Verbände warnen vor Prostitutionsverbot wie in Frankreich

Berlin – Verbände und Beratungsstellen haben vor einem Verbot der Prostitution in Deutschland nach dem Vorbild von Schweden oder Frankreich gewarnt. Eine sich unter Bundestagsabgeordneten verschiedener Parteien abzeichnende Debatte darüber erfülle Fachleute mit tiefer Sorge, erklärte die Deutsche Aidshilfe heute zusammen mit anderen Organisationen in Berlin.
Unter anderem werde für den kommenden SPD-Bundesparteitag im Dezember ein entsprechender Antrag erwartet. Die Aidshilfe verwies auf Studien, nach denen jede Form der Kriminalisierung von Prostitution das Risiko von Prostituierten erhöhe, Opfer von Gewalt oder anderer Straftaten zu werden und sich sexuell übertragbare Infektionen zuzuziehen. Das Angebot sexueller Dienstleistungen werde nicht kleiner, sondern verlagere sich ins Verborgene.
Zudem würden prekäre Lebens- und Arbeitsverhältnisse verschärft, auch gebe es darüber hinaus verfassungsrechtliche Bedenken. Wer wirklich etwas für Menschen in der Sexarbeit tun wolle, müsse ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessern. Das gelte ganz besonders für Frauen mit aufenthaltsrechtlichen Problemen und ohne Krankenversicherung.
Die zuständige Fachreferentin der Diakonie, Johanna Thie, erklärte, die Diskussion über ein Prostitutionsverbot gehe in die völlig falsche Richtung. Gerade bereits marginalisierte Gruppen wie Migranten, Transsexuelle oder Drogenkonsumenten würden durch ein Verbot geschädigt. „Was die Menschen in der Prostitution schützen soll, könnte ihnen am Ende zum Verhängnis werden“, sagte sie.
Die Warnung vor dem Prostitutionsverbot äußerten die Gruppen anlässlich des internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen am Montag. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) forderte anlässlich dieses Tags eine vorbehaltlose Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland.
Dieses 2017 von Deutschland ratifizierte Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt erfordere einen Ausbau des Hilfesystems für den Gewaltschutz für Frauen.
AWO-Bundesvorstandschef Wolfgang Stadler kritisierte, bundesweit mangle es an einer ausreichenden Zahl von Plätzen in Frauenhäusern und auch an den notwendigen Fachberatungsstellen. Zudem fehlten Angebote für Frauen mit speziellen Hilfebedarfen aufgrund chronischer Erkrankung, Sucht, Behinderung oder besonderen Pflegebedarfen. Laut AWO suchten 2018 mehr als 7.500 Frauen und weit über 10.600 Kinder Schutz und Hilfe in Frauenhäusern.
Die Vizechefin der Unionsbundestagsfraktion, Nadine Schön (CDU), verwies darauf, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte finanzielle Unterstützung des Bundes für den Bau, die Modernisierung und Sanierung von Frauenhäusern ab dem kommenden Jahr umgesetzt werden solle. Dafür seien 30 Millionen Euro bereit gestellt.
Die stellvertretende Fraktionschefin der Linken, Cornelia Möhring, forderte, die Bundesregierung müsse einen Gesamtüberblick zu den tatsächlichen Fällen häuslicher und sexualisierter Gewalt schaffen, die polizeibekannten Zahlen reichten nicht aus.
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