Darmkrebs-Screening: Krankenkassen fordern Mitglieder zur Vorsorge auf

Köln – Wer älter als 50 Jahre ist, soll künftig einen Brief seiner Krankenkasse erhalten, der auf das Angebot des Darmkrebs-Screenings aufmerksam macht. Eine Broschüre informiert über Vor- und Nachteile dieser Vorsorgeuntersuchung und unterstützt die Entscheidungsfindung. Das Einladungsschreiben sowie die Entscheidungshilfe hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) jetzt veröffentlicht.
Zuvor wurden sie von potenziellen Empfängern und Medizinern geprüft. Zwar regte die Infobroschüre die Testpersonen dazu an, über die Darmspiegelung nachzudenken. Die Teilnahmebereitschaft blieb dennoch nach dem Lesen im Wesentlichen unverändert. Ob auf diesem Weg die Beteiligung an der Darmkrebsvorsorge verbessert werden kann, bleibt abzuwarten.
Vorgaben einer 2013 verabschiedeten Gesetzesänderung folgend, wird die Darmkrebs-Früherkennung derzeit vom Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) reformiert: Angelehnt an die Mammographie zur Früherkennung von Brustkrebs soll ein organisiertes Programm zur Darmkrebs-Früherkennung aufgebaut werden, zu dem die jeweilige Krankenkasse ihre Versicherten künftig schriftlich einlädt. Der G-BA hatte das IQWiG daher beauftragt, die beiden Texte zu entwerfen.
Eine zentrale gesetzliche Anforderung an das neue Screeningmodell ist, dass es Versicherten eine informierte Entscheidung ermöglichen soll. Dazu sollen die Vor- aber auch die Nachteile der Früherkennung allgemein verständlich, umfassend und ausgewogen in einer Broschüre dargestellt werden. Aufgrund der Unterschiede beim Erkrankungsrisiko für Männer und Frauen haben die Wissenschaftler zwei Entscheidungshilfen im Umfang einer je 20-seitigen DIN-A5-Broschüre erarbeitet. In die jetzt als Abschlussbericht veröffentlichte Fassungen sind die Ergebnisse des Stellungnahmeverfahrens ebenso eingeflossen wie die des abschließenden quantitativen Nutzertests (Online-Survey) durch 1.000 Männer und Frauen im fraglichen Alter.
Zu den Eckpunkten des Auftrags gehört zudem, dass Männer ab einem Alter von 50 und Frauen ab 55 Jahren zwei Koloskopien im Mindestabstand von zehn Jahren in Anspruch nehmen können. Zudem können sie ihren Stuhl auf nicht sichtbares Blut untersuchen lassen, wobei ein neues, immunologisches Verfahren (iFOBT) zum Einsatz kommt.
Auch Unsicherheit muss kommuniziert werden
Die Darstellung der Vor- und Nachteile ist bei der Darmkrebs-Früherkennung noch anspruchsvoller als bei der der Mammographie zur Brustkrebsfrüherkennung. „Das Angebot beinhaltet mit dem immunologischen Stuhltest und der Koloskopie zwei verschiedene Testmethoden, deren entscheidende Vor- und Nachteile bislang nur abgeschätzt werden können“, sagt Klaus Koch, Ressortleiter für Gesundheitsinformation beim IQWiG. „Auch diese Unsicherheit muss kommuniziert werden“.
Die Infobroschüre umgeht daher auch Vereinfachungen bei Angaben zu Häufigkeiten. Ein Beispiel: Bezogen auf einen Zeitraum von zehn Jahren erkranken von 1.000 Frauen im Alter von 55 Jahren ohne Früherkennung acht an Darmkrebs; mit Koloskopie sind es drei bis sieben. Im abschließenden Nutzertest hat sich gezeigt, dass diese Darstellung der Vor- und Nachteile bezogen auf 1.000 Personen den Teilnehmern das persönliche Risiko gut verdeutlichen kann.
So bewerten Männer und Frauen die neue Broschüre
Mehrheitlich bescheinigten Männer und Frauen den Texten, „gut“ oder „sehr gut verständlich“ zu sein. Nach dem Lesen der Broschüre hatten 67 Prozent der Männer und 55 Prozent der Frauen das Gefühl, ihnen werde zur Teilnahme am Screening geraten. Die Mehrheit der Befragten gab an, ihnen sei beim Lesen bewusst geworden, dass sie jeweils ihre persönliche Entscheidung für oder gegen die Teilnahme am Screening treffen können. An der Bereitschaft, einen Stuhltest oder eine Darmspiegelung durchführen zu lassen, änderte die Broschüre jedoch nichts. Diese blieb bei den 1.000 befragten Männern und Frauen auf einem ähnlichen Niveau wie vor dem Lesen, heißt es im Abschlussbericht. Etwa 55 Prozent der Männer wie auch der Frauen waren entschlossen, eine Darmspiegelung machen zu lassen, etwa zehn Prozent lehnten die Darmspiegelung ab und etwa 35 Prozent waren unentschlossen.
VDBW hält Anschreiben für nicht zielführend
Ob sich mithilfe dieser Maßnahme die Teilnahmezahlen am Darmkrebs-Screening dennoch erhöhen werden, bleibt abzuwarten. Wolfgang Panter, Präsident des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW), hält dieses Vorgehen nicht für zielführend. Der VDBW habe dem GKV-Spitzenverband vorgeschlagen, ein freiwilliges Angebot für eine Darmkrebsvorsorge über den Betriebsarzt anzubieten. Denn ihre Erfahrung zeigt ihnen, dass freiwillige Vorsorgeangebote im Betrieb sehr gut angenomen werden. Die GKV habe dies jedoch abgelehnt.
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