Politik

Krankenhäuser versorgen mehr geriatrische Patienten

  • Mittwoch, 19. Juli 2017
Für die endoprothetische Gelenkversorgung können künftig Qualitätsverträge zwischen Kliniken und Krankenkassen geschlossen werden. /Bergringfoto, stock.adobe.com
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Berlin – Die Zahl der über 70-jährigen multimorbiden Patienten im Krankenhaus ist zwischen 2006 und 2015 von 1,1 auf zwei Millionen angewachsen. Das geht aus dem Barmer-Krankenhausreport 2017 hervor, der heute in Berlin vorgestellt wurde. Grund sei insbesondere die Zunahme des Anteils der Geriatriepatienten an den Patienten über 70 Jahren, heißt es darin. Die Zahl habe sich im genannten Zeitraum um acht Prozentpunkte von 22 auf 30 Prozent erhöht.

Den Schwerpunkt des Reports bildet in diesem Jahr die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (GFKB). Sie wird im Krankenhaus im Anschluss an eine akute Erkrankung bei multimorbiden Patienten über 70 Jahren vorgenommen. Sie hat das Ziel, den Patienten nach einer Operation oder einem Schlaganfall wieder so fit zu machen, dass er nach Hause entlassen werden kann. Von 2006 bis 2015 stieg die Anzahl der Geriatriepatienten mit einer solchen Komplexbehandlung um 180 Prozent an, von 79.600 auf 222.600 Betroffene.

„Das Finanzierungssystem setzt die falschen Anreize“

GFKB werden über Fallpauschalen abgerechnet. Die Bezahlung richtet sich nach der Dauer des Aufenthaltes. Die Fallpauschalen erhöhen sich nach sieben, 14 und 21 Behandlungstagen. „Dieses starre Finanzierungssystem setzt für die Krankenhäuser die falschen Anreize“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Barmer, Christoph Straub, bei der Präsentation des Reports. Der zeige, dass die Zahl der Entlassungen nach 14 beziehungsweise 21 Tagen deutlich ansteige. „Das finanzielle System formt die Versor­gung, nicht der individuelle Bedarf“, sagte Straub und forderte, die Finanzierung der GFKB flexibler zu gestalten und am individuellen Bedarf auszurichten.

Regional werden GFKB bundesweit unterschiedlich oft angewandt: in Bayern am unteren Ende der Skala bei 4,3 Prozent der Geriatriepatienten und in Hamburg am oberen Ende bei 24,3 Prozent. Der Krankenhausreport gibt Hinweise darauf, dass eine GFKB einer klassischen Rehabilitationsbehandlung qualitativ nicht überlegen ist. Von den Patienten mit einem Oberschenkelhalsbruch wurden 47 Prozent nach einer Komplexbehandlung und 40 Prozent nach einer klassischen Rehabilitation pflege­bedürftig. Dabei sei die Krankheitslast der jeweiligen Patienten herausgerechnet worden, erklärte Boris Augurzky vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, einer der Autoren des Reports.

„Die GFKB im Akutkrankenhaus weist im Vergleich zur Versorgung in klassischen Rehaeinrichtungen einen geringeren Behandlungserfolg auf. Daher sollte die Komplex­behandlung nur dann zum Einsatz kommen, solange der Patient noch einer Kranken­haus­behandlung bedarf“, betonte Straub. Dieses Thema sei auch ökonomisch relevant, sagte Augurzky. Denn eine GFKB bei Oberschenkelhalsbruch mit 14 Behandlungstagen sei um 950 Euro teurer als eine klassische Rehabilitation, die je Geriatriepatient im Schnitt 3.100 Euro koste.

Mehr Fachabteilungen – besseres Behandlungsergebnis

Augurzky erklärte, dass das Behandlungsergebnis bei Oberschenkelhausfrakturen in Krankenhäusern mit mindestens fünf Fachabteilungen besser sei als bei Kranken­häusern mit weniger Abteilungen. Das Risiko, im Anschluss an die Behandlung in ein Pflegeheim überwiesen zu werden, liege bei diesen Krankenhäusern um sechs Prozent­punkte niedriger als bei Krankenhäusern mit weniger als fünf Abteilungen. Grund dafür sei, dass die multimorbiden Patienten in einem interdisziplinären Team besser behandelt werden könnten.

Allgemein werde die Altersmedizin künftig weiter an Bedeutung gewinnen, sagte Augurzky. Zudem werde sich das Krankheitsspektrum hin zu mehr multimorbiden Patienten verändern. Straub forderte, schon heute die nötigen Strukturen zu ent­wickeln, um in der Zukunft Geriatriepatienten adäquat behandeln zu können. Denn bis zum Jahr 2050 werde die Anzahl der Menschen in der Generation 70plus um 46 Prozent anwachsen.

fos

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