Arzneimittelgesetz: Grüne setzen auf EU-Vorschläge, Kritik von Herstellern

Berlin – Um Lieferengpässe bei Kinderarzneimitteln und zu begrenzen und die Forschung sowie Entwicklung von Reserveantibiotika voranzutreiben, hat die Bundesregierung vor zwei Wochen ein entsprechendes Gesetz vorgelegt.
Obwohl mit rund einer halben Milliarde Euro ausgestattet, wird das Arzneimittellieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz – kurz ALBVVG – von der Industrie kritisiert. Auf dem Frühjahrsfest des Branchenverbandes ProGenerika forderten die Unternehmen deutliche Änderungen und ein Ende der Rabattverträge.
Für Paula Piechotta, Abgeordnete für die Grünen im Bundestag, ist die Zielsetzung des Gesetzes dagegen eine andere: „Der Kern des Gesetzes ist Risikominimierung bei den Lieferketten. Das De-Risking in Bezug auf China setzt sich auch im Gesundheitsbereich fort“, erklärte sie mit Blick auf Debatten in anderen Politikbereichen. Aus ihrer Sicht lagen die Lieferprobleme bei Kinderarzneimitteln, die besonders in dieser Wintersaison diskutiert wurden, auch in der hohen Nachfrage begründet.
In solchen Situationen müsse man künftig auch über die rechtzeitige Bevorratung in Apotheken sprechen sowie die Nachfragesteuerung bei der Verschreibung in Arztpraxen. Bei anderen Produkten warb sie für eine Diversifizierung der Lieferketten. „Dafür gibt das Gesetz ebenso Anreize.“ Auch sollte aus ihrer Sicht auf die Vorschläge geschaut werden, die die EU-Kommission zu Lieferengpässen vorlegen will. Diese werden für Ende April erwartet.
Für die Opposition fußt das Gesetzesvorhaben derzeit auf keiner guten Problemanalyse. „Als Jurist muss ich dies zuerst anstellen. Das Kernproblem ist ja, dass es Lieferprobleme von Wirkstoffen auch aus China gibt. Da muss man analysieren, ob es ein technisches, ein ökonomisches oder ein geopolitisches Problem ist“, erklärte Georg Kippels von der CDU-Bundestagsfraktion.
Auf die Kritik der Herstellerverbände, dass im ALBVVG beispielsweise onkologische Medikamente nicht mehr enthalten sind, entgegnete Piechotta, dass sie diese Frage an das Bundesgesundheitsministerium richten müsse. Aus ihrer Sicht gibt es in vielen Produktgruppen globale Engpässe, mit dem sich das System beschäftigen müsse.
Für Andreas Burkhardt, Vorsitzender von Pro Generika, ist dies aber kein Argument: „In vielen EU-Ländern mit einer ähnlich restriktiven Preispolitik bei generischen Medikamenten kommt es zu Lieferengpässen.“ Er betonte die Notwendigkeit von Anreizen für Unternehmen, auch weiter in Produktionen zu investieren. „Für echte Diversifizierung braucht es vor allem viele Hersteller. Diese haben sich aber mehr und mehr aus der Produktion zurückgezogen, weil diese wirtschaftlich nicht mehr darstellbar war“, sagte er.
Neben Fiebersäften für Kinder, Antibiotika ist auch das fehlende Medikament Tamoxifen bei der Therapie von Brustkrebs immer wieder in der Diskussion. Der Geschäftsführer von Aristo Pharma, Lothar Guske, erklärte, warum sein Unternehmen kürzlich aus der Produktion ausgestiegen ist: „Die Herstellungskosten hatten sich verdoppelt, den Preis aber konnten wir nicht anheben.“ Ihm habe die Entwicklung auch leidgetan, aber sie hätten unternehmerisch nicht anders handeln können.
Die übliche Mischkalkulation, für die auch Burkhardt warb, werde immer schwieriger für Unternehmen. Denn auch die chinesischen Produzenten von Vorstufenprodukten für Arzneimittel könnten sich inzwischen ihre Kunden aussuchen, betonte Josip Mestrovic, Geschäftsführer von Zentiva Pharma. „Die Preispolitik bei uns hat einen direkten Einfluss auf unsere Belieferung von den chinesischen Partnern“, sagte er.
Grünen-Politikerin Pichotta, die auch Mitglied im Haushaltsausschuss ist, warnte vor zu hohen finanziellen Forderungen der Hersteller. „Keiner macht es sich derzeit einfach, diese Kosten zu berechnen, keiner hat eine klare Kostenkalkulierung. Wir müssen als Politik auch darauf schauen, wie sich derzeit die GKV-Finanzen entwickeln.“
Ein Teil des geplanten ALBVVG ist auch ein Frühwarnsystem, mit dem Lieferengpässe künftig schneller und besser erkannt werden können. Dafür soll das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zuständig sein. Hier müsse ein intelligentes System entwickelt werden, dass den Markt gut bewerten kann, fordern die Generika-Unternehmen.
Nach Vorstellungen von Pro Generika müsse es immer dann eine Evaluation durch das BfArM geben, wenn es fünf oder weniger Hersteller für ein Arzneimittel gibt, die einen Versorgungsanteil von mindestens fünf Prozent haben.
Sofern es für den Marktaustritt ökonomische Ursachen gibt, müssten „sämtliche Preissenkungsmechanismen“ angepasst werden, heißt es in einem Strategiepapier. Fünf Jahre dürfe es für diese Arzneimittel keine Rabattverträge mit den Krankenkassen geben, der neue Preis müsse bis zu 50 Prozent über dem alten liegen. „Die Märkte müssen für Unternehmen mindestens fünf Jahre attraktiv sein“, so Burkhardt.
Dass das Gesetz noch geändert werden müsse, darin waren sich die Vertreterin der Grünen und der Vertreter der CDU einig. „Beim Frühwarnsystem muss es verlässliche Meldungen von den Unternehmen geben, die dazu verpflichtet werden und zur Not auch sanktioniert“, erklärte Kippels.
Piechotta warb dafür, dass das Gesetz auch als ein „Herantasten“ an die Thematik der Lieferengpässe sowie eines Frühwarnsystems zu bewerten sei. Daher werde nun mit einer Wirkstoffklasse begonnen. Es werde nicht eins zu eins so verabschiedet werden, wie der Entwurf es nun vorsieht. Auch werden im parlamentarischen Verfahren die erwarteten Vorschläge der EU-Kommission aufgenommen, so die Grünenpolitikerin.
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