Arztinformationssystem: KBV warnt vor Verordnungsausschlüssen durch die Hintertür
Berlin – Das geplante Arztinformationssystem, mit dem Ärztinnen und Ärzte besser über die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung bei neuen Arzneimitteln informiert werden sollen, darf Ärzte in ihrer Verordnungsfreiheit nicht einschränken. Das hat der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, in einem Schreiben an die Mitglieder des Bundestagsgesundheitsausschusses betont.
Gassen warnte wie bereits in einem früheren Brief an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) davor, das Arztinformationssystem so auszugestalten, dass es neben der Information über die Ergebnisse der Nutzenbewertung sowie die sichere Anwendung der neuen Arzneimittel auch Hinweise zur wirtschaftlichen Arzneimittelverordnung enthält. Für die Ärzte würde das eine verschärfte Regressbedrohung bedeuten, die die ärztliche Verordnungsentscheidung beeinflusse und in vielen Fällen einem Verordnungsausschluss gleichkomme.
Dieselbe Wirkung hätte es nach Ansicht von Gassen, wenn die Ärzte künftig gezwungen würden, Subgruppen zu kodieren, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bei der frühen Nutzenbewertung einen Zusatznutzen festgestellt hat. Diese Forderung hatten die gesetzlichen Krankenkassen erhoben.
Nutzenbewertung bildet therapeutische Realität nicht ab
Es sei unbedingt darauf zu achten, dass aus der Information für die Ärzte nicht „faktische Verordnungsausschlüsse aufgrund von Hinweisen zur Wirtschaftlichkeit oder gar kassengesteuerte Verordnungskontrolle mit einer nochmals erheblichen Verschärfung der Regressbedrohung der Ärzte und einer Einschränkung der Therapiefreiheit werden“, heißt es dazu auch in einem Positionspapier der KBV zum Arztinformationssystem. Die frühe Nutzenbewertung bilde anders als evidenzbasierte Therapieleitlinien die medizinisch-therapeutische Realität nicht vollständig ab, schreibt die KBV dort weiter. Denn sie basiere auf klinischen Studien mit einer hochselektierten Studienpopulation, die häufig im Versorgungsalltag so nicht anzutreffen sei.
Die KBV fordert zudem, dass Ärzte durch die Softwareanpassungen für das Arztinformationssystem nicht mit zusätzlichen Kosten belastet werden dürften. Entweder müssten die Krankenkassen zusätzliche Kosten übernehmen oder es müsse der KBV gesetzlich erlaubt werden, selbst eine geeignete Software zu entwickeln. Diese Forderung hatte der KBV-Vorsitzende Gassen bereits im Zusammenhang mit dem Medikationsplan gestellt, für dessen Implementierung verschiedene Softwarehäuser Gebühren verlangen.
Die KBV erneuerte in ihrem Positionspapier darüber hinaus ihre alte Forderung, dass Krankenkassen und Pharmaunternehmen mit ihrem verhandelten Erstattungsbetrag nach der Nutzenbewertung die wirtschaftliche Verordnung eines Arzneimittels im gesamten Anwendungsgebiet ermöglichen und somit die Notwendigkeit von Wirtschaftlichkeitsprüfungen überflüssig machen sollen.
Arzneimittelnovelle im parlamentarischen Verfahren
Die Regelungen zum Arztinformationssystem, das der G-BA entwickeln soll, sind Teil des Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes, das zurzeit das parlamentarische Verfahren durchläuft. Das Bundesgesundheitsministerium, das den Gesetzentwurf vorgelegt hat, betonte, dass das Arztinformationssystem sowohl Wirtschaftlichkeitsaspekte als auch Informationen darüber enthalten soll, welchen Zusatznutzen ein Präparat für welche Patientengruppe hat.
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