Politik

Pharmaverband warnt vor erneuten Engpässen bei lebenswichtigen Antibiotika

  • Dienstag, 14. Februar 2017
Uploaded: 28.09.2016 17:40:08 by mis
/dpa

Berlin – Der Pharmaverband Pro Generika warnt vor Lieferengpässen bei wichtigen An­ti­biotika durch die Konzentration der Produktion außerhalb der Europäischen Union, wie zuletzt geschehen unter anderem bei Präparaten mit Piperacillin/Tazobactam und Ampi­cillin/Sulbactam. Die derzeitige Entwicklung gefährde die Versorgungs- und die Patien­ten­sicherheit, kritisierte der Verband der Generika- und Biosimilar-Unternehmen in Deut­schland heute in Berlin. Er regte an, wieder über eine vermehrte Herstellung von Anti­bio­tika in Deutschland beziehungsweise in Europa nachzudenken.

„Angesichts weltweit zunehmender Spannungen sollte sichergestellt werden, dass der Erste-Hilfe-Koffer im Ernstfall in Europa steht", meinte der stellvertretende Vorstands­vor­sitzende Markus Leyck-Dieken. Es sei deshalb dringend erforderlich, wirksame Strate­gien zu entwickeln, um die Bereitstellung dieser lebenswichtigen Medikamente zu garan­tieren. „Die aktuellen Engpässe bei Antibiotika müssen ein Weckruf sein. Wir brauchen einen ‚New Deal für Versorgungssicherheit‘ in Deutschland“, so Leyck-Dieken.

Den Ursachen und den Auswirkungen der wiederholt auftretenden Engpässe ging Pro Generika mit zwei von ihm in Auftrag gegebenen Studien zum Thema Versorgungs­sicher­heit bei Antibiotika auf den Grund, die er heute in Berlin präsentierte.

Die Studie des Berliner IGES Instituts, die dabei die Rolle von Generika für die Antibio­ti­ka­­versorgung im stationären und ambulanten Bereich in Deutschland untersuchte, kam zu dem Schluss, dass entgegen der häufigen Wahrnehmung der tatsächliche Ver­brauch von Antibiotika in den vergangenen Jahren nicht gestiegen, sondern weitgehend kons­tant geblieben sei. Aufgrund der spezifischen Marktentwicklungen erhöhe sich jedoch die Wahrscheinlichkeit von Lieferengpässen.

So beobachte man in der ambulanten Versorgung vor allem einen Rückgang des Preis­ni­veaus und der Anbieterzahlen beziehungsweise eine steigende Marktkonzentration. In der stationären Versorgung berge vor allem ein stark sinkendes Preisniveau trotz hoher Anforderungen an die Produktion ein Risikopotenzial, erläuterte Martin Albrecht, Ge­schäfts­führer Gesundheitspolitik beim IGES Institut. Insgesamt wären generische Anti­bio­ti­ka in Deutschland einem sehr hohen Preis- und Rabattdruck ausgesetzt. Gleich­zeitig verdeutlichte er die essenzielle Rolle der generischen Antibiotika in Deutschland: Im am­bulanten Bereich sicherten sie 84 Prozent und im stationären Bereich sogar 87 Prozent der Versorgung (nach Tagestherapiedosen).

Ein weiterer Grund für Lieferprobleme ist Pro Generika zufolge die Konzentration der Roh- und Wirkstoffproduktion in den Händen von immer weniger Anbietern. Auch die welt­weit steigende Nachfrage nach bestimmten Antibiotika sei ein Grund für regelmäßig auftretende Engpässe. Konkret untersuchte diese Zusammenhänge die Unterneh­mens­beratung Roland Berger. Ihre Studie beleuchtet die Abhängigkeit Deutschlands von aus­ländischen Antibiotikaherstellern und hinterfragt, ob beziehungsweise unter welchen Um­ständen die heimische Antibiotikaproduktion gestärkt werden könnte.

Eine sehr hohe Abhängigkeit der Antibiotikaversorgung bestünde vor allem von Her­stell­ern in China, berichtete Morris Hosseini, Senior Partner bei Roland Berger. China ver­ei­ni­ge bereits wesentliche Teile der gesamten Weltmarktproduktion auf sich. Teil­weise ge­be es nur zwei oder drei relevante Produzenten von Wirkstoffen und von für die Produk­tion wichtigen Zwischenprodukten.

„Fällt eines dieser Unternehmen aus, sind Versorgungsengpässe aufgrund der aufwen­dig herzustellenden Vorläuferprodukte und der begrenzten Kapazität die logische Folge – wie am aktuellen Beispiel Piperacil­lin/Ta­zo­bactam deutlich wird“, sagte Hosseini. Als die größten Hürden bezeichnete der Ex­perte von Roland Berger die sehr hohen Investitions- und Produktionskosten und das sehr niedrige Preisniveau für Antibiotika in Deutschland. Dies stünde einer vermehrten Produktion wichtiger Antibiotika in Deutschland und inner­halb der EU im Wege.

Im Pharmadialog der Bundesregierung habe Pro Generika bereits auf das drängende Problem des Kostendrucks bei lebenswichtigen Arzneimitteln hingewiesen, betonte Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika. Allerdings sei der Abschlussbericht der Bundesregierung in dieser Hinsicht in Absichtserklärungen stecken geblieben. „Wir ha­ben noch nicht alle unsere Hausaufgaben gemacht“, sagte Bretthauer. Mit dem Arz­nei­mittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) habe die Politik jetzt die Option, erste kon­krete Schritte gegen Engpässe einzuleiten. So müsse die Verantwortung für Versor­gung auf mehrere Schultern verteilt werden.

ER

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