EU-Kommission: Frist für Umsetzung der In-vitro-Diagnostika-Verordnung soll verlängert werden

Brüssel/Berlin – Die Europäische Kommission will den Unternehmen unter bestimmten Bedingungen mehr Zeit für die Anwendung der Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IVD-VO) einräumen. Mit den Änderungen soll die Patientenversorgung mit grundlegenden Gesundheitsprodukten sichergestellt werden.
„Eine starke Europäische Gesundheitsunion muss auch vorrangig dafür sorgen, dass Medizinprodukte und Diagnostika allen Patientinnen und Patienten jederzeit zur Verfügung stehen. Wir müssen unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um ihre Verfügbarkeit zu verbessern“, sagte Stella Kyriakides, Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
Der Vorschlag werde die Branche entlasten, ohne die Sicherheit und Versorgung der Patienten zu gefährden. Zudem werde man untersuchen, was die Umstellung auf die neue Verordnung ausbremst, und sei „entschlossen, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen“.
Die Kommission schlägt auch Maßnahmen für mehr Transparenz im Medizinproduktesektor vor, unter anderem soll dies durch eine schnellere Einführung einiger Elemente der Europäischen Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED) erreicht werden.
In-vitro-Diagnostika (IVD) sind Tests, bei denen anhand biologischer Proben der Gesundheitszustand einer Person bestimmt wird. Mit der seit Mai 2022 geltenden Verordnung soll der EU-Rahmen für diese Produkte modernisiert werden.
Laut der EU-Kommission gehe aus den verfügbaren Daten jedoch hervor, dass bislang eine beträchtliche Zahl von derzeit auf dem Markt befindlichen In-vitro-Diagnostika den neuen Vorschriften noch nicht entspricht und auch nicht durch neue Produkte ersetzt wurde.
Besonders kritisch sei die Situation bei In-vitro-Diagnostika mit hohem Risiko – also Produkte, die etwa der Untersuchung von Infektionen im Blut und von Organspenden dienen. Um die Verfügbarkeit solcher Produkte zu verbessern, sollen die Hersteller unter bestimmten Bedingungen mehr Zeit erhalten, um die neuen Vorschriften anzuwenden.
Nach den derzeitigen Bestimmungen würden die neuen Vorschriften ab dem 26. Mai 2025 für In-vitro-Diagnostika mit hohem Risiko und ab dem 26. Mai 2027 für In-vitro-Diagnostika mit geringerem Risiko gelten. Wieviel Zeit den Unternehmen zusätzlich eingeräumt wird, soll laut Kommissionsvorschlag von der Art des Produkts abhängen.
So sollen Produkte mit hohem Risiko für Einzelpersonen und die öffentliche Gesundheit, wie HIV- oder Hepatitis-Tests (Klasse D), eine Übergangszeit bis Dezember 2027 erhalten. Für Produkte mit hohem Risiko für Einzelpersonen und moderatem Risiko für die öffentliche Gesundheit, wie Krebs-Tests (Klasse C), soll eine Übergangszeit bis Dezember 2028 gelten.
Produkte mit geringerem Risiko (Klasse B, wie etwa Schwangerschaftstests, und sterile Produkte der Klasse A wie Blutentnahmeröhrchen) würden bei Umsetzung des Vorschlags eine Übergangsfrist bis Dezember 2029 erhalten.
Der Vorschlag sieht auch vor, dass die Hersteller vorab melden müssen, wenn sie die Lieferung von In-vitro-Diagnostika oder Medizinprodukten einzustellen planen, sodass die Mitgliedstaaten mehr Zeit haben, um Maßnahmen zur Sicherstellung der Patientenversorgung zu ergreifen.
Nächste Schritte
Der Vorschlag wird nun dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Annahme vorgelegt. Die Kommission kündigte an, bereits 2024 mit ihren Vorbereitungen für eine gezielte Evaluierung der Rechtsvorschriften über Medizinprodukte zu beginnen.
Im Zuge dieser Evaluierung soll bewertet werden, wie sich die Rechtsvorschriften auf die Verfügbarkeit von Produkten auswirken, insbesondere bei Produkten mit besonderen Eigenschaften – etwa Medizinprodukte für Kinder oder für seltene Leiden sowie innovative Medizinprodukte.
Der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) begrüßte den Vorschlag. Eine Fristverlängerung könne dazu beitragen, das Risiko potenzieller Versorgungslücken in der Labordiagnostik zu vermeiden. Der VDGH verwies auf eine aktuelle Umfrage bei Unternehmen – diese hebe die Dringlichkeit einer Fristverlängerung hervor.
„Unsere Branche hat intensiv an der Umsetzung der IVDR gearbeitet. Doch trotz dieses Engagements stellen die komplexen bürokratischen Anforderungen der Verordnung nach wie vor eine signifikante Barriere für die Umsetzung dar“, erklärte Martin Walger, Geschäftsführer des VDGH.
„Mehr als ein Drittel aller Klasse-D-Produkte drohen vom Markt zu verschwinden. Hierzu zählen HIV-Tests und Tests für die Sicherheit von Blutspenden. Die vorgeschlagene Fristverlängerung ist deshalb ein entscheidender Schritt zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung in Deutschland und Europa sowie eine Anerkennung der Herausforderungen, denen sich die Unternehmen gegenübersehen.“
Der VDGH appelliert nun an den Rat und das Europäische Parlament, dem Kommissionsvorschlag schnellstmöglich zuzustimmen. Ebenfalls begrüßte der Verband die vorgezogene Evaluierung der gesamten Medizinproduktegesetzgebung. „Trotz der Fristverlängerung bleiben grundlegende Probleme ungelöst. Eine Überarbeitung des Rechtsrahmens ist unumgänglich“, betonte Walger.
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