Ärzte streiten über weiteren Weg der Reform des Medizinstudiums

Berlin – Gestern hatte die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) der Politik geraten, das langjährige Vorhaben einer Reform des Medizinstudiums vorerst aufzugeben – zumindest auf Basis des derzeit vorliegenden Entwurfs aus dem Bundesgesundheitsministerium. Der Aufruf sorgte heute für Wirbel und für Widerspruch.
Die AWMF hatte erklärt, man sei nach „eingehender und wiederholter Beratung mit den ihr angehörenden Fachgesellschaften und intensiver Befassung in ihrer zuständigen Kommission und zahlreichen Dialogen mit weiteren Akteuren“ zu diesem Entschluss gekommen.
Der aktuell vorliegende Entwurf gestalte das Medizinstudium für alle Beteiligten zeitlich und finanziell aufwendiger, ohne dabei substanziell zu einer Verbesserung der Ausbildungsqualität beizutragen. Es stünde sogar zu befürchten, dass sich diese in Teilen reduzieren werde.
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) sieht das anders. Aus ihrer Sicht ist der aktuelle Referentenentwurf als mehrheitsfähiger Kompromiss inhaltlich zwischen Bund und Ländern unstrittig und in fortlaufender Konsultation mit dem medizinischen Fakultätentag ausgearbeitet worden. Zu klären sei alleine noch die Frage der Finanzierung, hieß es.
„Wir als allgemeinmedizinische Fachgesellschaft haben uns wiederholt in die Debatte um die Ärztliche Approbationsordnung eingebracht und fordern heute genauso wie gestern, die Pläne endlich umzusetzen“, sagte DEGAM-Präsident Martin Scherer.
Es sei für die Sicherung der zukünftigen medizinischen Versorgung in Deutschland von immenser Bedeutung, den Stillstand bei der Approbationsordnung schnellstmöglich zu überwinden. „Deshalb protestieren wir entschieden gegen die Forderung der AWMF, den Prozess jetzt zu beerdigen.“
Ähnlich bewerteten das Haus- und Kinderärzte sowie Medizinstudierende. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier vom Hausärztinnen- und Hausärzteverband, Michael Hubmann vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen, Giulia Ritter, Präsidentin der Bundesvertretung der Medizinstudierenden, und Pascal Lemmer, Vizepräsident für Externes der Bundesvertretung der Medizinstudierenden, zeigten sich verwundert über den Vorstoß der AWMF.
„Wir halten den Vorstoß im Sinne der Qualität des Medizinstudiums sowie der Zukunft der ambulanten Versorgung für falsch und verantwortungslos“, schreiben sie in einem Brief an die AWMF. Damit legitimiere die AWMF im Namen der Mitgliedsorganisationen das Scheitern der „so dringend benötigten Reform“. Die Verbände rufen die AWMF „noch einmal eindringlich“ auf, die Folgen des Vorstoßes zu überdenken.
Für Haus-, Kinderärzte und Medizinstudierende ist eine Reform der Ärztlichen Approbationsordnung zwingend notwendig, um das Medizinstudium zu modernisieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass auch zukünftig eine flächendeckende und qualitativ hochwertige primärärztliche Versorgung sichergestellt werden kann.
Das Kompromisspapier aus Dezember 2023 sei das Ergebnis einer jahrelangen Konsensfindung auf Landes- und Bundesebene sowie über die Ressortgrenzen Gesundheit und Wissenschaft hinweg, hieß es. Umso bedauerlicher sei es, dass sich Bund und Länder bis heute nicht auf eine Finanzierung der Reform hätten einigen können.
Die AWMF nehme mit ihren Äußerungen billigend in Kauf, die jahrelangen Bemühungen verschiedener Organisationen, sowohl aus dem studentischen als auch dem ärztlichen Bereich, zum Scheitern zu bringen und einen über Jahre mühsam gefundenen Kompromiss über den Haufen zu werfen. Aus ihrer Sicht rechtfertige kein inhaltlicher Kritikpunkt das Abbrechen der Reform.
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