Politik

Digitalisierung: Produkte sind bekannt, werden aber kaum genutzt

  • Montag, 15. November 2021
/vegefox.com, stock.adobe.com
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Berlin – Die Produkte und Möglichkeiten der Digitalisierung im Gesundheitswesen sind unter Gesund­heitsberufen bekannt, allerdings werden sie bislang wenig genutzt. Das geht aus dem TI-Atlas hervor, den die Gematik heute vorgelegt hat.

Demnach geben im dritten Quartal 2021 93 Prozent der Arztpraxen an, an die Telematikinfrastruktur (TI) ange­schlos­sen zu sein und 31 Prozent bezeichnen sich nach eigenen Angaben als „Voll-TI-Ready“. Bei den psychothe­rapeutischen Praxen sind 88 Prozent angeschlossen, bei den Zahnarztpraxen sind es 97 Pro­zent, bei den Apotheken 96 Prozent und bei den Krankenhäuser 88 Prozent.

Das Vertrauen in die Sicherheit der TI ist allerdings unter den medizinischen Berufen eher gering: So ver­trau­en 43 Prozent der Ärztinnen und Ärzte der Sicherheit der Daten in der TI. 30 Prozent der befragten Mediziner bewerten die Sicherheit der Daten in der elektronischen Patientenakte (ePA) als gut.

Im Gegensatz dazu bewerten die TI-Experten in Krankenhäu­sern die Datensicherheit positiver: Aus Sicht von 77 Prozent der Befragten Experten seien Daten in der TI sicher abgelegt. 30 Prozent von ihnen sehen auch die Daten in der ePA als sicher an.

Im Gegensatz dazu sehen die befragten Patienten ihre Daten auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) sowie in der elektronischen Patientenakte gut geschützt: 66 Prozent haben generell keine Daten­schutzbedenken, 77 Prozent haben Vertrauen, dass ihre Daten eGK sicher gespeichert sind. 51 Prozent sehen ihre Daten auf Apps ihrer Krankenkassen als gut gesichert an.

Auch an der Nutzung von Produkten, die für die Digitalisierung benötigt wird, muss gearbeitet werden: Zwar kennen 89 Prozent der Ärzte den E-Medikationsplan (eMP), 40 Prozent haben das Softwaremodul bereits in ihrer Praxis, 26 Prozent geben sich als „bereit zur Nutzung“ an, aber nur 18 Prozent nutzen es wirklich. Ähnliches Bild auch bei der ePA: So kennen 90 Prozent der Ärztinnen und Ärzte diese, aber nur zwölf Prozent können sie nutzen und drei Prozent tun dies auch.

Auch bei einem der wichtigsten Dienste für die künftige Kommunikation zwischen Gesundheitsberufen in der TI, dem E-Mail-Dienst KIM, gibt es noch große Lücken zwischen Bekanntheit und Nutzung: So ge­ben in der Befragung 84 Prozent der Ärzte an, den KIM-Dienst zu kennen, 32 Prozent haben das Software­­mo­dul, 15 Prozent sind bereit zur Nutzung und acht Prozent nutzen den Dienst. Nicht viel besser sieht es auch bei Psychotherapeuten, Zahnärzten, Apothekern oder in Krankenhäusern aus.

Laut aktuellen Zahlen der Gematik wurden inzwischen mehr als 629.000 KIM-Mails aus über 51.000 Be­triebs­stätten mit KIM-Adressen verschickt. Außerdem seien bislang 307.444 elektronische Arbeitsun­fähigkeitsbescheinigungen ausgestellt worden und 64.000 eArztbriefe versendet worden.

Der große Unterschied zwischen Bekanntheit und Nutzung sieht der Gematik-Geschäftsführer Markus Leyck-Dieken noch gelassen: „Wir gehen davon aus, dass viele Dienste wie KIM aber auch der TI-Messen­ger in der Zukunft deutlich an Bedeutung gewinnen", sagte er im Gespräch mit dem Deutschen Ärzte­blatt.

„Es wird immer mehr Ärztinnen und Ärzten bewusst werden, dass man darüber gut und sicher kommu­ni­zieren kann, auch mit anderen medizinischen Berufen. Ich gehe sogar davon aus, dass unter Ärzten bald der Ausspruch „Ich ‚kim‘ dir das mal“ genutzt wird.“

Laut der Befragung sehen 34 Prozent der Arztpraxen in dem TI-Messenger mehr Vor- als Nachteile. Be­son­ders bei Apotheken (58 Prozent) und bei Krankenhäusern (51 Prozent) werden die Vorteile des künfti­gen Messenger hoch geschätzt.

Für den TI-Atlas der Gematik wurden Ärztinnen und Ärzte, Mitarbeiter in Krankenhäuser sowie Apotheker, Krankenkassen, Mitarbeiter in Zahnarzt- und psychotherapeutischen Praxen befragt, welche Möglichkei­ten und digitalen Produkte sie bislang nutzen.

Diese Befragung wurde im ersten und dritten Quartal 2021 durchgeführt. Außerdem wurden Versicherte im gleichen Zeitraum zwei Mal zu ihren Einstellungen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen befragt.

Diese eher kritische Bestandsaufnahme zum Stand der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen sieht Leyck-Dieken auch positiv: „Der TI-Atlas ist auch ein Ausdruck des neuen Selbstverständnisses der Gematik: Wir wollen uns öffnen und kritisch mit dem Stand der Digitalisierung des Gesundheitswesens umgehen.“

Nur so könne man realistisch den Stand der Digitalisierung abschätzen. Den Ärger in Praxen über viele nicht funktionierende Module kann er nachvollziehen und wirbt auch bei den Softwareanbietern dafür, die gesetzlichen Rahmendaten und Fristen auch zu beachten. Ebenso sollten die Unternehmen mehr an einem besseren dem Nutzererlebnis und der Praxisorientierung arbeiten.

Um mehr Einblicke in den Praxisbetrieb sowie die Bedürfnisse der medizinischen Fachberufe zu bekomm­en, will die Gematik künftig auch weiter auf die Ärzteschaft sowie andere Player zugehen. „Die Entwicklungen müssen näher an der Ärzteschaft stattfinden, da geht es um die Kooperation mit der Lan­desärztekammer Berlin, aber auch um Projekte mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft", erklärt Leyck-Dieken.

Die Gematik hatte vergangene Woche einen engen Austausch mit Ärztinnen und Ärzten aus der Haupt­stadt angekündigt. „Außerdem wollen wir gerne das Konzept einer Modellregion mit unseren Gesell­schaftern ausloten, um dort intensiv die neuen Anwendungen zu testen, bevor sie in den Regelbetrieb gehen können“, sagt Leyck-Dieken. Bei der ePA erwartet Leyck-Dieken im kommenden Jahr vor allem mehr Werbung für die Nutzung von den Krankenkassen bei ihren Versicherten.

In der Gematik hält der Bund mit dem Bundesgesundheitsministerium derzeit 51 Prozent der Anteile. Die anderen Gesellschafter aus dem Gesundheitswesen haben unterschiedliche Anteile: So hält der GKV-Spitzenverband 22,05 Prozent, der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) 2,45 Prozent, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) 7,35 Prozent, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) 5,88 Prozent, der Deutsche Apothekerverband 3,92, die Bundesärztekammer (BÄK) 2,45 Prozent und die Bundeszahnärztekammer sowie die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung jeweils 2,45 Prozent.

In der regelmäßig tagenden Gesellschafterversammlung tauschen sich die beteiligten Organisationen über den Stand der Digitalisierung aus und beschließen zukünftige Projekte. Damit habe der Kreis in­zwischen eine wichtige Stellung eingenommen, sagte Leyck-Dieken: „Aus meiner Sicht ist inzwischen der Gesellschafterkreis der Gematik das wichtigste Gremium für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Denn wo gibt es sonst eine Gesprächsplattform, wo alle Beteiligten zusammen kommen.“

bee

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