Politik

Telemedizin: Netzwerke ausbauen und Finanzierung sicherstellen

  • Freitag, 7. Juni 2024
/supamotion, stock.adobe.com
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Berlin – Um telemedizinische Angebote in der Krankenhauslandschaft nachhaltig und flächendeckend zu verankern, braucht es ein Umdenken hin zu mehr Netzwerkstrukturen sowie eine sichere Finanzierung. Darin waren sich Teilnehmer einer Diskussionsrunde heute auf dem 14. Nationalen Fachkongress Telemedizin einig. Der Kongress wurde von der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin (DGTelemed) veranstaltet.

Um die Krankenhausversorgung auch in Zukunft sicherzustellen, müsse man vom Standortdenken wegkommen, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß. Bislang gelten Vorgaben zur Erbringung und Abrechnung von Leistungen im stationären Bereich für einen Standort eines Krankenhauses. Der Vereinbarung der Definition von Standorten der Krankenhäuser und ihrer Ambulanzen zwischen dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der DKG zufolge heißt dies, dass mehrere nicht zusammenhängende Gebäude nicht mehr als 2.000 Meter Luftlinie voneinander entfernt sein dürfen.

Theoretisch seien heute schon Ausnahmen möglich, diese würde die GKV aber kaum zulassen, so Gaß. Hinsichtlich der Krankenhausreform sei ein Umdenken aber nötig. So seien etwa vor allem die geplanten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen auf andere Krankenhäuser und Zentren angewiesen, die sie bei der Versorgung etwa telemedizinisch unterstützen würden. Es brauche Regelungen, die dafür sorgen, dass Versorgung zulässig werde, auch wenn sie nicht ausschließlich am eigenen Standort geleistet werde. Statt der Festlegung auf einen Standort müssten gestufte Versorgungsnetzwerke mit Zentren stärker etabliert werden. Hier werden auch finanzielle Konzepte benötigt, forderte Gaß. Krankenhäuser müssten teleme­dizinische Angebote auch refinanzieren können

Man müsse auch mehr Spielraum für Innovation zulassen und nicht jegliche Ideen aufgrund von strengen Personal- oder Verwaltungsvorgaben im Keim ersticken, forderte Gaß. Insbesondere für Telemedizin brauche es mehr Gestaltungsfreiheit. Die Versorgung sollte sich mehr auf die Ergebnisqualität und weniger auf Prozesskriterien fokussieren.

Wettbewerbsvorteil und höhere Patientensicherheit

Warum telemedizinische Angebote künftig immer wichtiger werden, erklärte der Chefarzt der Anästhesiologie am St. Augustinus-Krankenhaus in Düren, Markus Huppertz-Thyssen. Die Zusammenarbeit mit Spezialistinnen und Spezialisten in bestimmten Bereichen erhöhe die Patientensicherheit. Zudem könne er damit seinen Mitarbeitenden eine bessere Ausbildung anbieten. Insbesondere jungen Weiterzubildenden sei weitere Expertise für ihre Weiterbildung wichtig.

Auch Huppertz-Thyssen finde es als Chefarzt gut und wichtig, von anderen Kolleginnen und Kollegen etwa von der Universitätsmedizin lernen zu können. Dieses lebenslange Lernen wolle er seinem Team vorleben. Huppertz-Thyssen zeigte sich überzeugt, dass es in einigen Jahren ein Wettbewerbsvorteil sei, wenn vor allem kleinere Krankenhäuser Telemedizin anböten. Und: „Wir nehmen uns keine Patienten gegenseitig weg, sondern sind froh, wenn wir sie versorgt bekommen“, sagte er.

Der CDU-Politiker und Bundestagsabgeordnete Erwin Rüddel betonte ebenfalls, dass man dazu übergehen müsse, analoge und digitale Behandlungen künftig gleichwertig zu behandeln. Telemedizin und Videosprechstunden werden für die Versorgung benötigt. Entsprechend müsse auch das dritte Digitalgesetz zum Umbau der Gematik bald kommen, sagte Rüddel. „Wir brauchen die Gematik, die Standards definiert und diese auch durchsetzt“, so Rüddel. Der Wettbewerb zwischen Anbietern auf der anderen Seite werde ebenfalls benötigt, sagte Rüddel.

Nachhaltige Finanzierungsmodelle benötigt

Für telemedizinische Versorgung braucht es aber bessere Finanzierungsmöglichkeiten, so die Diskussionsteilnehmer. Telemedizinische Projekte wurden in der Vergangenheit oftmals vom Innovationsfonds des Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) gefördert, erklärte der Leiter der Stabstelle Digitale Transformation an der Berliner Charité, Peter Gocke. Nur ganz wenige davon seien nach der Projektlaufzeit in der Regelversorgung gelandet. Diese Form der Finanzierung sei deshalb nicht nachhaltig, sagte Gocke.

Es brauche künftig Projekte, die insbesondere die elektronische Patientenakte (ePA), das E-Rezept sowie die elektronische Identität von Patientinnen und Patienten nach vorne bringen würden, forderte Gocke. Er würde kein Telemedizinprojekt mehr fördern lassen, dass sich nicht an den entsprechenden Plattformen beteiligen würde.

Auch Gino Liguori, Abteilungsleiter für den Bereich Digital Health und Innovation beim Klinikkonzern Vivantes, bemängelt nachhaltige Finanzierungsprobleme bei telemedizinischen Vorhaben. Zudem fehle oft das Netzwerkdenken. Vivantes sei zwar bereits in Berlin gut vernetzt, wolle diese Struktur aber auch bis Brandenburg erweitern. Hier würden aber entsprechende Anreizsysteme fehlen, kritisierte Liguori. Auch er setzt sich für verbindliche Standards ein, sodass Projekte wie etwa die Interoperabilitätsplattform von Vivantes und der Charité keine Leuchtturmprojekte mehr bleiben würden, sondern Teil der Regelversorgung werden.

cmk

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