Vermischtes

Deutsche Krebsgesellschaft fordert Optimierung des Innovationsfonds

  • Donnerstag, 12. Oktober 2023
(v.l.n.r): Holger Pfaff, Ursula Marschall, Martin Härter /Peter-Paul Weiler/berlin-event-foto.de
(v.l.n.r): Holger Pfaff, Ursula Marschall, Martin Härter /Peter-Paul Weiler/berlin-event-foto.de

Berlin – Die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) fordert, die Wirksamkeit des Innovationsfonds zu verbessern. Dieser wurde 2015 mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz auf den Weg gebracht, um Projekte zu fördern, „die über die bisherige Regelversorgung hinausgehen und hinreichendes Potenzial aufweisen, in die Regel­versorgung überführt zu werden“.

Zwar seien bislang viele sinnvolle Projekte gefördert worden, so der Tenor der heutigen DKG-Diskussions­veran­staltung „Brennpunkt Onkologie“ in Berlin. Es fehle jedoch ein klarer Mechanismus, wie der Transfer der vom Innovationsausschuss empfohlenen Projekte in die Regelversorgung gestaltet werden könne.

Bisher seien im Rahmen des Innovationsfonds fast 600 Projekte in den Bereichen der neuen Versorgungsfor­men und der Versorgungsforschung mit einem Projektvolumen von insgesamt mehr als 1,5 Milliarden Euro geför­dert worden, so die DKG. Darunter seien auch einige Versorgungsforschungsprojekte der DKG. Doch nur wenige geförderte Projekte hätten bislang den Weg in die Regelversorgung gefunden, so die Kritik.

Dass diesbezüglich ein deutlicher „Gap“ besteht, bestätigte Holger Pfaff, Direktor des Instituts für Medizin­sozio­logie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft der Universität zu Köln. „Wir müssen zukünftig die Projekte noch intensiver evaluieren, um die Chancen zu erhöhen, dass sie in die Regelver­sorgung überführt werden“, sagte der ehemalige Vorsitzende im Expertenbeirat des Innovationsfonds.

Grundsätzlich bescheinigte er allen Beteiligten viel Motivation. Man komme aber inzwischen an die Grenzen der Verbesserungsmöglichkeiten des Systems. „Wir müssen auch an Mindestziele denken. Es gehe mittlerweile auch darum, den Standard zu halten – bei einer Verknappung der Ressourcen und bei Fachkräftemangel. „Wir müssen mehr Effizienz schaffen.“

Pfaff hält den Innovationsfonds jedoch nach wie vor für eine Chance, Innovationen in evaluierter Form ins Gesundheitswesen zu bringen und verschiedene Akteure zusammenzubringen. Zudem fördere er nicht nur medizinische, sondern auch soziale Innovationen.

Für die Zukunft gelte jedoch: „Neue Versorgungsformen sollten inhaltlich besser geplant und methodisch evaluiert werden, um generalisierbares Wissen zu schaffen“, forderte er heute beim „Brennpunkt Onkologie“.

Deutschland mit seinem sehr komplexen Gesundheitssystem und den vielen Adressaten für die Überführung von Projekten in die Regelversorgung sei eine große Herausforderung. „Wir brauchen Theorien als Landkarten, die Treffer wahrscheinlicher machen“, sagte er.

Licht und Schatten sieht auch Ursula Marschall, Forschungsbereichsleiterin Medizin und Versorgungsfor­schung des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung. „Der Innovationsfonds ist in der Versorgung angekomm­en“, bestätigte sie heute. Allerdings könnten die teils bestehenden Selektivverträge zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen nur eine temporäre Lösung darstellen. „Ziel muss es sein, die Regelversorgung zu verbess­ern.“

Zudem reichten 200 Millionen Euro pro Jahr längst nicht aus, um alle Projekte zu finanzieren. Allein dieses Jahr hätte es beispielsweise etwa 150 Kooperations- und Beteiligungsanfragen gegeben, berichtete sie. „Wir haben bei der Barmer inzwischen einen guten Riecher für zielführende Projekte entwickelt, die zu uns passen und auch ausbaufähig sind.“ Trotzdem gebe es noch viele Hürden. So würde die Dauer der Projekte oft überschritten und auch der Datenschutz sei immer wieder eine Herausforderung.

Marshall nannte aber auch Positivbeispiele für die Fortführung von Projektideen. Viele seien erfolgreich gewesen, weil gleich zu Beginn des Projekts das Ende mitgedacht wurde. Dies gelte für Translate NAMSE, ein Projekt bei dem inzwischen mehr als 50 Erkrankungen durch Exomsequenzierung identifiziert wurden. Nach Ende der Förderphase hätten sich AOK und VDEK zu einem Selektivertrag nach Paragraf 140 Sozialgesetzbuch V (SGB V) „Exomsequenzierung bei Seltenen Erkrankungen“ bereit erklärt, berichtete sie.

Dies sei zwar eine kurzfristige Lösung: „Wir können aber nicht bei Selektivverträgen bleiben, um etwas dauer­haft zu erreichen“, schränkte sie ein. „Ohne Engagement von Kassen laufen die Projekte ins Leere, aufgebaute Netzwerke gehen wieder kaputt“, mahnte sie. „Wir müssen unsere Erfahrungen jetzt strukturiert umsetzen, sonst wird der Innovationsfonds seinen Zielen nicht gerecht.“

Dass der Innovationsfonds dringend neue Unterstützungsmaßnahmen benötigt, wie ein Transfer erfolgreicher Projekte in die Regelversorgung erfolgen kann, bestätigte heute Martin Härter, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Netzwerks für Versorgungsforschung (DNVF).

Von 210 Projekten aus der ersten Phase seien mittlerweile 57 beendet, 17 davon hätten eine Empfehlung zur Überführung erhalten, beispielsweise RESIST, CoCare, ERIC, Translate Namse oder PASTA. Ein Problem sei aber: „Die Projekte haben bis zu 120 Adressaten und deren Rückantwortquote liegt zwischen 0 und 60 Prozent nach 50 bis 130 Tagen. Das ist eine kritische Situation“, so Härter.

Nach Ansicht des Versorgungsforschers ist es schlecht, dass momentan bei den Adressaten der Projekte keine Verpflichtung zur Stellungnahme bestehe sowie keine Zusammenführung der eingegangenen Stellungnah­men.

Zu diesen Adressaten zählen etwa die Gesundheitsministerien der Länder, die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der GKV-Spitzenverband, die Deutsche Krankenhausgesellschaft sowie auch Fachgesellschaften und Berufsverbände. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das einzige Gremium, das gesetzlich verpflichtet ist, sich mit den Ergebnissen zu befassen. Diese Aufgabe nehme man auch wahr, hieß es aus dem G-BA.

Härter wies dabei auf die große Heterogenität von deren Sichtweisen hin und die fehlende Konkretisierung der Verantwortlichkeiten beim G-BA oder beim Innovationsausschuss. „Unter diesen Bedingungen ist klar, dass der Transferprozess oft ein offenes Ende behält“, konstatierte er. Um dies zu ändern, brauche es einen Transferfond oder ein Transferinstitut, das neu etabliert oder in ein bestehendes Institut integriert werden müsse. Dazu müssten gesetzliche Grundlagen geschaffen werden.

ER

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