Neue Diskussion um Arzneimittelkosten für Chroniker

Berlin – Ein klassisches Tauschgeschäft hat der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Karl Lauterbach, der CDU angeboten: Danach wäre seine Partei bereit, das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) betriebene Verbot des Versandhandels rezeptpflichtiger Medikamente zu unterstützen. Im Gegenzug soll die CDU jedoch zustimmen, dass chronisch Kranke keine Zuzahlungen mehr für ihre Arzneimittel leisten müssen. Gröhe möchte den Versandhandel verbieten, um die ortsansässigen Apotheken zu erhalten.
Lauterbach begründete seinen Vorstoß in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) von heute wie folgt: Das von Gröhe betriebene Verbot des Versandhandels benachteilige chronisch Kranke, weil diese bei Bestellungen in ausländischen Versandapotheken einen Rabatt erhalten könnten. Sollte die SPD dem Verbot des Versandhandels zustimmen, dann nur, wenn diese Benachteiligung ausgeglichen, sprich die Zuzahlung in der heimischen Apotheke abgeschafft werde, so Lauterbach gegenüber der FAZ.
In einer ersten Reaktion kamen darauf aus der CDU kritische Stimmen: „Es ist zwar grundsätzlich begrüßenswert, dass die SPD ihre Blockadehaltung beendet. Bayern lehnt aber unseriöse Tauschgeschäfte zulasten der Beitragszahler ab“, sagte die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). „Wenn nach dem Wegfall der Praxisgebühr jetzt auch noch die Zuzahlung für Arzneimittel für chronisch Kranke fällt, können wir Zuzahlungen als Finanzierungsinstrument gleich ganz aufgeben“, sagte der Arzneimittelexperte Michael Hennrich (CDU) gegenüber der FAZ.
Gesetzlich Versicherte müssen für Arzneimittel und andere Leistungen fünf bis zehn Euro je Verschreibung zuzahlen. Rund 5,2 Millionen Versicherte waren im Jahr 2015 allerdings davon befreit. Die Zuzahlungen für Arzneimittel beliefen sich im Jahr 2015 auf rund 2,2 Milliarden Euro. Allerdings ist unbekannt, wie hoch daran der Anteil der Chroniker ist, der nach Lauterbachs Vorstellungen wegfallen soll.
Zustimmung zum SPD-Verstoß kam vom Deutschen Hausärzteverband: „Es ist wichtig und richtig, darüber nachzudenken, wie man Patienten und insbesondere chronisch Kranke von Zuzahlungen befreien kann. Dafür setzen wir uns bereits seit Langem ein“, sagte der Bundesvorsitzende des Verbandes, Ulrich Weigeldt.
Er verknüpfte die Zuzahlungsbefreiung jedoch damit, die Hausarztverträge zu stärken. „Wir haben bereits vor Monaten vorgeschlagen, Patienten, die an den Verträgen zur Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) teilnehmen, von Zuzahlungen zu befreien“, sagte Weigeldt. Eine solche Zuzahlungsbefreiung entlaste nicht nur chronisch Kranke, sondern stärke auch eine bessere und koordiniertere Versorgung der Patienten, so der Vorsitzende des Hausarztverbandes.
Eine Abschaffung der Zuzahlung für chronisch Kranke fordert auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen (BAG Selbsthilfe). „Durch ihre chronische Erkrankung benötigen sie regelmäßig teure Medikamente, und durch die prozentual anteilige Zuzahlung geraten viele von ihnen in finanzielle Bedrängnis. Das ist nicht hinnehmbar“, sagte der Bundesgeschäftsführer der BAG Selbsthilfe, Martin Danner.
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