich ist, wenn viele Akteure unbürokratisch an einem Strang ziehen, so Gschaidmeier.
Kooperationen braucht es auch mehr zwischen der Pharmaindustrie und den Universitäten, betonte die Virologin Sandra Ciesek. „Wir sind oft nicht in der Lage als Uni ein Medikament auf den Markt zu bringen. Die Durchführung von präklinischen Studien ist oft schwierig“, erklärte sie. Um gezielte Experimente und Studien zu machen, brauche es oft die Hilfe der Pharmaindustrie. Hier müssten aber schnellere Verträge geschlossen werden, die Arbeit auf Augenhöhe ermöglichen, so Ciesek.
Ärztinnen und Ärzte auf den neuesten Stand bringen
Neben einer besseren Zusammenarbeit gab es auch neue Informationsangebote, die sinnvoll gewesen seien. So erwähnte Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) ein Videokonferenzformat, das unter dem ehemaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der Pandemie eingeführt worden sei. In diesem hätte Spahn alle Mediziner eingeladen, um sich über die neuesten Impfstoffe und Medikamente zu informieren. „Hier haben sehr viele freiwillig mitgemacht“, so Cichutek.
Der Hausarzt Florian Steiner aus Tarmstedt ergänzte, dass es für eine bessere und flächendeckende Verbreitung eines solchen Formats immer Fortbildungspunkte geben müsste. Zudem sollten entsprechende Informationsangebote auf Abruf online verfügbar sein und nicht nur live gestreamt werden, sodass Ärzte dies besser mit ihrer Arbeitszeit verbinden könnten.
Entsprechende Informationen müssten auch besser in der Gesamtbevölkerung ankommen, so der Virologe Christian Drosten. Die größte Baustelle nach der COVID-19-Pandemie sei die öffentlich-mediale Debatte, sagte Drosten. Es habe etwa an einer sichtbaren wissenschaftlichen Mehrheitsmeinung gemangelt, auch dadurch sei die Politikstrategie nach der ersten Infektionswelle im Jahr 2020 aufgeweicht worden, so Drosten.
Er empfiehlt deshalb eine transparente und nachvollziehbare Politikberatung mithilfe der Einreichung von schriftlichen Empfehlungen vonseiten Expertinnen und Experten. Dies sei mit dem Coronaexpertenrat während der Pandemie auch umgesetzt worden.
Schneller Impfstoffe produzieren und zulassen
Cichutek begrüßte zudem die bereits geschlossenen Pandemiebereitschaftsverträge der Bundesregierung. Diese Verträge stellen sicher, dass Unternehmen angesichts möglicher weiterer Pandemien Material bereithalten, um schneller Impfstoffe oder Medikamente produzieren zu können. Um eine mögliche nächste Pandemie besser vorzubereiten, sei es wichtig Impfstoffe sowie Antikörper schnell bereitstellen zu können, betonte Cichutek.
Um Impfstoffe schneller auf den Markt zu bekommen, müssten auch überbordende Regularien, die ihren Zweck verfehlen würden, überprüft und angepasst werden betonte Oliver Cornely von der Universität zu Köln. Netzwerke wie das Vaccelerate Programm, bei dem sich interessierte Studienprobandinnen und -probanden registrieren und bei entsprechenden geplanten klinischen Studien direkt angefragt werden könnten, würde die Suche nach Teilnehmern deutlich abkürzen, so Cornely. In der Bevölkerung müsse aktiv für die Teilnahme an klinischen Studien geworben werden, plädierte Cornely.
Eine weitere Folge der Pandemie sei, dass viele Pflegekräfte durch die Mehrbelastung den Beruf verlassen hätten. Von Januar 2021 bis Mitte/Ende 2022 konnten Krankenhäuser ungefähr 25 Prozent der Betten aufgrund fehlenden Personals nicht mehr betreiben, erklärte Karagiannidis.
„Die Pflegekräfte fehlen bis heute.“ Dazu komme der demografische Wandel. „Der Ist-Zustand der deutschen Kliniklandschaft ist hinsichtlich des Personals nicht mehr haltbar“, so Karagiannidis. Dies seien Gründe dafür, das Gesundheitssystem deutlich effizienter aufzustellen und zu organisieren, sagte er in Anspielung der aktuell laufenden Krankenhausreform.
Impfung bester Schutz für Bevölkerung
Insgesamt habe aber vor allem die Impfung zur Grundimmunität der Bevölkerung maßgeblich beigetragen, betonte Drosten. Das sorge auch bei der aktuellen Omikron-Variante für einen guten Schutz. Omikron sei nicht harmlos, das sehe man anhand aktueller Daten aus Hongkong wo „ganz schlecht geimpft worden ist“, so Drosten.
Im Vergleich mit anderen Industrieländern wies Deutschland aber eine relativ geringe COVID-19-Sterblichkeit dank der implementierten Maßnahmen und durchgeführten Impfungen auf. Statt den Schulschließungen hätte es aber auch eine verbindliche Home-Office-Pflicht für viele Arbeitsbereiche von Beginn an geben können, so Drosten.
Die Schulschließungen hätten außerdem zu negativen Auswirkungen auf die Kinder bis heute geführt, so der Pädiater Reinhard Berner von der Kinder- und Jugendklinik am Uniklinikum Dresden. Vor allem ein Anstieg an Angst- oder Essstörungen sei durch die Schulschließungen zu erklären. Er forderte bessere Surveillancesysteme im Bereich der Kinder- und Jugendgesundheit. Hier werden nationale Frühwarnsysteme benötigt, um sich einen schnelleren Überblick zu verschaffen.
Besser durch die Pandemie gekommen sind andere Länder, insbesondere Dänemark, Kanada, Norwegen und Japan, erklärte Drosten. Hier sei die Letalität bei COVID-19 deutlich niedriger gewesen als in Deutschland. Dies sei mit hochentwickelten Public Health Systemen sowie einer hohen und frühen Impfannahme zu erklären. Zudem gebe es in diesen Ländern eine hohe soziale Kohärenz, also der Zusammenhalt einer Gesellschaft.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: