SARS-CoV-2: Infizierte Gesundheitsfachkräfte sollen notfalls weiterarbeiten

Berlin – In der Coronapandemie kann es im Notfall erforderlich sein, dass positiv auf SARS-CoV-2 getestete Mitarbeiter von Krankenhäusern, Arztpraxen oder Pflegeheimen weiterarbeiten. Das sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gestern beim Deutschen Pflegetag und heute bei einem Pressegespräch in Berlin.
Der beste Weg sei, dass ein Infizierter und die Menschen, die mit ihm in Kontakt standen, in Quarantäne bleiben, sagte Spahn. „Wenn (...) wegen Isolation und Quarantänemaßnahmen so viele dann gar nicht mehr da sind, im Krankenhaus, in der Arztpraxis, in der Pflegeeinrichtung, dass die Versorgung zusammenbricht, muss man schauen, was ist neben der bestmöglichen Lösung die zweitbeste“, sagte Spahn.
Dann könne es nötig sein, dass die Kontaktpersonen mit täglichen Tests und FFP2-Masken weiterarbeiten. Die „Rückfallrückfallposition“ sei aber, „die positiv Getesteten mit ganz besonderen Schutzvorkehrungen auch arbeiten zu lassen“.
Es muss eine absolute Ausnahmesituation bleiben
Ihm sei der Hinweis wichtig, dass diese Empfehlung des Robert Koch-Instituts (RKI) bereits seit dem Frühjahr gelte. Es soll aber ums absolute Ausnahmesituationen gehen, wenn die Versorgung ansonsten nicht mehr sichergestellt werden könne. Es sei hingegen nicht als Aufforderung an erkrankte Pflegekräfte zu verstehen, arbeiten zu gehen, betonte Spahn.
Unterstützung erhielt Spahn von Ärztevertretern. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, hält einen Einsatz infizierter Ärzte und Pfleger als letzte Maßnahme für möglich.
„Wenn es gar nicht anders geht, ist es immer noch besser, dass ein symptomfrei an COVID-19 erkrankter Arzt sich um einen Patienten kümmert, als dass sich niemand um ihn kümmert", sagte Montgomery dem Sender Phoenix. Das sei ein sehr bedauerlicher Zustand, „aber es kann sein, dass es dazu keine Alternative gibt“. Er stellte klar, dass dieses medizinische Personal sich ausschließlich um COVID-19-Patienten kümmere.
Deutschland als Leuchtturm
Deutschland stehe in der Coronakrise im Vergleich zu allen anderen Industriestaaten am besten da, sagte Montgomery. Dies sei ein Verdienst der Aufklärungsarbeit des Gesundheitsministers. „Deutschland ist schon ein Leuchtturm, und das ist sehr Jens Spahn zu danken, der sehr früh angefangen hat, die Bevölkerung auf das vorzubereiten, was jetzt passiert“, erklärte er. Viele andere Länder in unserem Kulturkreis hätten diese Pandemie völlig verschlafen.
Auch der Bundesvorsitzende des Verbands der niedergelassen Ärzte Deutschlands, Dirk Heinrich, erklärte, ein Einsatz infizierter Pflegekräfte werde sich kaum vermeiden lassen, wenn die Personalzahl nicht mehr ausreiche.
„Denn wir müssen und wollen natürlich unsere Patienten in den Praxen und Kliniken auch versorgen können“, sagte er den Sendern RTL/ntv. Er betonte aber gleichzeitig: „Das sind natürlich absolute Notmaßnahmen, und um diese zu vermeiden, sind jetzt ja diese Maßnahmen, die wir gemeinsam mit der Bevölkerung durchführen, ja absolut notwendig.“
Kritik kam von der Stiftung Patientenschutz. „Coronainfizierte weiterarbeiten zu lassen, ist der politische Offenbarungseid. Der Geist der Konzertierten Aktion wäre tot“, sagte hingegen der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Er mahnte einen Strategiewechsel weg von den standardmäßigen PCR-Corona-Tests und Quarantäneregeln in Kliniken und Heimen an.
„So werden die Krankenhäuser und Pflegeheime vor die Wand gefahren“, sagte er. Wenn bei 38 positiv getesteten Klinikmitarbeitern zusätzlich 600 Mitarbeiter in Quarantäne geschickt werden müssten, sei die Personalnot programmiert.
Brysch forderte „einen systematischen und täglichen Einsatz von Schnelltests bei allen Mitarbeitern in Krankenhäusern und Heimen“. Dann liege in 20 Minuten das Ergebnis zu einer Ansteckung vor. Ein PCR-Test müsse folgen.
Branchenvertreter hatten auf dem zweitägigen Pflegetag auf ihre Nöte aufmerksam gemacht. Zu den aktuell drängendsten Problemen zählt ein Mangel an Intensivplätzen für COVID-19-Kranke wegen zu wenigen Intensivpflegern. Auch an anderen Stellen in Kliniken und Altenheimen ist die ohnehin hohe Belastung weiter gestiegen.
Spahn sagte zum Abschluss des Pflegetags: „Diese Zusatzbelastung durch die Pandemie facht das Problem, das vorher schon da war, weiter an.“ Viele fragten sich: „Wie sollen wir das alles aushalten?“ Auf den Weg gebrachte Maßnahmen wirkten aber nicht unmittelbar. „Wir haben hier einen Marathon, keinen Sprint.“ So ließen sich Intensivpflegefachkräfte nicht „mal eben in ein paar Monaten“ ausbilden.
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