Ärzteschaft

Vier von zehn Medizinischen Fachangestellten in Praxen erwägen Jobwechsel

  • Dienstag, 5. September 2023
/ISOK-photography, stock.adobe.com
/ISOK-photography, stock.adobe.com

Bochum/Berlin – Zwei Drittel der in Arztpraxen tätigen Medizinischen Fachangestellten (MFA) sind unzufrie­den mit ihrem Gehalt und denken über einen Jobwechsel oder sogar eine Aufgabe des Jobs nach. Das gab der Verband Medizinischer Fachberufe (VMF) heute bekannt.

Der Anteil der MFA, die in den vergangenen zwölf Monaten mindestens mehrere Male im Monat daran ge­dacht hätten, den Arbeitgeber zu wechseln oder aus dem Job auszusteigen, liege bei knapp 40 Prozent, sagte die Präsidentin des VMF, Hannelore König, heute.

„Wir verlieren schon jetzt zu viele MFA an Kliniken und Pflegeeinrichtungen“, sagte König. Bei den Gehältern, die außerhalb der Praxen gezahlt werden, fürchte man „eine weitere enorme Abwanderungswelle“. Sie be­ton­te, die beträchtlichen Lohndifferenzen von mehr als 30 Prozent könne man als Tarifpartner nicht überwinden.

Laut dem Verband erhalten MFA im Öffentlichen Dienst ab März 2024 einen Bruttostundenlohn von 17,34 Euro. Die AOK biete aktuell 17,26 Euro/Stunde, die IKK 17,74 Euro als Einstiegsgehalt für MFA. Damit böten selbst die Krankenkassen, die bei den Honorarverhandlungen mit der Ärzteschaft auf Sparflamme schalteten, ihren angestellten MFA mehr Geld, bemängelte der VMF.

Dringend nötig sei nun eine staatliche Gegenfinanzierung. „Die Bundesregierung muss endlich handeln und die Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zur Stärkung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Ge­sundheitsberufe – auch für die Beschäftigten im ambulanten Gesundheitswesen – mit konkreten Maßnahmen auf den Weg bringen“, so die VMF-Forderung.

Unterstützung erhalten die MFA dabei immer wieder auch aus der Ärzteschaft. „Unsere MFA leisten hervorra­gende, engagierte und auch schwere Arbeit. Das ist bewundernswert. Ich freue mich jeden Tag auf die sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit mit meinen MFA. Diese Teamarbeit trägt mich durch den Tag“, berichtet der Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes Fachärzte Deutschlands (SpiFa) und Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dirk Heinrich.

Auch die Kinder und Jugendärzte zeigten sich solidarisch. „Unsere Praxisteams sind das Herzstück der medizi­ni­schen Versorgung“, sagte Stefan Renz, Vizepräsident des BVKJ (Berufsverband der Kinder- und Jugend­ärzt*innen). Es sei eine Schande, dass ihre unverzichtbare Arbeit immer noch nicht fair im Honorarsystem anerkannt werde. „Wir stehen hinter unseren Beschäftigten und kämpfen für ihre Rechte.“

Bereits gestern hatten die Bundesärztekammer, Ärztekammern und weitere Kassenärztliche Vereinigun­gen ihre Solidarität mit den MFA bekundet. Der VMF ruft zu einer Protestaktion am kommenden Freitag, den 8. September 2023, in Berlin auf. Ab 13 Uhr findet eine Kundgebung vor dem Brandenburger Tor statt.

In der Diskussion um die aktuellen Finanzierungsgespräche für die Zukunft der ambulanten Versorgung in Deutschland erneuert Heinrich heute seine Forderung: Die Praxen müssten im nächsten Jahr mindes­tens 15 Prozent mehr Budget erhalten.

„Personalkosten sind mit rund 60 bis 70 Prozent der mit Abstand größte Kostenblock einer Arztpraxis“, sagte er. Die deutlichen Tarifsteigerungen bei den MFA in den vergangenen Jahren seien bislang noch nicht gegen­finanziert. Viele Praxen wollten angesichts der Inflation ihren MFA das Gehalt aufstocken, könnten das aber wirtschaftlich nicht mehr leisten.

Heinrich wies heute auch die Interpretation der Krankenkassen der Zahlen des Statistischen Bundesamts zum Reinertrag der Arztpraxen zurück und bezeichnete diese als „grob falsch und bewusst irreführend“. Die Zahlen suggerierten ein ärztliches Pro-Kopf-Einkommen. Der Reinertrag bemesse sich aber pro Praxis, müsse also unter mehreren Ärzten aufgeteilt werden.

Vom Reinertrag müssten außerdem Kranken- und Rentenversicherung zu 100 Prozent (anders als bei Ange­stellten) und Steuern in Höhe von rund 35 Prozent abgezogen werden. Dazu kommen Finanzierungskosten für die Praxis und Mittel für notwendige Investitionen. „Ertrag ist eben nicht dasselbe wie Einkommen“, so Heinrich.

hil/may

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung