Politik

Versorgungsgesetz: Hitzige Debatte im Bundestag und viele Nachbesserungswünsche

  • Freitag, 28. Juni 2024
/picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Markus Schreiber
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Berlin – Für eine hitzig geführte Diskussion im Bundestag sorgte heute die erste Lesung des Entwurfs für das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG). Die Oppositionsparteien kritisierten, die Regelungen gingen nicht weit genug – verwiesen wurde zudem darauf, dass etliche eigentlich vorgesehene Maßnahmen nicht mehr im aktuellen Kabinettsentwurf enthalten sind.

Seitens der Ampelkoalition wurde entgegengehalten, man sorge durchaus für deutliche Verbesserungen und werde im parlamentarischen Verfahren weitere Optimierungen diskutieren. Nach der Debatte überwiesen die Abgeordneten die GVSG-Vorlage an die Ausschüsse – der Gesundheitsausschuss ist bei den weiteren Beratungen federführend.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betonte, man stehe vor „erheblichen Herausforderungen“. Es gelte, auch künftig eine gute medizinische Versorgung zu erreichen und dies trotz der Auswirkungen des demo­grafischen Wandels, des Ärztemangels und des steigenden Behandlungsbedarfes. Insbesondere müsse man die Probleme bei der hausärztlichen Versorgung „in den Griff bekommen“.

Hierzu verwies Lauterbach unter anderem auf die Entbudgetierung für die Hausarztpraxen – die „Geißel“ der Budgetgrenzen werde man beenden. Wenn es ohnehin zu wenige Hausärztinnen und Hausärzte gebe, könne es nicht sein, ihnen nicht alle erbrachten Leistungen zu bezahlen. Zudem stelle man bestimmte Vergütungen auf Pauschalen um und reduziere die die Praxen belastenden Arzneimittelregresse.

Das GVSG-Gesetzespaket werde außerdem für Verbesserungen im Bereich der Hilfsmittelversorgung sowie der psychotherapeutischen Versorgung sorgen, so der Bundesgesundheitsminister. Lauterbach hatte einige in der Koalition umstrittene Punkte aus dem GVSG herausgelöst – in den parlamentarischen Beratungen sollen sie aber erneut aufgerufen werden.

Dieses Vorgehen griff die Opposition an. So monierte der Gesundheitspolitiker Tino Sorge (CDU), es sei zwar viel angekündigt worden, das nun vorliegende Gesetz sei aber „entkernt“. Zudem werde bei der Entbudgetierung mit zweierlei Maß gemessen, da die Budgetgrenzen für Fachärzte unangetastet bleiben. Auch Alexander Föhr (CDU) beklagte, von den ursprünglich vorgesehenen Regelungen sei „nicht allzuviel übrig geblieben“. In der jetzigen Form biete das GVSG „kaum Lösungen“.

Man werde im Bundestag das „ohnehin schon gute Gesetz am Ende zu einem noch besseren machen“, entgeg­nete Armin Grau (Grüne). Dirk-Ulrich Mende (SPD) argumentierte ähnlich: „Klar“ fehlten noch Regelungen, diese werde man aber gemeinsam auf den Weg bringen. Gegenvorschläge der Union konterte er mit dem Hinweis, Maßnahmen ohne Gegenfinanzierungskonzept einzubringen, sei „ein bisschen wenig“.

Die Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier, erklärten anlässlich der ersten Lesung des GVSG, dieses stelle das „wichtigste Reformvorhaben für die Hausärztinnen und Hausärzte seit über zehn Jahren“ dar.

Nun müssten alle Beteiligten an einem Strang ziehen, die „letzten Nachbesserungen vornehmen und den Maß­nahmen dann zügig Leben einhauchen“. Damit die Hausarztpraxen in der von der Regierungskoalition intendier­ten Weise profitieren, müssten noch Anpassungen erfolgen – insbesondere bei der Ausgestaltung des Berech­nungs­mechanismus bei der Entbudgetierung.

„Die Budgetierung ist Gift für das Gesundheitswesen. Diese Einsicht wächst auch in der Politik. Die im Koaliti­onsvertrag vereinbarte Abschaffung der Zwangsrabatte bei den Hausärztinnen und Hausärzten ist lange über­fällig und muss jetzt mit dem GVSG endlich kommen“, betonte der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dirk Heinrich. Aber auch die Budgets für die fachärztliche Versorgung müssten aufgelöst werden, dies könne mit Blick auf die angespannte Haushaltslage schrittweise passieren.

Heinrich verwies darauf, dass es aus Regionen und Fachgebieten, in denen die Budgetierung zeitweise aufge­hoben oder ausgesetzt wurde, bislang keine stichhaltigen Hinweise darauf gebe, dass dies zu einer ungerecht­fertigten Leistungsausweitung führen würde.

Psychotherapeuten fordern Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung

Zum Auftakt der parlamentarischen Beratungen zum GVSG forderte die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) erneut, dass die Finanzierungslücke bei der psychotherapeutischen Weiterbildung geschlossen wird.

„Es steht und fällt mit der Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung, ob künftig genügend Fachpsychotherapeutinnen und -therapeuten für die psychotherapeutische Versorgung vor Ort zur Verfügung stehen“, mahnte heute BPtK-Präsidentin Andrea Benecke. Das Parlament müsse die ausreichende Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung in Praxen, Weiterbildungsambulanzen und Kliniken sicherstellen.

Bislang greife der Gesetzesentwurf hier deutlich zu kurz, kritisierte auch der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP). Die Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung müsse gesetzlich geregelt werden, um so die langfristige Versorgung der Bevölkerung mit psychologisch-psychotherapeutischen Leistungen zu sichern.

Kritik kam auch seitens der Krankenkassen. „Der vorliegende Gesetzesentwurf ist in seiner jetzigen Form um alle innovativen Versorgungelemente bereinigt worden“, sagte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann. Man appelliere an die Koalitionäre und die Fraktionen, diese unbedingt wieder in das Gesetz aufzunehmen.

Sollte bei der hausärztlichen Versorgung auf den Quartalsbezug bei der Vergütung verzichtet werden, bedarf es aus Sicht des AOK-Bundesverbandes zudem ergänzender Regelungen zur alternativen Vervollständigung des RSA-Datensatzes und zur Sicherstellung der korrekten Erfassung von Morbidität im RSA-Klassifikationsmodell.

„Nach zig Anläufen und Entwürfen liegt das GVSG nun stark gerupft als fertiger Gesetzentwurf vor. Jetzt muss es der Bundestag richten. Die Betriebskrankenkassen appellieren an die Abgeordneten, sich auf die Versicherten zu besinnen und echte Versorgungsverbesserungen durchzusetzen“, sagte Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbandes.

Das „ziellose Verteilen von GKV-Geldern“ müsse endlich ein Ende haben, denn die knappen Mittel würden dringend für echte Strukturreformen benötigt, so Knieps.

bee/aha

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