Politik

Psychotherapiekongress: Forderungen nach Finanzierung der Weiterbildung und kürzeren Wartezeiten

  • Donnerstag, 13. Juni 2024
/zinkevych, stock.adobe.com
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Berlin – Kritik am Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz, insbesondere wegen fehlender Regelungen zur Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung und dem ungelösten Wartezeitenproblem in der ambulanten Psychotherapie, bestimmte gestern die berufspolitische Diskussion zu Beginn des 3. Deutschen Psychotherapie Kongresses (DPK) in Berlin.

Der Kongress, der noch bis zum 15. Juni dauert, will Wissenschaft und Praxis mit der Gesundheitspolitik zusammenbringen. Veranstaltet wird der DPK von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), unith e.V., dem Verbund der universitären Aus- und Weiterbildungsinstitute und unterstützt von der Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV). Mehr als 1.500 Teilnehmende registrierten die Veranstalter. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist auch in diesem Jahr Schirmherr.

Die Vertreterin des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), Silke Heinemann, stellte die neuen Regelungen zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung vor, wie sie der aktuelle Kabinettsentwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) vorsieht: eine eigene Bedarfsplanung für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und-therapeuten und die Möglichkeit der Ermächtigung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die vulnerable Patientengruppen versorgen.

In Bezug auf die im GVSG vorgesehen Regelungen zur Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung sagte Heinemann: „Wir wissen, dass wir Ihre Erwartungen nicht erfüllen.“ Der Gesetzentwurf lässt offen, wie das Gehalt, auf das angehende Fachpsychotherapeuten in ihrer Weiterbildung Anspruch haben, vor allem im ambulanten Bereich finanziert werden soll. Praxen, Hochschulambulanzen und künftige Weiterbildungsinstitute hängen in Bezug auf die Schaffung von Stellen von den Regelungen zur Finanzierung ab.

Vor allem Studierende der Studiengänge Klinische Psychologie und Psychotherapie, die aktuell nicht wissen, ob sie nach ihrer Approbation eine Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten absolvieren können, überreichten der BMG-Vertreterin einen Korb mit über 3.000 Postkarten, auf denen eine Finanzierung der Weiterbildung gefordert wird.

„Die Bundesländer haben viel Geld in die Hand genommen, um seit 2020 die neuen Approbationsstudiengänge aufzubauen, und die ersten Absolventen könnten im Herbst ihre Weiterbildung beginnen – wir brauchen jetzt sofort Regelungen zur Finanzierung, sonst können keine Fachpsychotherapeuten ausgebildet werden“, erklärte Heike Winter, Vorständin bei unith e.V. und Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Hessen (PTK).

Langfristig werde es für psychisch kranke Menschen keine Fachpsychotherapeuten geben, kritisierte Winter. Die alte Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten, in der die Teilnehmenden „unter absoluten Ausbeutungsbedingungen in den Kliniken gearbeitet haben“, laufe aus. Die Psychotherapeutenschaft habe lange für die Reform der Ausbildung nach dem Vorbild der ärztlichen Aus- und Weiterbildung gekämpft, was dann auch im Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz von 2019 erfolgreich mündete. Und jetzt fehle die Finanzierung für die Weiterbildung im ambulanten Bereich.

Die Gesundheitsministerkonferenz (GMK), die gerade in Travemünde tagt, hat das BMG um einen Bericht zum Sachstand der Prüfungen von Maßnahmen für eine angemessene Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung gebeten.

Fünf Monate auf einen Therapieplatz warten

Nach Angaben der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) müssen psychisch kranke Menschen im Durchschnitt fünf Monate auf einen Therapieplatz warten. „Was muten wir psychisch Kranken hier zu, warum gelingt es nicht, eine realistische psychotherapeutische Bedarfsplanung zu etablieren?“, fragte Rudolf Stark, Vorsitzender von unith e.V.

Ländliche und strukturschwache Gebiete seien von besonders langen Wartezeiten betroffen, präzisierte BPtK-Präsidentin Andrea Benecke. Durch die Coronapandemie hätten sich insbesondere die Wartezeiten für psychisch belastete Kinder und Jugendliche „dramatisch verschlechtert“. Die im GVSG vorgesehene eigene Bedarfsplanung für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sei daher ein erster richtiger Schritt.

„Grundsätzlich fordern wir vom Gesetzgeber, einen Auftrag an den Gemeinsamen Bundesausschuss, die allgemeinen Verhältniszahlen in der Bedarfsplanung um 20 Prozent abzusenken“, sagte Benecke.

„Eine Umfrage unter unseren Mitgliedern hat gezeigt, dass die Patientenanfragen seit dem Coronajahr 2020 um 40 Prozent gestiegen sind“, berichtete der Bundesvorsitzende der DPtV, Gebhard Hentschel. Ein Ausbau der Behandlungskapazitäten sei deshalb dringend nötig.

Die Vertreter der Politik schlossen sich der Forderung nach einer Reform der Bedarfsplanung zur Reduzierung der Wartezeiten an. „Wir müssen konkreter werden in den Vorgaben an den G-BA, die Bedarfsplanung zu reformieren“, zeigte sich Dirk Heidenblut, Berichterstatter für Drogen- und Suchtpolitik der SPD im Gesundheitsausschuss des Bundestages, einsichtig. Seiner Ansicht nach hätte es „ein eigenes Gesetz gebraucht, keinen Anhang im GVSG“ um die Versorgung psychisch Kranker zu stärken.

Auch Kristine Lüdke, Sprecherin für Sucht- und Drogenpolitik der FDP, sieht die Verantwortung die Bedarfsplanung zu reformieren beim G-BA. Oppositionspolitiker Tino Sorge, Gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hält die langen Wartezeiten in der Psychotherapie für einen „unhaltbaren Zustand“. Er machte auf einen Bundestagsantrag von Oktober 2023 aufmerksam, in dem seine Fraktion eine bessere Versorgung von psychisch kranken Menschen forderte (Drucksache 20/8860).

PB

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