Spahn rechnet beim Pflegepersonal nicht mit schnellem Anstieg

Berlin – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rechnet trotz des seit dem 1. Januar des Jahres geltenden Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes nicht mit einer schnellen Verbesserung der Situation für Patienten und Pflegekräfte.
Auf Anfrage der Redaktion rbb24 Recherche und der Berliner Zeitung teilte das Ministerium mit, dass erst mit der für 2020 geplanten Einführung individueller Pflegebudgets für die Krankenhäuser strukturelle und organisatorische Fortschritte zu erwarten seien. Mit einem „abrupten Anstieg der Pflegepersonalbesetzung zum Jahresbeginn“ sei nicht zu rechnen gewesen.
Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz wurden Personaluntergrenzen für besonders pflegeintensive Bereiche in den Krankenhäusern vorgeschrieben. Die Untergrenzen gelten für Intensivstationen, geriatrische und kardiologische Stationen sowie die Unfallchirurgie. Die zusätzlichen Personalkosten werden den Krankenhäusern von den Krankenkassen vollständig erstattet. Bei der Festlegung des Personaluntergrenzen orientiert sich das Gesetz jedoch an den unteren 25 Prozent der Krankenhäuser.
Im Alltag führt dies zu keinen nennenswerten Verbesserungen, wie Manuel Götze, stellvertretender Pflegedirektor des Städtischen Klinikums Brandenburg an der Havel, sagte. „Die Belastung der Mitarbeiter hat sich durch die Untergrenzen nicht verringert.“
Nach Informationen von rbb24 Recherche und Berliner Zeitung führt das neue Gesetz aber auch zu Verdrängungen in anderen Pflegebereichen. Anonym berichtet der Betriebsrat eines Berliner Krankenhauses danach, dass in seinem Unternehmen Personal aus anderen Stationen abgezogen wurde, um die Untergrenze auf den relevanten Stationen einzuhalten.
Dadurch habe sich die Belastung für Pflegekräfte auf den übrigen Stationen erhöht. Nach seinen Angaben kam es in diesem Zusammenhang im ersten Quartal 2019 bereits zu 140 Gefährdungsanzeigen.
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) wies darauf hin, dass die Ziele der Personaluntergrenzen bisher „weit verfehlt“ worden seien. „Untergrenzen, die nur für ausgewählte Bereiche gelten, führen nicht zu Personalaufwuchs, sondern zu Personalverschiebungen“, monierte DBfK-Sprecherin Johanna Knüppel.
Dem DBfK zufolge kommt es in den Krankenhäusern als Folge der Reform zu Patienten- und Personalverschiebungen und Umstrukturierungen einzelner Bereiche. In Abteilungen mit Personal oberhalb der Untergrenzen werde Pflegepersonal weggespart. Statt Betten stillzulegen, würden Sanktionen in Kauf genommen. Darüber hinaus werde versucht, gering qualifizierte Helfer miteinzurechnen. Auch werde abgewartet, auf Ausnahmeregelungen gesetzt und argumentiert, es gäbe kein Pflegepersonal auf dem Markt.
„All diese Entwicklungen waren vorauszusehen, der DBfK hat im Vorfeld wiederholt davor gewarnt“, erklärte Knüppel. Sie verstärkten das seit Langem bestehende Misstrauen von Pflegefachpersonen gegenüber Versprechungen der Politik und der Arbeitgeber. „Ohne die zeitnahe Einführung eines verpflichtenden und am Pflegebedarf des Patienten ausgerichteten Pflegepersonalbemessungsinstruments wird die Pflegekrise in den Kliniken nicht gelöst werden können. Es gibt solche Instrumente, sie müssten nur zum Einsatz gebracht werden“, sagte die DBfK-Expertin.
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