Pflege-Entlastungsgesetz: Gesetzentwurf in Anhörung als unzulänglich bewertet
Berlin – Vielstimmige Kritik am Entwurf des Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetzes (PUEG) äußerten heute Kassen-, Selbsthilfe- und Pflegeverbände im Rahmen einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages zum Gesetzentwurf.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verfolgt mit der Reform nach eigenen Angaben das Ziel, Pflegebedürftige zu entlasten und die Einnahmen der Pflegeversicherung zu stabilisieren. Der Gesetzentwurf sieht dazu zum 1. Juli eine Anhebung des Pflegebeitrags um 0,35 Punkte auf 3,4 Prozent vor – bei Kinderlosen soll er von bisher 3,4 auf vier Prozent steigen.
Das soll Mehreinnahmen in Höhe von rund 6,6 Milliarden Euro pro Jahr bringen. Mit diesen Mitteln sollen die Leistungen in der Pflege dynamisiert und die Pflegekosten in den Heimen gebremst werden. Zudem soll das Pflegegeld zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent erhöht werden, ebenso die ambulanten Sachleistungsbeträge.
Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, kritisierte, mit diesen Plänen werde nur eine „kurzfristige Stabilisierung“ der Pflegeversicherung gelingen. Zudem würden allein die Beitragszahlenden belastet. Um die dringend benötigte „verlässliche Finanzierung“ zu gewährleisten, würden zusätzliche Steuermittel für die Pflegeversicherung, insbesondere zur Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen, benötigt.
Bereits im Vorfeld der Anhörung warnten auch die Vorsitzenden des Verwaltungsrates des GKV-Spitzenverbandes, Susanne Wagenmann und Uwe Klemens, vor einer finanziellen Überforderung der Versicherten. Der Gesetzentwurf bürde „alleine den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern neue Lasten durch höhere Beiträge auf“. Der Entwurf biete „keine Lösung für eine nachhaltige und tragfähige Stabilisierung der Pflege“.
Die im aktuellen Gesetzentwurf vorgesehene Begrenzung der Dynamisierung der Leistungen auf fünf Prozent bilde die realen Preisentwicklungen nicht ab. Zudem müssten Leistungen, die nichts mit der Pflegeversicherung zu tun hätten – etwa Rentenbeiträge für pflegende Angehörige – durch Bundesmittel ausgeglichen werden.
Der Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege (AGVP), Thomas Greiner, übte ebenfalls scharfe Kritik an der Bundesregierung. „Im Koalitionsausschuss können die Parteispitzen 30 Stunden lang mit mäßigem Erfolg über Heizungen diskutieren, für unsere fünf Millionen Pflegebedürftigen haben sie nicht einmal eine Minute.“ Im Ergebnis würden Pflegebedürftige „mit oder ohne diese Reform“ unversorgt bleiben.
Vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hieß es in der Anhörung, der Gesetzentwurf werde insbesondere seinem Ziel, die häusliche Pflege zu stärken, nicht gerecht. So greife beispielsweise die geplante fünfprozentige Erhöhung des Pflegegeldes „viel zu kurz“. Auch fehle eine langfristige Strategie zum Ausbau der Leistungsangebote – obwohl im Koalitionsvertrag durchaus Inhalte festgelegt worden seien.
Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbands der Ersatzkassen (vdek), verwies darauf, dass von den rund fünf Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland etwa vier Millionen zu Hause betreut würden. Dass nun im Kabinettsentwurf die Zusammenlegung der Budgets für die Verhinderungs- und Kurzzeitpflege doch nicht enthalten sei, sollte im laufenden parlamentarischen Verfahren angepasst werden. Zudem müssten mit Blick auf die Finanzierung der Pflegeversicherung versicherungsfremde Leistungen wie im Koalitionsvertrag vorgesehen mit Steuermitteln ausgeglichen werden.
Auf Änderungen am Gesetzentwurf durch die Parlamentarier setzen auch Vertreterinnen von Pflege- und Selbsthilfeverbänden. Dies mahnten der Caritasverband, die BAG Selbsthilfe als auch der Bundesverband pflegender Angehöriger an.
Unter anderem müssten die Angebotsstrukturen zur Unterstützung der häuslichen Pflege massiv ausgebaut, das gemeinsame Budgets für die Verhinderungs- und Kurzzeitpflege umgesetzt und die Sachleistungsbeträge deutlicher angehoben werden.
Der Deutsche Pflegerat (DPR) warnte in einer Stellungnahme davor, die erforderliche Neustrukturierung der Pflege in die Zukunft zu verschieben. „Der Gesetzentwurf bietet keine Lösungen dafür, wie das, was vor Ort mehr an Leistungen und Unterstützung dringend benötigt wird, auch geleistet werden kann. Politisch wird ausgeblendet, welcher finanzielle Druck auf den Pflegebedürftigen und den Pflegepersonen lastet“, sagte Christine Vogler, Präsidentin des DPR.
Die Politik sei aufgefordert, das „finanzielle Pokern“ um die Pflegereform aufzugeben und zukunftsfähige Rahmenbedingungen zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung zu schaffen, so Vogler.
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